26.09.2022 Inneres und Heimat — Anhörung — hib 483/2022

Anhörung zu Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften

Berlin: (hib/LL) Ob das religiöse Bekenntnis des Einzelnen in einem im Rahmen der Digitalisierung der Verwaltung modernisierten Personenstandsregister erfasst werden soll oder nicht, war in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat am Montag die meist diskutierte Frage. Die geladenen Sachverständigen nahmen Stellung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften (20/2294), mit dem Regelungen für die elektronische Kommunikation zwischen Bürgern und Standesämtern geschaffen werden sollen. Am Donnerstag will der Bundestag über die Neufassung des Gesetzes entscheiden.

Der Entwurf der Bundesregierung sieht eine Erfassung der Religionszugehörigkeit in Personenstandsurkunden nicht mehr vor. Um Antragsteller und Anzeigepflichtige bei der Ausstellung von Personenstandsurkunden, Ehefähigkeitszeugnissen, der Anmeldung einer Eheschließung, der Anzeige einer Geburt oder eines Sterbefalls zu entlasten, soll künftig weitgehend auf die Vorlage urkundlicher Nachweise verzichtet werden können. Die Standesämter sollen die erforderlichen Daten in Zukunft in einem automatisierten Abrufverfahren aus den Personenstandsregistern anderer Standesämter anfordern können.

Auf dem Weg zum digitalen Staat, wie ihn das Onlinezugangsgesetz vorsehe, sei die Reform des Personenstandsregisters ein wichtiger Schritt, sagte Jonas Botta, Forschungsreferent am Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Berlin. „Der Erfolg des Onlinezugangsgestzes wird sich vor allem in den Standesämtern zeigen.“ Gemäß dem „Once-only-Prinzip“ brauche der Bürger für einen Vorgang künftig nur noch einmal seine Angaben zu machen. Der Verzicht auf die Vorlage von Nachweisen solle jedoch nicht, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, dem Ermessen des Standesbeamten überlassen werden. Aus der Kann-Formulierung müsse eine Soll-Vorschrift werden. Die Streichung der bereits seit 2009 nur noch freiwilligen Religionsangabe als Bestandteil des Personenstandes sei kein Grundrechtseingriff und mit der Verfassung vereinbar. Der Verzicht im Gesetz sei sinnvoll und bringe eine Entlassung der Verwaltung mit sich.

Dass die Religionszugehörigkeit nicht ins Personenstandswesen gehöre, unterstrich auch Hans Michael Heinig, Professor für Öffentliches Recht, Kirchenrecht und Staatskirchenrecht an der Georg-August-Universität in Göttingen. Er wies aber auf die Signalwirkung hin, die eine Streichung für die Bürger habe, sei doch für viele das religiöse Bekenntnis Teil ihrer Identität, die sie auch gegenüber dem Staat aktenkundig machen wollten. Wenn man aus religionspolitischen Gründen für eine Erhaltung der Religionsangabe im Personenstandsregister argumentiere, müsse man diese Möglichkeit aber auch anderen Religionsgemeinschaften eröffnen und dies nicht nur den etablierten rechtlichen Körperschaften gewähren. Entweder müssten alle Religionsgemeinschaften diesen Status bekommen oder man sehe von der öffentlich-rechtlichen Anknüpfung ab und setze auf die Eigenangabe jedes einzelnen.

Vor allem auf Fragen des Datenschutzes bei der Gesetzesänderung ging der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Ulrich Kelber, ein. Es müsse darum gehen, eine transparente und verpflichtende Rechtsgrundlage für eine sichere Datenübermittlung zu schaffen. Automatisierte Abrufverfahren, wie sie der Gesetzentwurf vorsehe, bürgen immer erhöhte Datenschutzrisiken und Missbrauchsmöglichkeiten und zögen besondere Anforderungen an den Datenschutz nach sich. Und ein Feld für die Angabe der Religion? „Wozu? Wenn doch Datenminimierung das Ziel ist.“

