25.01.2023 Menschenrechte — Ausschuss — hib 64/2023

Kiewer Parlamentarierin: Tausende Kinder verschleppt

Berlin: (hib/SAS) Bis zu 14.000 Kinder sollen nach Angaben der stellvertretenden Menschenrechtsbeauftragten des ukrainischen Parlaments, Olga Altunina, seit Kriegsbeginn aus der Ukraine nach Russland oder in die von Russland besetzten Gebiete verschleppt worden sein. Begründet werde dies von russischer Seite mit der Sicherheit der Kinder oder Erholungsaufenthalten, sagte Altunina am Mittwoch im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

Doch Erleichterungen im russischen Adoptionsrecht seit Mai 2022 sprächen eine andere Sprache, so die Menschenrechtsbeauftragte: Präsident Putin gehe es darum, die Verschleppungen zu legalisieren. Kiew bemühe sich mit Unterstützung internationaler Organisationen um die Rückführung der Kinder, es gebe auch einzelne Erfolge. Die Gespräche mit der russischen Seite könne sie aber aus Sicherheitsgründen nicht kommentieren, so Altunina auf die Frage eines Mitglieds der Unionsfraktion. Gleiches gelte auch für die Verhandlungen über die Freilassung der etwa 1.500 Kriegsgefangenen. Als noch größeres Problem bezeichnete die Menschenrechtsbeauftragte in diesem Zusammenhang die Lage der rund 20.000 gefangenen Zivilisten. Russland verweigere Gespräche, die genaue Identität der Menschen sei daher schwer festzustellen.

Die Lage der Kinder in der Ukraine sei schwer: Insgesamt wurden laut Altunina 459 getötet und 914 verletzt - über 90 Kinder hätten Arme oder Beine verloren und benötigten dringend Hilfe. Es gehe konkret um Prothesen, Rehabilitation oder medizinische Behandlungen, so die Menschenrechtsbeauftragte. Auch gebe es großen Bedarf an psychologischer Hilfe, wahrscheinlich auf Jahre, so Altunina auf Nachfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. In großer Gefahr seien auch ältere Menschen, betonte Altunina und antwortete damit auf eine Frage der Linksfraktion: Ältere könnten die Kriegsgebieten oft nicht so einfach verlassen. Gerade in der Ostukraine hätten 70 Prozent der Menschen noch nie ihre Heimat verlassen - es bedeute extremen Stress für sie, wegzugehen.

Die humanitäre Situation in den besetzten und von Kriegshandlungen betroffenen Gebieten in der Ukraine schilderte Altunina als dramatisch. Über 13 Millionen Menschen lebten aktuell in diesen Gebieten. Seit Kriegsbeginn seien mehr als 120.000 Wohnhäuser durch die russischen Angriffe zerstört und die zivile Infrastruktur stark beschädigt worden - im Osten sei sie weitgehend zusammengebrochen. Hier lebten die Menschen ohne Gas, Wasser und Strom. Gerade die Situation von Schwangeren und Neugeborenen sei schwer. Da auch Kranken- und Geburtshäuser Ziel von Beschuss würden, müssten Frauen in Kellern und Bunkern ihre Kinder gebären - meist ohne jede medizinische Hilfe, berichtete Altunina auf eine Nachfrage einer SPD-Abgeordneten.

Diese Situation habe zu etwa 4,8 Millionen Binnenflüchtlingen geführt. Das Land ganz verlassen hätten inzwischen 7,9 Millionen Ukrainer und Ukrainerinnen, sie lebten im EU-Ausland. Altunina zeigte sich dankbar für die Aufnahme von etwa einer Millionen ukrainischen Geflüchteten in Deutschland, mahnte jedoch gleichzeitig, Attacken gegen sie oder ihre Unterkünfte strafrechtlich zu verfolgen.

Auf die Frage eines Mitglieds der AfD-Fraktion zum Vorwurf der Unterdrückung der russischen Sprache in der Ukraine verwies Altunina darauf, dass die Ukraine immer ein bilinguales Land gewesen sei - in der in der Ostukraine sei vorwiegend Russisch gesprochen worden. Eltern hätten die Möglichkeit gehabt, Kinder in eine russisch oder ukrainisch sprechende Schule zu schicken. Doch seit dem Krieg sei die Zahl der Anmeldungen massiv gesunken. Viele Ukrainer, die früher Russisch gesprochen hätten, lernten nun Ukrainisch. Sie selbst sei dafür ein Beispiel, sagte Altunina.

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