Kritik an vertraulichen Erstattungsbeträgen
Berlin: (hib/PK) Gesundheits- und Pharmaexperten sehen in dem Medizinforschungsgesetz der Bundesregierung eine wichtige Weichenstellung, kritisieren aber einzelne aus ihrer Sicht schädliche Regelungen. Im Zentrum der Kritik stehen die vertraulichen Erstattungsbeträge, die mit der Reform eingeführt werden sollen, wie eine Anhörung des Gesundheitsausschusses zu dem Gesetzentwurf (20/11561) gezeigt hat. Auch die spezialisierte Ethik-Kommission auf Bundesebene wird kritisch hinterfragt. Die Sachverständigen äußerten sich am Mittwoch in der Anhörung und in schriftlichen Stellungnahmen.
Mit dem Medizinforschungsgesetz sollen die Rahmenbedingungen für die Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten verbessert werden. Das Ziel sei, die Attraktivität des Standortes Deutschland in der medizinischen Forschung zu stärken und den Zugang zu neuen Therapieoptionen zu beschleunigen, heißt es im Gesetzentwurf.
Mehrere Fachverbände, darunter die Krankenkassen, wandten sich gegen die vertraulichen Erstattungsbeträge und warnten vor zusätzlichen Kosten. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erklärte, zu befürchten seien kontinuierlich steigende Mehrausgaben in Milliardenhöhe und bürokratischer Mehraufwand. Eine bessere Versorgungsqualität sei hingegen nicht zu erwarten. Eine Sprecherin des GKV-Spitzenverbandes warnte in der Anhörung, die Regelung könnte in einem Zeitraum von zehn Jahren Zusatzkosten in Höhe von bis zu 33 Milliarden Euro verursachen. Zusatzkosten ab einer Höhe von 1,5 Milliarden Euro seien beitragssatzrelevant.
Der AOK-Bundesverband begrüßte den Abbau bürokratischer Hürden und die Beschleunigung von Prüfverfahren zugunsten der medizinischen Forschung. Mit dem vertraulichen Erstattungsbetrag werde der Forschungs- und Produktionsstandort jedoch nicht unterstützt. Die Regelung konterkariere die europäischen Bestrebungen für mehr Transparenz und angemessene Arzneimittelpreise.
Kritik an der Regelung kam auch aus der Pharmabranche. Der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) befürchtet höhere Einkaufspreise und zu deren Finanzierung höhere Fremdkapitalkosten.
Der Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfu) erklärte, die Verbesserungen für den Studienstandort könnten nur zusammen mit innovationsfreundlichen Erstattungsbedingungen erfolgreich sein. Die starren Einschränkungen im Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) erschwerten derzeit, dass innovative Arzneimittel in die Patientenversorgung kämen. Ein Verbandsvertreter sagte in der Anhörung, insbesondere die sogenannten „Leitplanken“ seien für den Standort Deutschland verheerend.
Verschiedene Sachverständige machten sich in der Anhörung dafür stark, die im Entwurf vorgesehenen Mustervertragsklauseln verbindlich zu regeln. Damit ließen sich nach Ansicht der Experten die klinischen Prüfungen in Deutschland erheblich beschleunigen.
Die Bundesärztekammer (BÄK) äußerte sich besorgt über die Errichtung einer spezialisierten Ethik-Kommission für besondere Verfahren auf Bundesebene. Angesichts der strukturellen Ansiedlung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) widerspreche die Ethik-Kommission zentralen Anforderungen der vom Weltärztebund verabschiedeten Deklaration von Helsinki. Die Unabhängigkeit bei der ethischen Bewertung von Studienvorhaben werde damit grundlegend infrage gestellt.
Der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen (AKEK) erklärte, in den bestehenden Ethik-Kommissionen sei das notwendige Fachwissen vorhanden und sollte genutzt werden. Die Einrichtung einer spezialisierten Ethik-Kommission führte zu unnötiger Doppelbürokratie, eine Beschleunigung der Verfahren sei nicht zu erwarten.