18.12.2024 Tourismus — Ausschuss — hib 883/2024

Sachverständigenratsmitglieder zur Konjunktur

Berlin: (hib/GHA) Im Gespräch mit vier Mitgliedern des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat der Wirtschafts-Ausschuss des Bundestages heute aktuelle Fragen der konjunkturellen Entwicklung, der strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft und der dringendsten Aufgaben einer neu zu wählenden Bundesregierung erörtert. Grundlage der Diskussion war das Jahresgutachten (2024/25) des Sachverständigenrates (DS 20/13800). Auf Seiten des Sachverständigenrates nahmen dessen Vorsitzende Monika Schnitzer sowie Veronika Grimm, Achim Truger und Martin Werding teil. Mit der in den USA lehrenden Ökonomin Ulrike Malmendier hatte der Ausschuss bereits kurz nach der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten über die möglichen Folgen der Wahl Donald Trumps für die deutsche und internationale Wirtschaft debattiert.

Martin Werding erläuterte die Gründe dafür, dass sich die allgemeinen Erwartungen in eine Erholung der deutschen Wirtschaft bis zur Stunde nicht erfüllt hätten. Das liege zum einen an dem durch die Inflation verursachten „sehr schlechten“ Zustand des privaten Konsumklimas, zum anderen an einer Entkoppelung des deutschen Exports von der Weltkonjunktur, an der seit 2017 rückläufigen Industrieproduktion in Deutschland und nicht zuletzt an der „hohen Unsicherheit“ über den Kurs der Wirtschaftspolitik. Der Sachverständige warnte davor, zu viel Hoffnung in die Wirkung kurzfristiger Maßnahmen zu setzen:„Schnelle Papiere helfen nicht gegen Strukturprobleme.“ Die deutschen Unternehmen hätten es in der Vergangenheit versäumt, die Erfolge chinesischer Auto- und Maschinenbauer mit eigenen Innovationen zu erwidern.

Achim Truger verwies auf die zentralen Felder notwendiger Zukunftsinvestitionen, nämlich Infrastruktur (vor allem Verkehr), Bildung und Verteidigung. Hier gebe es erhebliche Defizite und Versäumnisse. Den dadurch auf Seiten des Staates entstandenen Nachholbedarf an zusätzlichen Investitionen könne eine behutsame Reform der Schuldenbremse auch nur bedingt stillen. Nach Berechnungen des Sachverständigenrates entstehe hierdurch allenfalls ein Potenzial von rund sieben Milliarden Euro jährlich. Die Wurzel des Übels liege in der „falschen Ausgabenstruktur“ des Bundeshaushalts, der sich zu sehr auf kurzfristige Ausgaben kapriziere, weniger auf langfristige Zukunftsinvestitionen.

Monika Schnitzer widmete sich auch auf Fragen von Mitgliedern des Ausschusses dem Thema Mobilität und erinnerte an ein Kapitel zum Güterverkehr aus dem Frühjahrsgutachten des Sachverständigenrates. Hier sei festgestellt worden, dass sich lediglich sechs Prozent des Straßengüterverkehrs für eine Verlagerung auf die Schiene eigneten. Daher müsse der Löwenanteil der geplanten Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft auf dem Güterverkehrssektor vor allem durch Effizienzsteigerungen erzielt werden. Ebenso müsse der Staat den Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos forcieren. Allgemein müsse die deutsche Wirtschaft ihre Innovationskraft deutlich steigern, hier hinke der Finanzsektor im Vergleich zu internationalen Wettbewerbern stark hinterher, besonders bei der Digitalisierung. Für die neu zu wählende Bundesregierung komme es darauf an, Vertrauen bei Privathaushalten und Unternehmen zu schaffen, und zwar durch Berechenbarkeit und Stetigkeit:„Die Politik darf nicht ständig etwas verändern.“ Angst um Arbeitsplätze müsse sich in Deutschland eigentlich keiner machen:„Wir haben nicht zuletzt wegen der demographischen Entwicklung Arbeit genug.“

Veronika Grimm machte auf die großen Preissteigerungen für Wohnungen vor allem in den Ballungsräumen aufmerksam. Hier gebe es eine Differenz zwischen 13 und 25 Prozent bei Alt- und Neumieten. Das führe dazu, dass Mieter an ihrer alten Wohnung auch dann festhielten, wenn diese zu groß geworden sei. Dadurch sei die Wohnfläche pro Person seit dem Jahr 2000 um 25 Prozent angestiegen. Die Mietpreisbremse bezeichnete die Sachverständige als häufig „zu restriktiv“, sie bremse in Wahrheit die Bautätigkeit. Verlorenes Vertrauen gewinne die Politik nur durch Entscheidungen zurück, nicht durch Ankündigungen oder Streit. Grimm wiederholte ihre schon öfter geäußerte Forderung nach „innovativen Studiengebühren“ an deutschen Hochschulen. Der Staat könne durch ein „soziales Fördersystem“ verhindern, dass sozial benachteiligte Studierende unter den Gebühren zu leiden hätten. Noch wichtiger für ein zukunftsfähiges Bildungssystem sei die „frühkindliche Erziehung“, die mehr Stellenwert in den staatlichen Zukunftsinvestitionen erhalten müsse.