Nachbesserungsbedarf bei Windenergieanlagen-Regelung
Berlin: (hib/HAU) Trotz grundsätzlicher Zustimmung zu den Zielen des Gesetzentwurfes der Koalitionsfraktion „zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land“ (20/2355) sehen Sachverständige Nachbesserungsbedarf. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie am Freitagnachmittag deutlich.
Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, die wesentlichen Hemmnisse für den Ausbau der Windenergie an Land zu beseitigen und diesen dadurch deutlich zu beschleunigen. Zur Erreichung der Ausbauziele sollen künftig zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land ausgewiesen werden. Dies erfordert mehr als eine Verdoppelung der aktuell ausgewiesenen Fläche. Das Ausbauziel soll durch einen Verteilungsschlüssel sachgerecht und transparent zwischen den Ländern verteilt und dabei die vorhandenen Flächenpotenziale für den Ausbau der Windenergie an Land in den Ländern berücksichtigt werden. Die Planungsmethodik und ihre gerichtliche Kontrolle sollen vereinfacht, die Planung beschleunigt und die Rechtssicherheit erhöht werden.
Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), sprach sich dafür aus, das Flächenziel um weitere ein bis zwei Prozent zu steigern. Außerdem forderte sie, die im Gesetz enthaltenen Zwischenziele (1,4 Prozent bis 2027, 2,0 Prozent bis 2033) zu streichen und einen früheren Eintritt des Gesamtziels festzulegen. Nachgebessert werden müsse auch bei den Repowering-Regelungen: Unter bestehende Anlagen müsse bauplanungsrechtlich ein Haken gesetzt werden, verlangte sie.
Ähnlich sah das Stefan Kapferer, Vorsitzender der Geschäftsführung beim Netzbetreiber 50Hertz. Der Entwurf greife beim Thema Repowering zu kurz und werde nicht dahingehend geeignet sein, das vorhandene Potential auf bereits bebauten und ans Netz angeschlossenen Gebieten voll auszuschöpfen. Repowering werde derzeit dadurch erschwert, dass ein großer Anteil der Windenergieanlagen an Land außerhalb ausgewiesener Vorrang- und Eignungsgebiete stünde beziehungsweise in der Vergangenheit auf Landesebene zusätzliche restriktivere Abstandsregelungen beschlossen worden seien, sagte er.
Der Windenergieausbau dürfe nicht zu Lasten der biologischen Vielfalt gehen, warnte Dieter Pasternack, Vizepräsident der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Bundesverband. Der Gesetzentwurf unterscheide nicht zwischen den unterschiedlichen Lebensräumen, Habitaten und Flächennutzungen an Land, kritisierte er. Dies sei nicht tragbar, da eine intensiv genutzte landwirtschaftliche Fläche nicht mit der naturnächsten und ökologisch verträglichsten Landnutzungsform - dem Wald - verglichen werden könne.
Marianna Roscher vom Deutschen Städte- und Gemeindebund forderte eine „rechtssichere praxistaugliche Planung mit guten Steuerungsmöglichkeiten für Kommunen und Regionalplanungsträger“. Die Vorgaben an die Raumordnung müssten präzisiert werden. Außerdem brauche es mehr Klarheit hinsichtlich der artenschutzrechtlichen Prüfung. Besonders wichtig, so die Verbandsvertreterin, sei die Akzeptanz vor Ort. „Dazu gehört eine verpflichtende finanzielle Beteiligung.“ Diese werde benötigt, damit Kommunen sowie die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit hätten, „aktiv an der Energiewende zu partizipieren“.
Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag hätte sich im Vorfeld des Gesetzentwurfes „mehr Rückkopplung mit der kommunalen Ebene erhofft“. Aus kommunaler Sicht sei auch die einseitige Fokussierung des Gesetzentwurfs auf die Windenergie kritisch zu sehen. „Wir plädieren für mehr Technologieoffenheit“, sagte er. Der Ausbau von Solarenergie, Geothermie und Biogas habe ebenfalls eine erhebliche Bedeutung. Langfristig sei ein an Mengenzielen orientierter Erneuerbare-Energien-Ausbau anzustreben.
Aus Sicht von Philipp von Tettau vom Bundesverband WindEnergie (BWE) bleibt der Gesetzentwurf in Sachen Planungssicherheit „weit hinter dem zurück, was wir brauchen“. Insbesondere die Planungsprozesse seien weiterhin zu langwierig und Blockademöglichkeiten zu groß. Zudem gehe die Systemumstellung mit neuen Rechtsfragen und entsprechenden Rechtsunsicherheiten einher. Beim Repowering sage der Entwurf derzeit „Ja, aber...“, so Tettau. Hier müsse das „Aber“ weg, forderte er.
Nils Wegner von der Stiftung Umweltenergierecht hält den Entwurf für grundsätzlich geeignet, die Ausbauflächen in den Ländern auf ein Mindestmaß von zwei Prozent anzuheben. Die kurzfristige Flächenbereitstellung werde aber in dem Entwurf zu wenig berücksichtigt, sagte er. Daher müssten die Fristen in der Vorlage auf Beschleunigungspotenzial überprüft werden. Sinnvoll wäre es auch aus seiner Sicht, den Kommunen erweiterte Rechte einzuräumen, um zusätzliche Flächen bereitzustellen.
Nach Einschätzung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) werden mit dem Gesetzentwurf die richtigen Pflöcke eingeschlagen. Allerdings sei es unverständlich, warum die Länder nun zehn Jahre Zeit erhalten sollen, um die Flächen zu schaffen, sagte DUH-Vertreter Constantin Zerger. Der Zwischenschritt sollte wegfallen und stattdessen die Flächenziele schon bis 2027 erreicht werden. Außerdem müssten die Mindestabstandsregelungen für Windenergieanlagen vollständig entfallen.
Hans-Günter Appel vom Verein Stromverbraucherschutz forderte, den Ausbau von Windenergieanlagen zu beenden, „weil Windstrom keinen Beitrag zu einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung liefert“. Der Bau weiterer Anlagen und der für Windstrom geplanten Stromtrassen und Speicher brauche viel Energie, die auf nicht absehbare Zeit in Deutschland Mangelware sei, sagte er.