21.10.2024 2. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 722/2024

UBA-Chef schildert Sorgen vor „fossilem Backlash“

Berlin: (hib/HLE) Das Umweltbundesamt war in die Entscheidungsprozesse der Bundesregierung zum Atomausstieg nicht eingebunden. Dies erklärte Professor Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes, am Donnerstag als Zeuge vor dem 2. Untersuchungsausschuss, der die Umstände des deutschen Atomausstiegs aufklärt. Auf Fragen von Abgeordneten in der vom Vorsitzenden Stefan Heck (CDU) geleiteten Sitzung erklärte Messner: „Nein, wir sind nicht verwundert gewesen, dass wir nicht in die Diskussion einbezogen wurden.“ Die Fragen der Sicherheit, um die es bei der Debatte um die mögliche Laufzeitverlängerung gegangen sei, würden in der Arbeit des Umweltbundesamtes keine Rolle spielen. Man habe sich zwar mit Atomkraft beschäftigt, etwa in einer Studie, die Ende des Jahres abgeschlossen sein werde. Dabei gehe es um die Klimawirkung der Atomkraft. Das Thema habe keine Beziehung zur Laufzeitdiskussion. Es gebe beim Umweltbundesamt zwar eine Energieabteilung. Aber diese sei mehr auf erneuerbare Energien ausgerichtet.

Messner bestätigte, dass er an Abteilungsleiter-Runden im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) teilgenommen habe. Die Abteilungsleiter-Runden hatten bereits mehrfach in Zeugenbefragungen eine Rolle gespielt. An den Diskussionen zu einer möglichen Laufzeitverlängerung habe er sich nicht beteiligt, weil er keine Hausexpertise zu diesem Thema habe. In den Runden sei offen über die jeweiligen Informationsstände gesprochen worden. Über den von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ins Gespräch gebrachten Streckbetrieb der letzten Kernkraftwerke sei er nicht überrascht gewesen, weil darüber schon vorher gesprochen worden sei. Die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die letzten drei Kernkraftwerke länger laufen zu lassen und zwar bis Mitte April 2023, habe ihn auch nicht überrascht.

Messner berichtete, dass er bei den Diskussionen über die Sicherstellung der Energieversorgung besorgt gewesen sei, dass es wieder einen „Log-in“ im Kohlebereich geben könne. Die Diskussionen in den Abteilungsleiter-Runden seien nach dem Beginn des Ukraine-Krieges von einer möglichen Energieknappheit geprägt gewesen. Er habe eine „Renaissance der fossilen Energieträger“ befürchtet: „Einen fossilen Backlash.“ Aber der Ausbau der erneuerbaren Energien sei der richtige Weg.

Die aktuelle internationale Diskussion, ob die Atomenergie einen Beitrag zur Herstellung von Klimaneutralität leisten könne, sehe das Umweltbundesamt kritisch, sagte Messner. In dieser Diskussion werde die CO2-Einsparung durch die Kernenergie zu stark bewertet, während über Sicherheitsbelange zu wenig gesprochen werde.

Der Ausschuss vernahm außerdem Referenten aus dem Umweltministerium. Ein Zeuge berichtete, dass bereits kurz nach Beginn des Ukraine-Krieges im Ministerium eine Diskussion über einen möglichen Weiterbetrieb der letzten drei deutschen Atomkraftwerke begonnen hätte. Er habe nicht die Wahrnehmung, dass es Denkverbote gegeben habe oder dass fachliche Argumente nicht gehört worden wären. Die Kraftwerksbetreiber selbst hätten eine Verlängerung der Laufzeit skeptisch beurteilt, schilderte er.

Wie der Zeuge weiter berichtete, habe es nach der Entscheidung des Kanzlers für eine Laufzeitverlängerung wegen der fehlenden Periodischen Sicherheitsüberprüfungen (PSÜ) der deutschen Kernkraftwerke Kontakte mit der EU gegeben. Für die Verlängerung des Reaktorbetriebs um viereinhalb Monate habe es in Brüssel Zustimmung gegeben, gegen eine darüber hinaus gehende weitere Verlängerung Bedenken. Eine PSÜ sei kein Selbstzweck, sondern diene dazu, technische Verbesserungen zu identifizieren, erläuterte der Zeuge. Die fehlenden Sicherheitsüberprüfungen hatten schon bei früheren Vernehmungen eine große Rolle gespielt.