09.11.2022 Ernährung und Landwirtschaft — Ausschuss — hib 639/2022

Landwirtschaftliche Betriebe sollen attraktiver werden

Berlin: (hib/NKI) Erhebliche Unterschiede in der Betriebsnachfolge, bei der Verteilung von Aufgaben in der Familie sowie teilweise erhebliche Lücken in der Altersvorsorge haben Vorab-Ergebnisse der Studie „Die Lebenssituation von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland“ deutlich gemacht. Welchen politischen Handlungsbedarf es in den Fragen gibt, war am Mittwochvormittag Thema im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft.

Vorgestellt wurde die Arbeit von Hiltrud Nieberg, Leiterin des Johann-Heinrich-von-Thünen-Instituts für Betriebswirtschaft, Braunschweig. Sie verwies auf die in vielen landwirtschaftlichen Familienbetrieben bestehende Arbeitsteilung, wonach die Frauen sowohl Tätigkeiten im Betrieb übernähmen als auch den größten Teil der Haus- und Familienaufgaben erledigten.

Geschlechtergerechtigkeit stelle somit eine große Herausforderung für die Landwirtschaft dar. So müsse die Zahl der von Frauen geleiteten landwirtschaftlicher Betriebe erhöht werden. Aktuell liege der Anteil bei elf Prozent, damit rangiere Deutschland europaweit auf einem der letzten Plätze. Auch bei der Hofnachfolge gebe es Nachholbedarf, lediglich 18 Prozent der Höfe würden an weibliche Familienmitglieder weitergegeben.

Janna Luisa Pieper, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Soziologie Ländlicher Räume an der Georg-August-Universität Göttingen, betonte, dass durch „veraltete Geschlechterbilder“ und die traditionellen Vererbungspraktiken Existenzgründungen für Frauen in der Landwirtschaft nahezu unmöglich seien.

Dabei übernähmen laut Studie 83 Prozent der Frauen Arbeit in landwirtschaftlichen Betrieben, und das oftmals über mehrere Jahrzehnte. Am Ende einer solchen Arbeitsbiographie zeigten sich jedoch Lücken in der sozialen Absicherung im Alter.

Die Landwirtschaftliche Alterskasse (LAK) für Landwirte, ihre Ehegatten und die auf den landwirtschaftlichen Betrieben beschäftigten mitarbeitenden Familienangehörigen gehöre zwar zu den öffentlich-rechtlichen Pflichtsystemen. Sie stelle aber nur eine Teilsicherung dar, was bedeute, dass die Versicherten weitere Formen der Altersvorsorge nutzen müssten. Auch im Hinblick auf Trennungen, Scheidungen oder Todesfälle sowie in der Gesundheitsvorsorge gebe es Schwachstellen.

Laut Petra Bentkämper, Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes, zeigten die Ergebnisse, dass es richtig gewesen sei, die Studie im Jahr 2019 auf den Weg zu bringen. Zumal keine einheitlichen Daten zu Frauen in der Landwirtschaft in Deutschland erhältlich seien. Da seien Länder wie Österreich und die Schweiz weiter, weil es dort ein regelmäßiges Monitoring gebe. Vor allem im Bereich der Betriebsübernahmen durch Frauen fordert Bentkämper eine stärkere Unterstützung durch die Politik.

Über ihre persönlichen Erlebnisse in der Landwirtschaft sprach Hanka Mittelstädt, Geschäftsführerin der Ucker-Ei GmbH aus Nordwestuckermark. Sie hat den Betrieb aus dem Stammunternehmen ihrer Eltern gegründet. Das eingesetzte Kapital in Höhe von vier Millionen Euro, die Errichtung der Gebäude, die bürokratischen Schritte zur Vermarktung der Eier und eine 80- bis 90-Stunden Woche, all das sei „herausfordernd“. Darüber hinaus kämpfe die Landwirtschaft seit Jahren mit einem schlechten Image, und die ländlichen Räume böten wenig Abwechslung und eine eher spärliche Infrastruktur.

Die Abgeordneten aller Fraktionen waren sich einig, dass sowohl in der Frage der Betriebsleitung als auch bei er Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie der sozialen Absicherung Handlungsbedarf bestehe.

Von Seiten der Unionsfraktion kam zudem der Hinweis, dass auch im Hinblick auf den Gesundheitsschutz und der Arbeitssicherheit Verbesserungen notwendig seien. Erkrankungen wie Burn-Out seien mittlerweile auch bei Landwirtinnen auf dem Vormarsch, etliche dieser Fälle blieben jedoch unbehandelt.

Die Sozialdemokraten sprachen sich dafür aus, eine Prioritätenliste auszuarbeiten, damit die wichtigsten Punkte als erste angegangen werden könnten.

Die Abgeordneten der FDP schlugen vor, die Studienergebnisse über die unbezahlte Care-Arbeit genauer zu analysieren und diesen Bereich sozial ausreichender als bisher abzusichern.

Die Parlamentarier von AfD und von Die Linke wollen weitere Ergebnisse der Studie abwarten. Während die AfD Aspekte zur Digitalisierung interessiert, erhofft sich Die Linke weitere Angaben zu Fragen der sozialen Absicherung.

Im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft untersuchte ein Forschungsteam des Thünen-Instituts für Betriebswirtschaft und des Lehrstuhls für Soziologie Ländlicher Räume der Georg-August-Universität Göttingen seit 2019 erstmals bundesweit die Lebens- und Arbeitssituation von Frauen in der deutschen Landwirtschaft. Der Deutsche Landfrauenverband (dlv) unterstützte als Initiator und Kooperationspartner die Arbeit. Mehr als 7.000 Frauen haben an der Online-Umfrage teilgenommen. Eine Auswertung der Studienergebnisse will das BMEL Anfang 2023 vorlegen.

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