Bundesrechnungshof sieht verfassungsrechtliche Risiken
Berlin: (hib/VOM) Der Bundesrechnungshof sieht in dem gemeinsamen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen und der Unionsfraktion zur Änderung des Abgeordnetengesetzes - Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen und weitere Änderungen (20/11944) teilweise erhebliche verfassungsrechtliche Risiken. Das geht aus dem als Unterrichtung (20/12700) vorgelegten Bericht des Bundesrechnungshofes hervor. Darin heißt es, die Bundestagsfraktionen erhielten zusammen jährlich Geldleistungen von derzeit 140 Millionen Euro und Sachleistungen aus dem Bundeshaushalt. Aus diesen Mitteln finanzierten sie auch ihre Öffentlichkeitsarbeit einschließlich der Auftritte in den sozialen Medien. Die vier Fraktionen hatten ihren Gesetzentwurf zur Änderung der Paragrafen 55 und 58 des Abgeordnetengesetzes vorgelegt, nachdem der Bundesrechnungshof empfohlen hatte, die gesetzlichen Regeln für die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen zu reformieren.
Für den Zeitraum von sechs Wochen vor einer Bundestagswahl sehe der Gesetzentwurf strengere Regeln für die Öffentlichkeitsarbeit vor als bisher, schreiben die Rechnungsprüfer. Künftig soll ein „besonderer parlamentarischer Anlass“ Ausgangspunkt und Gegenstand der Unterrichtung sein müssen. Damit grenze der Gesetzentwurf die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen klar von den Aufgaben und den Tätigkeiten der Parteien im Wahlkampf ab, was der Rechtsauffassung des Bundesrechnungshofes entspreche.
Außerhalb des Zeitraums von sechs Wochen vor Bundestagswahlen sehe der Gesetzentwurf jedoch eine weite Öffentlichkeitsarbeit vor. Den Fraktionen würde erlaubt, ihre aus dem Bundeshaushalt stammenden Mittel auch für solche werbenden Maßnahmen einzusetzen, die bisher den Parteien vorbehalten waren. Damit sind aus Sicht des Bundesrechnungshofes „erhebliche verfassungsrechtliche Risiken“ verbunden.
Neben Rückzahlungen werde im Gesetzentwurf als Sanktion vorgesehen, dass die Feststellung einer rechtswidrigen Verwendung von Geld- und Sachleistungen durch eine Fraktion in einer Bundestagsdrucksache veröffentlicht werden muss. Es fehle jedoch zum Beispiel eine Verpflichtung, so der Rechnungshof, Beiträge in den sozialen Medien zu löschen, die nicht die Anforderungen des Paragrafen 55 Absatz 3 des Abgeordnetengesetzes an eine zulässige Öffentlichkeitsarbeit erfüllen.
Diese Regelung lautet im Entwurf der Fraktionen: „Zu den Aufgaben der Fraktionen gehört eine eigenständige Öffentlichkeitsarbeit. Sie dient der Unterrichtung der Öffentlichkeit über parlamentarische Vorgänge, Initiativen und Konzepte der Fraktionen, der Vermittlung ihrer allgemeinen politischen Standpunkte und dem Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern über parlamentarisch-politische Fragen. Die Fraktionen sind im Rahmen ihrer zulässigen Aufgabenwahrnehmung bei der Wahl der Mittel, des Orts, der Zeit und der Häufigkeit ihrer Unterrichtung frei. Zu den Mitteln gehört insbesondere auch die digitale Kommunikation. Die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen unterliegt nicht dem Gebot der politischen Neutralität. Die Fraktionen müssen als Urheber ausdrücklich erkennbar sein. Sechs Wochen vor einer Bundestagswahl bedarf die Öffentlichkeitsarbeit eines besonderen parlamentarischen Anlasses.“
Das vorgesehene Sanktionsverfahren, das den Ältestenrat des Deutschen Bundestages verpflichtet und den Bundesrechnungshof einbezieht, stellt dem Rechnungshof-Bericht zufolge nicht sicher, dass wirksam sanktioniert und dass Regelverstößen von Fraktionen und Fehlanreizen wirksam begegnet wird, heißt es weiter. Es bleibe somit dabei, dass der Gesetzgeber einen wirksamen Rückforderungs- und Sanktionsmechanismus schaffen müsse.