Industrie: Ministerien hätten uns fragen sollen
Berlin: (hib/FLA) Für einen Weiterbetrieb der verbliebenen drei deutschen Kernkraftwerke über das Jahresende 2022 hinaus hätten rechtzeitig Brennelemente zur Verfügung gestanden. Das bekundete Martin Pache, Geschäftsführer der Westinghouse Electric Germany GmbH, im 2. Untersuchungsausschuss, dessen Zeugenbefragung Stefan Heck (CDU) leitete. Pache machte klar, dass die beteiligten Ministerien entgegen einem Pressebericht keineswegs bei seinem Unternehmen nachgefragt hätten, ob die übliche Fertigungsdauer von Brennelementen zwischen Vertrag und Lieferung von zwölf bis 18 Monaten hätte verkürzt werden können. „Man hätte uns fragen sollen“, meinte er in Richtung der Ministerien für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) sowie für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
Es ging um die Tage unmittelbar nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022. Wenn im März ein AKW-Weiterbetrieb tatsächlich ins Auge gefasst worden wäre, hätte Westinghouse die Lieferung von Brennelementen bis etwa zum Sommer 2023 garantieren können, meinte Pache. Sein Unternehmen habe am 3. März von seinem Kunden PreußenElektra (AKW Isar 2) den Hinweis erhalten, es gebe Signale aus der Politik, dass eben dieses Kraftwerk, dazu Neckarwestheim II und Emsland über das bisher vom Gesetz festgesetzte Datum 31.12. 2022 weiterlaufen könnten. Doch schon am 8. März sei der Hinweis eingegangen, dass es dazu nicht kommen werde.
Einen Tag zuvor war denn auch von den beiden beteiligten Ministerien jener „Prüfvermerk“ verfasst worden, der Dreh- und Angelpunkt bei der Arbeit im Untersuchungsausschuss ist. In ihm wird ein Weiterbetrieb unter anderem aus Gründen der nationalen Sicherheit abgelehnt. Im August hat es dann laut Pache erneut Hinweise auf eine mögliche Laufzeitverlängerung gegeben. Damals habe Westinghouse deutlich gemacht, wenn es zur Einigung mit allen Zulieferern komme, könne eine Brennelemente-Lieferung binnen sechs oder sieben Monaten möglich sein. Er bestätigte auf Nachfrage, dass eine Beschleunigung der Produktion die Sicherheit in keiner Weise beeinträchtigt hätte.
Pache versicherte, dass nach dem Kriegsbeginn Lieferengpässe oder Uran-Abhängigkeiten von Russland nicht gedroht hätten. Unter anderem Westinghouse stelle auch Brennelemente für Reaktoren russischer Bauart, wie sie etwa in der Slowakei oder Tschechien gebraucht werden, her. Und ausreichende Kapazitäten für Uranlieferungen gebe es auch außerhalb Russlands.
Vor der Pache-Vernehmung suchte der Ausschuss Hintergründe für die Haltung der Ministerien auszuloten. Als Zeuge wurde Christoph Pistner vernommen. Er arbeitet als Wissenschaftler am Öko-Institut und wurde von Umweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) zum stellvertretenden Vorsitzenden der Reaktorsicherheitskommission ernannt. Er hatte eingangs seiner Zeugenvernehmung unterstrichen, dass er gegen die Nutzung der Kernkraft ist. Er begründete dies mit bereits eingetretenen großen Katastrophen, der noch offenen Endlagerfrage und der Möglichkeit, dass zivile Anlagen auch militärisch genutzt werden könnten.
Pistner erklärte, die Reaktorsicherheitskommission sei vor dem Prüfvermerk vom 7. März nicht kontaktiert worden. Das sei auch nicht nötig gewesen, weil es im BMUV genügend Sachverstand gebe. Seiner Überzeugung nach hätten Risiken für den Weiterbetrieb nicht durch möglichen Nutzen für die Wirtschaft wettgemacht werden können.