27.04.2022 Wirtschaft — Anhörung — hib 192/2022

Öffentliche Anhörung zum Digital Markets Act

Berlin: (hib/EMU) Um die Vereinbarkeit der vom Europäischen Parlament und vom Europäischen Rat erarbeiteten Verordnung über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor (Digital Markets Act, DMA) mit dem nationalen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ging es in einer öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses. Die Fraktionen hatten sieben Sachverständige um ihre Einschätzung zum DMA gebeten.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, sieht den DMA und das GWB, dort insbesondere den durch die zehnte Novellierung hinzugekommenen Paragrafen 19a, als „komplementäre Instrumente“: „Im Zusammenspiel mit dem DMA kann der Paragraf 19a gute Früchte tragen“, so Mundt. Er sehe nicht, dass es durch das europäische Recht zu einer Einschränkung in der Anwendung nationaler Rechte kommen werde. Er halte es zudem für wichtig, dass der Paragraf 19a auch nach der Einsetzung des DMA anwendbar bleibe, da es in der Vergangenheit eine ganze Reihe von Verfahren gegeben habe, die für das DMA prägend gewesen seien.

Der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Achim Wambach, sagte, er sei froh, dass der DMA jetzt da sei, er sehe aber die Gefahr, dass die Verfahren sehr lange dauern werden. „Der Digital Markets Act hat in erster Linie Plattformgedanken im Vordergrund“. Wambach, der einer der Vorsitzenden der Kommission Wettbewerb 4.0 in der vergangenen Legislaturperiode war, vertrat den Standpunkt, dass die Vorschläge der Kommission weitergehend waren als der DMA. Dieser werde sich in der Anwendbarkeit und Umsetzung noch beweisen müssen, es seien aber „gute Elemente drin“.

Wolfgang Kerber von der Philipps-Universität Marburg sieht eine Lücke des DMA beim Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher: „Es wäre sehr wohl sinnvoll, bei den Gatekeepern Regeln einzuführen, die Endnutzer besser vor Datenausbeutung schützen“, sagte Kerber. In der bestehenden Verordnung stünden bislang die kommerziellen Nutzer im Vordergrund. Die Endnutzer sollten eine größere Kontrolle ihrer Datensicherheit und ihrer Privatsphäre bekommen. Der Paragraf 5a des DMA sei da „ein schöner Anfang“, so Kerber, aber noch nicht ausreichend.

Jürgen Kühling, Vorsitzender der Monopolkommission, sieht einen aktuellen Fall zum Onlineversandhändler Amazon und der Logistikbranche, der gerade in Italien verhandelt wird, als gutes Beispiel dafür, wie künftig das Zusammenspiel von DMA auf europäischer Ebene und nationalem Recht mit dem Paragrafen 19a GWB sein könne. So könne es beispielsweise passieren, dass der Fall zwar nicht unter den DMA falle, wohl aber unter den Paragrafen 19a oder eben auch in beiden Instanzen verhandelt werde. Um Trennschärfen und gute Handlungsstrukturen zu etablieren müsse es gelingen, unter der jetzigen Normierung im DMA eine Kooperation zwischen den nationalen Kartellbehörden und der Europäischen Kommission hinzubekommen, sagte Kühling.

Für Rupprecht Podszun von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ist der DMA ein Beitrag dazu, „dass wir die soziale Marktwirtschaft ins 21. Jahrhundert transferieren“. Es gehe darum zu eruieren, wo in den Markt eingegriffen werden soll, um den Prinzipien und Werten der sozialen Marktwirtschaft gerecht zu werden und wo man durch ein Eingreifen gegebenenfalls Initiativen ersticke. Ihm fehle im DMA jedoch eine Festschreibung genau jener Werte und Prinzipien, sagte Podszun. In Sachen Fusionskontrolle gebe es mehr Möglichkeiten im nationalen Recht über das GWB, da man hier bereits vor Zusammenschlüssen von Unternehmen eingreifen könne.

Monika Schnitzer von der Ludwig-Maximilians-Universität München bewertet die abschließenden Verhandlungen zum DMA als positiv: „Das sind einige Dinge im Trilog-Verfahren nochmal deutlich geschärft worden.“ Besonders die Instrumente der Portabilität und der Interoperabilität, die es Nutzerinnen und Nutzern ermöglichen soll, Inhalte zwischen verschiedenen Plattformen auszutauschen, seien wichtig. Es müsse beim DMA darum gehen, Wettbewerb zu ermöglichen, indem auch kleinen Unternehmen die Möglichkeit gegeben werde, teilzunehmen. Am Ende des Wettbewerbs sollten immer die Verbraucherinnen und Verbraucher als Nutznießer stehen.

Kim Manuel Künstner von der Kanzlei Schulte Rechtsanwälte aus Frankfurt am Main kritisiert die Missbrauchsaufsicht im DMA. „Ich würde den DMA gerade noch als Wettbewerbs- oder Kartellrecht einordnen“, sagte Künstner. Für ihn sei er eher eine „Missbrauchsaufsicht auf Anabolika“. Insbesondere die Übernahmeaktivitäten der Gatekeeper seien ein Problem, die bereits vollzogen wurden. Das Kartellrecht sei, was die digitalen Märkte angeht weiterhin noch sehr schlecht aufgestellt, anders als bei der Missbrauchsaufsicht, sagte Künstner. Die eigentliche Problematik sei für ihn, dass sich Unternehmen, die sich auf einem Markt zu Recht durchgesetzt haben, als Gatekeeper benachbarte Services einfach aufkauften, statt selbst in den Wettbewerb einzusteigen.

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