09.05.2022 Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen — Anhörung — hib 216/2022

Vorkaufsrecht soll wieder ermöglicht werden

Berlin: (hib/JOH) Der von der Fraktion Die Linke vorgelegte Gesetzentwurf (20/679) zur Wiederherstellung des Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten (Neues Vorkaufsrecht-Gesetz) ist am Montag in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen unter Vorsitz von Sandra Weeser (FDP) überwiegend auf Zustimmung bei Experten gestoßen. Allerdings bewerteten die Sachverständigen die Vorlage als nicht weitreichend genug, um die Wohnbevölkerung in angespannten Wohnlagen vor Verdrängung zu schützen und die Mieten bezahlbar zu halten. Die Kritiker des Gesetzentwurfs bemängelten den Entwurf als zu vage formuliert und warnten unter anderem vor neuen Rechtsunsicherheiten.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte das kommunale Vorkaufsrecht für Mietwohnungen in angespannten Wohngebieten im November 2021 praktisch gestoppt. Um die gängige behördliche Praxis wieder zu ermöglichen, schlägt die Linksfraktion vor, Paragraf 26 Nummer 4 des Baugesetzbuches (BauGB) so zu ändern, dass es in den Erhaltungsgebieten auf zukünftige Nutzungen des Grundstücks ankommt.

„Dieses Instrument ist uns wichtig“, betonte Hilmar von Lojewski von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände. Der vom Gericht beanstandete Passus im BauGB müsse „repariert“ werden, um die Anwendung des Vorkaufsrechts durch die Kommunen schnell wieder zu ermöglichen. Um Rechtsunsicherheiten bei der Umsetzung zu vermeiden, empfahl er jedoch, auch § 27 BauGB zu ändern, in dem geregelt wird, wann der Käufer oder die Käuferin einer Immobilie das Vorkaufsrecht der Kommune abwenden kann. Es müsse sichergestellt werden, dass das Vorkaufsrecht nur dann abgewendet werden könne, wenn der Erwerber sich verpflichtet, die von der Gemeinde festgelegten Erhaltungsziele einzuhalten, sagte von Lojewski.

Für eine derartige Harmonisierung beider Paragrafen plädierte auch Andreas Hentschel von der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen. Professor Martin Kment von der Universität Augsburg empfahl außerdem, Paragraf 172 zur Erhaltung baulicher Anlagen und der Eigenart von Gebieten (Erhaltungssatzung) mit in den Blick zu nehmen, um ein „in sich kohärentes System zu schaffen“. So werde den Gemeinden ermöglicht, mit den neuen Eigentümern milieuschützende Abwendungserklärungen zu vereinbaren.

Die Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes, Melanie Weber-Moritz, sagte, ohne eine Reform sei das wichtige Instrument des Vorkaufsrechts „nutzlos und ausgehöhlt“. Um die Anwendung „rechtssicher und praxistauglich“ zu machen, schlug sie vor, eine Regelung in das Gesetz aufzunehmen, wonach eine widersprechende künftige Nutzung insbesondere bei einem hohen Kaufpreis anzunehmen sei sowie dann, wenn der Eigentümer sich weigert, eine Erhaltungserklärung abzugeben. Eine Alternative wäre es, grundsätzlich ein Vorkaufsrecht festzulegen. Dieses sollte nur abgewendet werden können, wenn der Käufer oder die Käuferin sich zur Einhaltung der Milieuschutzziele verpflichtet.

Die Berliner Anne-Kathrin Krug berichtete im Ausschuss über ihre Erfahrungen als Mieterin eines Neuköllner Wohnhauses, das verkauft werden soll. Um alteingesessene Mieter wie sie vor Verdrängung zu schützen, müsse die Bundesregierung schnellstmöglich die bisherige Vorkaufspraxis wieder ermöglichen, forderte sie. Der Gesetzentwurf der Linksfraktion sei zwar „spartanisch“, doch bevor ein in sich kohärentes System entwickelt werde, sei es „jetzt wichtig zu handeln“. Darüber hinaus betonte Krug die Notwendigkeit, die Selbstbestimmung von Mietern zu stärken und mehr Transparenz über den Verkaufsprozess und Abwendungsvereinbarungen herzustellen.

Einhellig gegen den Gesetzentwurf sprachen sich die Vertreter der Immobilienverbände sowie der Rechtsanwalt Mathias Hellriegel aus. Ihrer Ansicht nach bleiben die Maßstäbe für die Beurteilung der künftigen Nutzungsabsichten unklar. In der Folge drohten Rechtsunsicherheiten und eine uneinheitliche Anwendungspraxis. Um die bezweckte Verschärfung des Erhaltungsrechts durchzusetzen, müssten die erhaltungsrechtlichen Vorschriften selbst geändert werden, sagte Hellriegel.

Der Präsident des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e.V., Dirk Salewski, urteilte, die Mieter würden bereits durch andere Regelungen, etwa die Erhaltungssatzungen und das Mietrecht, geschützt. Außerdem sei das kommunale Vorkaufsrecht „ein sehr teures Instrument“. Allein in Berlin seien dafür mehr als 500 Millionen Euro aufgewendet worden. „Dieses Geld hätte es besser zielgerichtet etwa in den Neubau von Sozialwohnungen investiert.“

Oliver Wittke vom Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) warnte, eine Ausweitung der Vorkaufsrechte behindere oder verhindere schlimmstenfalls Neuinvestitionen. Um das Ziel zu erreichen, in dieser Legislaturperiode 400.000 Wohnungen neu zu bauen, gelte es, „alles zu unterlassen, was zur Verunsicherung von Investoren führt“. Zudem erlaubten es bereits die bestehenden Rechtsinstrumente des Städtebaurechts, Fehlentwicklungen einen Riegel vorzuschieben.

Wittke und Hellriegel kritisierten zudem den Ausschluss bestimmter Sanierungsmaßnahmen, wie der energetischen Sanierung oder den Einbau eines Aufzugs, in einigen Abwendungserklärungen. Die energetische Sanierung diene dem Klimaschutz, sagte Hellriegel, ein Fahrstuhl der Barrierefreiheit. „So entwickelt man keine zukunftsfesten Wohnbestände“, urteilte Wittke.

Bundesbauministerium von Klara Geywitz (SPD) hat als Reaktion auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts einen eigenen Gesetzentwurf zur Stärkung des kommunalen Vorkaufsrechts angekündigt, der es Gemeinden erlauben soll, in bestimmten Gegenden mit angespannter Lage auf dem Wohnungsmarkt, anstelle von privaten Investoren Häuser zu kaufen.

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