Kritik an Neufassung des Infektionsschutzgesetzes
Berlin: (hib/PK) Gesundheits- und Pflegeverbände sehen die geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) mit dem Wegfall bisheriger Schutzvorkehrungen gegen das Coronavirus mit großer Sorge. Experten machten in einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses über den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (20/958) am Montag im Bundestag deutlich, dass zumindest an der Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen festgehalten werden sollte. Befürchtet wird auch ein Flickenteppich an unterschiedlichen Regelungen in den Ländern. Die Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung sowie in schriftlichen Stellungnahmen.
Am 19. März 2022 läuft die bisherige Rechtsgrundlage aus. Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP soll die neue Rechtsgrundlage darstellen. Der Vorlage zufolge sollen die Länder nach dem 19. März nur noch befugt sein, ausgewählte niedrigschwellige Auflagen anzuordnen.
Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) erklärte, die reduzierten Möglichkeiten für Schutzvorkehrungen auf Länderebene seien unzureichend. Um auch künftig auf dynamische Veränderungen im Infektionsgeschehen schnell und adäquat reagieren zu können, müssten die Länder weiter Zugriff auf erprobte und bewährte Mittel haben.
Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) sieht den Gesetzentwurf mit Sorge. Die Möglichkeit, Maskenpflicht und Testvorgaben in Einrichtungen der Pflege und Eingliederungshilfe aufrecht zu erhalten, sei sinnvoll. Es sei jedoch bedauerlich, dass ein erheblicher Teil der Schutzvorkehrungen für die allgemeine Bevölkerung künftig nicht mehr gelten solle.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kritisierte den Wegfall umfassender Testpflichten und Zutrittskonzepte. Es hätte die Möglichkeit gegeben, die bestehenden Regelungen um drei Monate zu verlängern. Angesichts der parallel wirksam werdenden einrichtungsbezogenen Impfpflicht wäre eine Fortgeltung der Regelungen sinnvoll gewesen. Stattdessen sehe der Entwurf abstrakte Masken- und Testpflichten für medizinische Einrichtungen vor.
Die DKG warnte ferner vor Liquiditätsproblemen der Krankenhäuser und forderte eine Verlängerung der Ausgleichszahlungen und Versorgungsaufschläge über den 19. März hinaus bis mindestens Ende Juni 2022.
Eine Sprecherin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sprach sich in der Anhörung für die Beibehaltung der Maskenpflicht an Schulen aus. Der Verzicht auf Schutzmasken sei das falsche Signal. „Wir sind weit davon entfernt, die Schulen als sichere Orte zu bezeichnen.“ Auch an Schulen werde das Virus verbreitet.
Der Arbeitgeberverband BDA erklärte, es sei zu begrüßen, dass die derzeit geltenden Schutzmaßnahmen kontrolliert zurückgefahren würden. Die vorgesehenen Erleichterungen seien notwendig und sinnvoll. Der BDA forderte zugleich ein möglichst abgestimmtes Vorgehen der Länder, um Rechtssicherheit auch für Unternehmen mit überregionalen Standorten sicherzustellen.
Die Virologin Melanie Brinkmann warnte in der Anhörung nachdrücklich davor, den Basisschutz zu lockern. In der Folge könne es vermehrt zu Ausbrüchen kommen, auch in Altersheimen und in der ambulanten Pflege. Somit bestehe die Gefahr, die Kontrolle noch einmal komplett zu verlieren. Sie forderte die Beibehaltung der Maskenpflicht auch in Arztpraxen und dem Rettungsdienst. Angesichts der Dynamik im Infektionsgeschehen sei es unverständlich, wenn auf den Werkzeugkasten verzichtet werden solle. Zu viele vulnerable Menschen seien noch nicht geimpft.
Mehrere Rechtsexperten rügten in der Anhörung unklare Rechtsbegriffe im Zusammenhang mit der Hotspot-Regelung. So sei nicht eindeutig definiert, auf Basis welcher Richtgrößen die Landesparlamente eingreifen sollten und was genau sie festlegen müssten. Die Einbeziehung der Landtage sei in der Form fragwürdig.