Experten zum Parlamentsvorbehalt bei Auslandseinsätzen
Berlin: (hib/LL) Die im internationalen Vergleich starke Rolle des Bundestags schwächt weder die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung noch stellt sie die Fähigkeit Deutschlands zur Landes- und Bündnisverteidigung in Frage. So lautete das Fazit der Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Lehren aus Afghanistan“ am Montagnachmittag zum Thema „Die Rolle des Parlaments in zukünftigen vernetzten Engagements und Einsätzen der Bundeswehr“. Für eine bessere Abstimmung zwischen den einzelnen Ministerien sowie zwischen Exekutive und Legislative sollten vor allem vorhandene Formate genutzt werden, statt neue Gremien zu schaffen, so die Expertenempfehlung.
Heiko Sauer, Inhaber des Lehrstuhls für deutsches und europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht am Institut für Öffentliches Recht der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, erläuterte, dass die dem Bundestag durch den sogenannten Parlamentsvorbehalt zugewiesene starke Rolle bei der Streitkräfteentsendung nicht nur die einmalige Mandatserteilung meine, sondern eine im Entscheidungsverbund mit der Bundesregierung über die gesamte Dauer des Engagements wahrzunehmende Einsatzverantwortung umfasse.
Mit der Unterrichtungspflicht seitens der Regierung korrespondiere die Verantwortungsmitübernahme des Parlaments. Neuerungen, um die vom Verfassungsrecht für den Streitkräfteeinsatz umrissenen Aufgaben bei der Zusammenarbeit von Parlament und Regierung zu präzisieren, stünden keine verfassungsrechtlichen Hürden entgegen, sagte Sauer. So könne man das Parlamentsgesetz nachschärfen, um die Qualität der Informationen und deren Zusammenführung zu verbessern. Der Bundestag könne seiner Kontrolle und Verantwortung besser gerecht werden, wenn die Regierung dazu verpflichtet werde, in ihrem Beschluss die Einsatzziele zu nennen. Außerdem könnten die im Grundgesetz festgeschriebenen Ausschüsse für Auswärtiges und Verteidigung aus Gründen der Effizienz und Geheimhaltung ein vorbereitendes, ausschussübergreifendes Hilfsgremium schaffen.
Auslandseinsätze der Bundeswehr, als Beitrag zum internationalen Krisenmanagement, bleiben, neben der Landesverteidigung, ein wichtiger Bestandteil der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, betonte Dominik Mutter, Beauftragter für Sicherheitspolitik, Nordamerika, Vereinigtes Königreich, EFTA-Staaten und Arktispolitik im Auswärtigen Amt. In dieser Woche wolle die Bundesregierung eine umfassende Evaluierung der bisherigen Auslandseinsätze vorlegen. Zusammen mit den Ergebnissen der Arbeit der Enquete-Kommission des Bundestages erhalte man auf diese Weise ein gutes Bild von der Thematik.
Wie schnell Deutschland sich mit durch den Bundestag mandatierten Kräften an internationalen Einsätzen beteiligen könne, machten die Verfahrensabläufe zur Beteiligung an der Mission EUNAVFOR ASPIDES zur Pirateriebekämpfung im Roten Meer deutlich. Dabei sei der Bundestag nicht nur über die Mandatsplanung informiert worden, sofern werde auch über das Operationsgeschehen vor Ort in Echtzeit auf dem Laufenden gehalten, versicherte Mutter. Dabei sei der Austausch zwischen Regierung und Parlament keine Einbahnstraße, sondern die Regierung greife umgekehrt auch Impulse des Bundestages auf. Für die Koordinierung solle man auf die breite Palette vorhandener, bewährter und bereits optimierter Gremien, Instrumente und Verfahren setzen, formelle wie informelle, warb der Diplomat. So tage der sicherheitspolitische Jour fixe der Staatssekretäre der Bundesregierung in erweiterter Runde bereits häufiger.