10.11.2022 Gesundheit — Anhörung — hib 644/2022

Sachverständige fordern steuerfinanzierte Patientenberatung

Berlin: (hib/HAU) Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) sollte künftig durch Steuermittel finanziert werden. Diese Forderung unterstützte eine deutliche Mehrheit der zu einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses am Mittwochnachmittag geladenen Sachverständigen. Für eine Steuerfinanzierung spricht sich auch die Fraktion Die Linke in einem Antrag (20/2684) aus, der Grundlage der Anhörung war. Trägerin der UPD soll laut Linksfraktion eine neue Patientenstiftung bürgerlichen Rechts werden. Aktuell erfolgt die Finanzierung über den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband). Der Referentenentwurf der Bundesregierung für eine Reform der UPD sieht die Errichtung einer Stiftung bürgerlichen Rechts durch den GKV-Spitzenverband vor, der die Stiftung ab dem 1. Januar 2024 durch einen jährlichen Zuschuss in Höhe von 15 Millionen Euro finanzieren soll. Die privaten Krankenversicherungsunternehmen (PKV) sollen sich dem Entwurf zufolge jährlich mit einem Anteil von sieben Prozent an dem Gesamtbetrag beteiligen.

Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender beim GKV-Spitzenverband, sprach sich für eine aus Steuermitteln finanzierte öffentliche Stiftung aus. Den GKV-Spitzenverband zu verpflichten, eine Stiftung zu gründen, bei der der Stiftungsgeber in der Folge dann aber keine Verantwortung habe, passe nicht in das Rechtsgefüge, befand er. Die von der Linksfraktion geforderte Zusammenführung von Patientenberatung und Pflegeberatung lehne der GKV-Spitzenverband ab, sagte Kiefer. Dadurch würden aufgebaute Strukturen zerstört, ohne dass ein „Mehrwert“ für Ratsuchende entstünde.

Für eine Steuerfinanzierung sprach sich auch Gregor Bornes, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientenstellen und -Initiativen (BAGP), aus. In jedem Falle müsse aber eine Gründung und Finanzierung durch den GKV-Spitzenverband verhindert werden. Auch bei einer neue UPD wäre dann für Ratsuchende nicht klar, ob nicht doch der GKV-Spitzenverband die Umstände und die Bedingungen der Beratungen zu stark beeinflusst. Das Vertrauen in eine tatsächlich unabhängige Patientenberatung sei aber ein ganz wesentlicher Faktor und müsse auch nach außen deutlich gemacht werden, betonte Bornes.

Aus Sicht der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen (BAG) hätte eine Steuerfinanzierung allerdings den Nachteil, dass je nach Haushaltslage auch die Finanzierung der UPD immer wieder zur Disposition gestellt werden könnte, gab Bundesgeschäftsführer Martin Danner zu bedenken. Vorzuziehen sei es daher, Mittel für die UPD direkt aus dem Gesundheitsfonds heraus bereitzustellen.

Der Einzelsachverständige Professor Gregor Thüssing von der Universität Bonn sieht den entscheidenden Grund für die Notwendigkeit einer Steuerfinanzierung in der Tatsache, „dass es sich bei der unabhängigen Patientenberatung um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt“. Außerdem erscheine die Verpflichtung zur Finanzierung durch die GKV unter dem Gesichtspunkt der Gesetzgebungskompetenz problematisch. Zwar habe der Bund die Gesetzgebungskompetenz für die Sozialversicherung. Unklar sei aber, ob die Finanzierung einer solchen Stiftung durch die gesetzlichen Krankenkassen noch eine Regelung der Sozialversicherung wäre, sagte Thüssing.

Professor Raimund Geene, Mitglied im Beirat der Unabhängigen Patientenberatung, begrüßte die Intention des Antrags ebenso wie die Grundausrichtung des Referentenentwurfs, Unabhängigkeit, Patientenorientierung und Nachhaltigkeit durch eine dauerhafte Etablierung, Erhöhung der Finanzmittel und eine tragende Rolle der Patientenorganisationen sicherzustellen. Gleichzeitig kritisierte er, dass es in Deutschland kaum noch Forschungsaktivitäten zur Patientenunterstützung gebe. Das müsse sich ändern.

Seitens der Verbraucherzentrale Bundesverband trifft die Forderung, die neue UPD von der Anbindung an die Krankenkassen und an einen kommerziellen Träger zu lösen und sie vor Einflussnahmen auch durch Leistungserbringende, Wirtschaft und Politik zu schützen, auf Unterstützung machte Michaela Schröder, Leiterin des Geschäftsbereichs Verbraucherpolitik, deutlich. Um die Unabhängigkeit in organisatorischer und finanzieller Hinsicht zu sichern, sollte die UPD dauerhaft an die Zivilgesellschaft angebunden und aus Zuschüssen des Bundes finanziert werden, verlangte sie.

Jenny Wernicke vom Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) forderte, die Kompetenzen der derzeitigen Mitarbeitenden der UPD auch nach einer Neuorganisation zu nutzen. Alles andere würde eine nicht zu begründende Ressourcenverschwendung darstellen. Außerdem habe der Gesetzgeber auch eine Verantwortung für die Mitarbeitenden.

Uwe Frevert, Vorstandsmitglied der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL), forderte einen trägerübergreifenden Ansatz bei der Patientenberatung. Neben den Krankenversicherungen seien auch andere Kostenträger miteinzubeziehen - beispielsweise die Pflegeversicherung, aber auch die ergänzende Sozialhilfe. Bei Menschen mit Behinderungen gebe es auch Schnittpunkte zum Teilhaberecht, befand Frevert.

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