24.08.2022 Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz — Ausschuss — hib 425/2022

Ministerin Lemke für strengeren Gewässerschutz

Berlin: (hib/SAS) Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) dringt angesichts des massenhaften Fischsterbens an der Oder auf einen strengeren Gewässerschutz. Die Katastrophe zeige, dass zunehmende Hitze und Dürre im Sommer die Ökosysteme massiv belasteten und es daher eines anderen Umgangs hinsichtlich des Einleitens von Abwasser in Fließgewässer brauche, sagte die Ministerin bei einer Sondersitzung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz am Mittwoch. Die Mitglieder des Ausschusses waren während der noch laufenden Sommerpause des Bundestages zusammengekommen, um sich von der Ministerin unter anderem über den aktuellen Stand der Untersuchungen zu den Ursachen für das Massensterben zu informieren sowie über Maßnahmen zur Schadensbegrenzung und zum Schutz der Bevölkerung zu beraten.

Lemke sprach dabei von einer Umweltkatastrophe, deren Auswirkungen bislang nicht abschätzbar seien. Bis zu 200 Tonnen tote Fische seien zu beklagen, betroffen seien zudem zahlreiche Kleinwesen wie Muscheln und Schnecken. Ein langfristiger Schaden des Ökosystems, das etwa im Bereich des Unteren Odertals zu den artenreichsten in Deutschland gehört, könne nicht ausgeschlossen werden. Die Suche nach den Ursachen dauere weiterhin an, sagte Lemke. Allerdings verdichteten sich die Hinweise, dass mehrere Stoffe gemeinsam das Fischsterben ausgelöst haben könnten, unter anderem verdächtig sei eine giftige Algenart. Allerdings sei diese nicht für den erhöhten Salzgehalt der Oder verantwortlich, stellte die Ministerin klar. Die Untersuchungen liefen, neue Ergebnisse stünden in den nächsten Tagen an.

Kritik übte die Grünen-Politikerin erneut an der späten Information durch polnische Behörden. Die in Warn- und Alarmplänen der Internationalen Flussgebietskommission festgelegten Meldeketten seien nicht eingehalten worden. Doch warnte Lemke auch vor weiteren Schuldzuweisungen. Diese seien angesichts der nötigen weiteren Zusammenarbeit mit Polen bei der Aufklärung der Ursachen nicht hilfreich.

Die Ministerin erneuerte ihre Forderung nach einem Ausbaustopp für die Oder: Es müsse nun alles getan werden, um zu verhindern, dass das Ökosystem des Flusses weiter belastet werde. Statt eines Ausbaus brauche es eine Renaturierung. Darüber werde sie mit ihrer polnischen Amtskollegin Anna Moskwa beim kommenden deutsch-polnischen Umweltrat Ende August sprechen, kündigte Lemke an und machte gleichzeitig deutlich, dass sie nicht mit einem schnellen Verhandlungsdurchbruch rechne. Der Oderausbau sei seit langem ein strittiges Thema zwischen den beiden Nachbarländern. Hoffnung bestehe dennoch, Polen zum Umdenken zu bewegen, so Lemke. Der weitere Ausbau würde jeden Versuch der Renaturierung zunichtemachen.

Deutschland und Polen hatten sich 2015 vornehmlich aus Gründen des Hochwasserschutzes auf eine Vertiefung des Flusses geeinigt. Während Polen interessiert ist, den Grenzfluss zu einer internationalen Wasserstraße auszubauen und erste Baumaßnahmen bereits eingeleitet hat, klagt in Deutschland ein Aktionsbündnis von Umwelt- und Naturschutzverbänden gegen den Ausbau der Oder, die zu den letzten großen naturnahen Flüssen Mitteleuropas zählt.

Im Gespräch mit der Ministerin forderten die Abgeordneten vollständige Aufklärung, weshalb nicht nur die polnische Seite spät über das Fischsterben informiert habe, sondern ob auch deutsche Behörden nur schleppend gehandelt hätten. Diese Aufklärung dürfe nicht vernachlässigt werden - auch wenn Ursachenforschung und Schadenbegrenzung im Moment im Mittelpunkt stünden, mahnte eine Unionsabgeordnete. Die SPD-Fraktion fragte nach den Schlüssen, die die Regierung mit Blick auf die Gewässerüberwachung ziehe. Die FDP-Fraktion forderte als Konsequenz aus den Versäumnissen, Kooperation und Austausch zwischen deutschen und polnischen Stellen zu verbessern.

Die AfD-Fraktion kritisierte die Pläne Lemkes, sich für einen Ausbau-Stopp der Oder einzusetzen, als übereilt. Bevor solche Schlüsse gezogen würden, müsse die Ursache für die Umweltverschmutzung eindeutig geklärt sein. Für einen Abbruch des Projekts machte sich hingegen die Grünen-Fraktion stark: Eine Vertiefung werde das ohnehin schwer geschädigte Ökosystem noch mehr belasten. Im Boden gebundene Schadstoffe würden dabei aufgewirbelt, ergänzte ein Vertreter der Linksfraktion und forderte, Polen für die Kosten der Renaturierung zur Kasse zu bitten.

Marginalspalte