05.12.2024 Menschenrechte und humanitäre Hilfe — Ausschuss — hib 846/2024

Oppositionspolitiker fordert mehr Sanktionen gegen Russland

Berlin: (hib/SAS) Der russische Oppositionspolitiker Ilja Jaschin dringt auf weitere Sanktionen gegen sein Heimatland. Bei seinem Besuch im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe am Mittwochnachmittag forderte Jaschin, der bei einem Gefangenenaustausch Anfang August aus russischer Haft entlassen wurde und seither in Berlin lebt, Russlands kriegerisches Potenzial zu begrenzen. Präsident Wladimir Putin dürfe nicht mehr über das nötige Geld und die nötigen Technologien verfügen, um den Krieg in der Ukraine weiterzuführen. Der ehemalige Moskauer Kommunalpolitiker kritisierte die zahlreichen Schlupflöcher, die es ermöglichten, europäische Sanktionen zu umgehen.

Gleichzeitig sprach er sich für weitere Sanktionen aus gegen Putins Beamtenapparat, der Krieg und Menschenrechtsverletzungen unterstützte. Gegen Oligarchen hätten sich persönliche Sanktionen als effektiv erwiesen, denn sie trieben einen Keil zwischen den Machthaber und das russische Establishment, sagte der Kreml-Kritiker. Dessen Mitglieder seien zahlungskräftig und es gewöhnt, ihr Geld im Ausland für Immobilien, einen luxuriösen Lebensstil, Bildung und medizinischen Behandlungen auszugeben. Dass ihnen Sanktionen dieses verwehrten, treffe sie empfindlich.

Jaschin räumte ein, dass Russland noch immer über finanzielle Reserven verfüge, sah aber die russische Wirtschaft im dritten Kriegsjahr doch massiv geschwächt. 40 Prozent des russischen Haushalts würden für die Kriegsführung verausgabt. Das lasse die Rücklagen schmelzen, so Jaschin auch mit Verweis auf Analysten, die Russlands Reserven spätestens Ende 2025 aufgebraucht sehen, sollte der Krieg unvermindert weitergehen.

Trotzdem dürfe Russland und vor allem sein Einfluss in Europa nicht unterschätzt werden, warnte Jaschin. Der Kreml habe sich hochwirksame Manipulationsinstrumente verschafft, arbeite gezielt mit Fake News, um soziale Konflikte in westlichen Demokratien aufzuwiegeln und ihre Gesellschaften zu spalten. Damit agiere Putin sehr effektiv. Diese Gefahr dürfe auch nicht mit Blick auf das hohe Gut der Meinungsfreiheit ignoriert werden. Die russische Propaganda habe die Macht, die Grundfeste der westlichen Demokratien zu erschüttern.

Angesichts der wachsenden Kriegsmüdigkeit und mit Blick auf mögliche Verhandlungen mit Russland mahnte Jaschin zudem zur Wachsamkeit: Mit Putin könne man keine Vereinbarungen treffen. Zugeständnisse und Kompromisse nehme er als Schwäche wahr.

Jaschin schildert zudem die zunehmende Verschlechterung der menschenrechtlichen Lage. Repressionen gegen Oppositionelle seien seit Beginn des Ukraine-Kriegs immer massiver geworden. Die Meinungs- und Pressefreiheit sei vollends eingeschränkt worden. Es gebe keine Medien mehr, die nicht unter der Aufsicht des Kremls stünden, so Jaschin. Auch öffentliche Kundgebungen, selbst kleine, seien für die Opposition verboten. Auch die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses seien faktisch eingeschränkt. Zu Gefangenen in russischen Gefängnissen würden nicht mehr nur in der Öffentlichkeit stehende Politiker, Journalistinnen oder Blogger, sondern längst auch Ärzte, Lehrerinnen oder Rentner - nur weil sie sich in privaten Gesprächen kritisch zum Krieg geäußert hätten. Massiv gehe der Kreml gegen sexuelle Minderheiten vor. Wer an Veranstaltungen solcher Gruppen teilnehme oder auch nur eine Regenbogenflagge schwenke, werde als Extremist eingestuft und riskiere drakonische Strafen. Die Menschenrechte, so Jaschins Fazit, seien in Russland heute ausgemerzt, ohne Chance sie öffentlich zu verteidigen. Trotzdem, so Jaschin, gebe es noch Widerstand in der russischen Gesellschaft etwa in Form von informellen Netzwerken.

Auf die Fragen von Abgeordneten, wie der Westen der demokratischen Opposition in Russland helfen könne, drängte Jaschin, alles zu tun, um die Ukraine vor Russland zu retten. Setze sich Putin durch, bedeute das nicht nur eine Gefahr für die europäische Sicherheit, sondern auch die demokratische Bewegung in Russland. Ein Sieg helfe Putins Regime nur, sich zu konsolidieren und die Repressionen fortzusetzen.