09.11.2022 Europa — Ausschuss — hib 642/2022

Ausschuss fordert Maßnahmen gegen Ungarn

Berlin: (hib/JOH) Der Europaausschuss fordert die Bundesregierung in einem Antrag auf, im Rat der EU für die Aussetzung von Zahlungen in Milliardenhöhe aus dem EU-Haushalt an Ungarn zu stimmen, sollte die Regierung in Budapest die von ihr vorgelegten Abhilfemaßnahmen nicht nachvollziehbar umsetzen. Die Konditionalitätsverordnung als neues Instrument zum Schutz des EU-Haushalts sollte bei Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit „mit größter Sorgfalt, Konsequenz, Transparenz und sachgerechtem Maßstab“ angewendet werden, heißt es in der Entschließung, die das Gremium am Nachmittag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen sowie der Linksfraktion gegen die Stimmen der AfD verabschiedet hat. Die CDU/CSU-Fraktion enthielt sich der Stimme.

Mit dem Antrag machen die Abgeordneten von ihrem Recht auf Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Gebrauch. Grundlage der Vorlage, über die der Bundestag morgen Abend ab 21.45 Uhr abstimmt, ist der Vorschlag eines Durchführungsbeschlusses der Europäischen Kommission zur Aussetzung von EU-Mitteln gegenüber Ungarn (20/3632 Buchstabe A.6).

Die Abgeordneten betonen, wegen systematischer Unregelmäßigkeiten in öffentlichen Vergabeverfahren sowie nicht ausreichend wirksamen Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung sei die Kommission zu der Feststellung gelangt, dass die Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn die wirtschaftliche Führung des Haushalts der EU „hinreichend unmittelbar beeinträchtigen“. Trotz der von der ungarischen Regierung vorgelegten Abhilfemaßnahmen bestünden ernsthafte Zweifel an ihrem politischen Willen, die notwendigen Reformen tatsächlich umzusetzen. Dem Deutschen Bundestag sei es vor diesem Hintergrund wichtig, dass sich die erstmals zur Anwendung kommende Konditionalitätsverordnung als effektives Instrument zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit erweise. Im Sinne der Glaubwürdigkeit müsse es „mit größter Sorgfalt und strengem Maßstab konsequent angewandt“ werden. Die Abhilfemaßnahmen müssten eine effektive Schutzwirkung für den EU-Haushalt in der Praxis entfalten, „nicht nur auf dem Papier“.

Die Kommission hatte am 27. April 2022 ein offizielles Verfahren nach der Konditionalitätsverordnung gegen Ungarn eingeleitet. Es geht um Zahlungen in Höhe von rund 7,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt. Nachdem der Rat am 13. Oktober 2022 auf Bitten der Kommission eine zweimonatige Verlängerung der Frist bis zum 19. Dezember 2022 gewährt hat, muss bis dahin seine endgültige Abstimmung erfolgen.

Ein Vertreter der SPD-Fraktion betonte im Ausschuss, die Unregelmäßigkeiten bei der Mittelverwendung in Ungarn wirkten auf den EU-Haushalt zurück. Dieser müsse ebenso geschützt werden wie die Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union. Angesichts des systematischen Abbaus des Rechtsstaates in Ungarn müsse sich die Konditionalitätsverordnung als effektives Instrument erweisen.

Seitens der Grünen-Fraktion hieß es, das Parlament nehme mit der Entschließung seine Aufgabe wahr, den Rechtsstaat in der EU zu schützen. Vertreter der ungarischen Zivilgesellschaft und Opposition hätten darauf hingewiesen, dass die von der Regierung vorgelegten Abhilfemaßnahmen weder ausreichen noch langfristig wirksam sein könnten. Sollte das der Fall sein, müsse die Bundesregierung im Rat für eine Aussetzung der Mittel stimmen.

Das Verfahren müsse dann konsequent durchgeführt werden, mahnte auch ein Vertreter der FDP-Fraktion, der das Misstrauen gegenüber der ungarischen Regierung als mehr als begründet bezeichnete. Sie habe den europäischen Rechtsrahmen schon mehrfach kontrolliert überschritten und sei auf Druck wieder zurückgewichen. Insgesamt verschlimmere sich die Situation im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und der Korruption immer weiter.

Aus der Unionsfraktion hieß es, sie sehe das Verhalten der ungarischen Administration genauso kritisch und hätte sich dem Antrag der Koalitionsfraktionen gerne angeschlossen. Jedoch schwinge darin ein gewisses Misstrauen gegenüber der Kommission mit, die aber aus Sicht der Union mit der nötigen Schärfe und Transparenz an das Thema herangegangen sei. Zudem sei es nicht sinnvoll, Ungarn schon jetzt vorzuwerfen, die Abhilfemaßnahmen nicht einzuhalten.

Ein Vertreter der AfD-Fraktion wies die Vorwürfe gegen die ungarische Regierung zurück. Es gebe keine Beweise dafür, außerdem seien die Maßnahmen durch die Regelungen in der Konditionalitätsverordnung nicht gedeckt. Die EU-Kommission verstoße selbst gegen die Rechtsstaatsprinzipien der Union, wenn sie ein solches Verfahren auf Basis von Vermutungen anwende.

Demgegenüber betonte ein Abgeordneter der Linksfraktion, die Gründe für die Anwendung der Konditionalitätsverordnung lägen im Falle Ungarns auf der Hand. Neben Ungarn sei aber auch Polen ein Sorgenkind der EU. Für die Regierung in Warschau müssten die gleichen Maßstäbe gelten.

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