Die Freiwilligkeit habe die Bedeutung des Eintrags der Religionszugehörigkeit im Personenstandsregister verstärkt, sagte hingegen Winfried Kluth, Professor für Öffentliches Recht der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg. Damit könne der Einzelne sein Verhältnis zum Staat zum Ausdruck bringen; es stehe nicht mehr die Neugier des Staates am Beginn des Eintrags. Der Gesetzgeber solle sorgsam damit umgehen und sich gut überlegen, ob er für eine mit nur 200.000 Euro pro Jahr bezifferte Ersparnis eine kulturell offensichtlich so bedeutsame Änderung vornehmen wolle, ja beiläufig etwas abräume wolle, das für viele Betroffene von hoher Bedeutung sei. Vielleicht könne man auch diese Frage für das aktuelle Gesetzesvorhaben ausklammern, um noch einmal darüber nachzudenken, „was dem Selbstverständnis der Eingetragenen am besten gerecht wird.“

Die technologischen und organisatorischen Potenziale der Verwaltungsmodernisierung mit dem neuen Gesetz voll auszuschöpfen, mahnte Isabell Peters, Professorin für E-Government und digitale Transformation an der Kommunalen Hochschule für Verwaltung in Niedersachsen, an. Bei der aufwendigen Nacherfassung gelte es, Daten in einer so hohen Qualität aufzunehmen, dass sie dann auch für künftige Schritte der Datenverarbeitung weiter verwendet werden könnten. Sie plädierte außerdem dafür, für Authentifizierungs- und Identifizierungsverfahren auf marktübliche Produkte zu setzen, und sprach sich dafür aus, weiter bundeseinheitlich vorzugehen. „Föderale Heterogenität bremst die Verwaltungsdigitalisierung“, sagte Peters. Insgesamt müsse man das analoge Verständnis von Verwaltung überwinden, „nicht in physischen Orten von Akten zu denken“, sondern stattdessen vom Ziel her, dezentrale Datenbanken als Austauschplattformen schaffen und die Vorteile der Prozessautomatisierung nutzen. Dann entfielen die Aufwände, von einem Ort zum anderen Daten abrufen zu müssen - und für die Bürger einige Gebühren. Die Bürger würden außerdem ermächtigt, selbst für ihre Daten zuständig zu sein, besser nachvollziehen zu können, was damit geschehe und zu entscheiden mit wem sie sie teilen wollten.

Dirk Siegfried, Rechtsanwalt und Notar aus Berlin, lobte das offene und transparente Gesetzgebungsverfahren. Nicht abgebildet werde allerdings die moderne Geschlechterrealität, die Transpersonen und gleichgeschlechtliche Eltern umfasse. Noch immer müssten sich Menschen, die das nicht wollten, in das Zweierschema von Mann oder Frau und Vater oder Mutter pressen lassen. Hier müsse dringend nachgearbeitet und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur „dritten Option“ umgesetzt werden. Gesetzgeber und Verwaltung sollten sich an den Grundsatz der „Wahrheit und Klarheit“ erinnern. „Es gibt nicht nur Männer und Frauen.“ Die Religionszugehörigkeit, „keine Frage des Personenstandes“, verwies er wie die anderen Sachverständigen der Runde an die Abgeordneten zurück: „Es ist eine politische Frage, ob man das erfassen will.“

Aus der standesamtlichen Praxis berichtete Volker Weber, Vorsitzender des Fachverbandes der Standesbeamten von Berlin e. V.. Er plädierte dafür, Angaben zur Religionszugehörigkeit wegzulassen. Vielen, deren Religionsgemeinschaften nicht die geforderte körperschaftliche Organisationsform hätten, sei dies außerdem bislang gar nicht möglich. „Momentan haben Standesbeamte laufend Diskussionen mit Antragstellern, warum bestimmte Religionen nicht eingetragen werden können.“ Entweder schwenke man auf eine Eintragung „auf Zuruf“ der Betroffenen um „ohne valide Daten“ und mache die Eintragung der Religion zu einer rein deklaratorischen Sache. Oder man streiche diese Rubrik aus dem Personenstandsregister. Ihm falle kein anderen EU-Land ein, in dem die Religionszugehörigkeit in das Personenstandsregister eingetragen werde. „Ich glaube nicht, dass der Wegfall zu erhöhten Diskussionen im Standesamt führen wird“, sagte Weber.

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