28.04.2022 Wirtschaft — Anhörung — hib 197/2022

Anhörung zur Nationalen Tourismusstrategie

Berlin: (hib/EMU) In einer öffentlichen Anhörung hat sich der Tourismusausschuss am Mittwoche mit der Nationalen Tourismusstrategie beschäftigt. Besonders nach der schwierigen Zeit für die Branche während der Corona-Pandemie soll die Tourismusstrategie Möglichkeiten aufzeigen, wie die Branche in Deutschland besser gefördert werden kann. Die Abgeordneten hatten fünf Sachverständige zur Anhörung eingeladen.

Zu Beginn der Anhörung gab die Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Müller (Bündnis 90/Die Grünen), einen Überblick über den Zeitplan zur Umsetzung der Strategie. In der kommenden Woche werde sich ein Lenkungskreis mit Vertretern aus allen Ressorts etablieren, um die politischen Ziele und Eckpunkte zu diskutieren. Das Ziel sei es, noch vor der Sommerpause einen Kabinettsbeschluss zu haben. Die Nationale Tourismusplattform solle bis Ende des Jahres formell etabliert werden und im kommenden Jahr gemeinsam mit weiteren Akteuren umgesetzt werden.

Hans-Jürgen Goller, ehemaliger Geschäftsführer der Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen, sagte in der Anhörung auf die Frage aus der SPD-Fraktion, wie der Fördermechanismus besser an kleine und mittelständische Betriebe herangetragen werden könnte, dass in den vergangenen Jahren zwar die großen Ziele der Tourismuspolitik relativ einvernehmlich diskutiert worden seien, es aber Probleme gebe, das Wissen an die Basis weiterzugeben. Man könne zwar nicht erwarten, so Goller, dass Politik und Wissenschaft jeden Unternehmer an die Hand nähmen, aber es müssten Strukturen gefunden werden, wie man direkter von der Bundesebene auf die Basis wirken könne. Ähnlich äußerte sich Goller auf die Frage aus der Fraktion der AfD, welche Schwerpunkte gesetzt werden müssten, um das Gastgewerbe in Deutschland zu unterstützen. Es müssten Strukturen gefunden werden, um den Unternehmen vor Ort leichter unter die Arme greifen zu können, sagte Goller und plädierte unter anderem für eine für Mehrwertsteuerabsenkung für Speisen und Getränke: „Damit erreicht man mehr als mit Förderprogrammen.“

Norbert Kunz, Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbands, führte zum „touristischen Fördersystem aus einem Guss, bei dem Kommunal- und Bundesprogramme aufeinander abgestimmt sind“, wie es die Fraktion von CDU/CSU nannte, ein Beispiel auf. Er nannte das Radnetz Deutschland, das seiner Meinung nach bereits in den Aktionsplan der vergangenen Legislaturperiode gehört hätte: Die zwölf großen nationalen Radrouten seien in dem Projekt baulich, aber auch digital und in Sachen Marketing auf Vordermann gebracht worden. Damit erkenne der Bund seine Rolle bei der Förderung an. Die Länder seien dann wiederum dafür zuständig, die sogenannten Zubringer-Radwege und die lokale Infrastruktur in Sachen Verpflegung und sanitäre Einrichtungen auszubauen. Man müsse sich dann zwischen Bund und Ländern eng verzahnen und abstimmen. „Diese enge Abstimmung ist aus meiner Sicht wichtigste Punkt der Nationalen Tourismusstrategie“, sagte Kunz.

Wolfgang Strasdas von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde vertrat die Meinung, dass in der Nationalen Tourismusstrategie bislang noch keine Strategie zum Thema Nachhaltigkeit enthalten war. „Die allgemeinen Ziele sind gut und wichtig, aber wir müssen sie mit Nachhaltigkeit unterfüttern“, sagte Strasdas. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hatte die Kritik des Sachverständigen in dessen Stellungnahme unterstrichen, wonach es an konkreten Maßgaben für die Förderung der Nachhaltigkeit im Tourismus fehle. So fehle das Thema Diversität komplett, obwohl gerade die Corona-Pandemie zu einer Zunahme des Outdoor-Tourismus geführt habe, sagte der Wissenschaftler. Es ergäbe sich dank des gestiegenen Interesses der Touristinnen und Touristen am Urlaub in der Natur ganz neue Möglichkeiten, deren Schutz auszubauen, so Strasdas.

Christoph Schink, Referatsleiter für das Gastgewerbe in der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) antwortete auf die Frage aus der Fraktion Die Linke nach einer Bewertung des Kurzarbeitergeldes als Instrument zur Entlastung in Krisen wie der Corona-Pandemie: „Der erleichterte Zugang und die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes waren in der Pandemie extrem wichtig.“ Er fügte jedoch an, dass „60 Prozent von wenig Geld ganz wenig Geld“ seien und forderte deshalb ein Mindestkurzarbeitergeld in Höhe von 1.200 Euro für eine Vollzeitstelle. Dies könne auch einer Abwanderungen von Arbeitskräften in andere Branchen in Zeiten einer Flaute, wie es in der Pandemie geschehen sei, entgegenwirken, argumentierte Schink. „Denn die Abwanderung war hoch, da sind sich Sozialpartner und Arbeitgeber einig.“

Harald Zeiss von der Hochschule Harz äußerte sich zum Thema Nachhaltigkeitszertifizierung, nach dem sich die FDP-Fraktion erkundigt hatte. Zertifikate trügen oft eher zur Verwirrung der Verbraucherinnen und Verbraucher bei, da es so viele davon gebe. In Deutschland hätten sich jedoch einige sehr gute Zertifikate mit Nutzwert etabliert, sagte Zeiss. Er verwies auf den internationalen Global Sustainable Tourism Council (GSTC), der Zertifikate der globalen Reisebranche prüfe, deren Einschätzung könne eine Richtschnur sein. Für die Konsumenten seien Zertifikate nur dann hilfreich, wenn es eine Vergleichbarkeit gebe, so Zeiss.

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