Keine Empfehlung des Stabilitätsrates zum Defizitabbau
Berlin: (hib/HLE) Der Stabilitätsrat sieht vor dem Hintergrund der bestehenden Unsicherheiten durch den Ukraine-Krieg und Energiepreissteigerungen davon ab, Maßnahmen zur Rückführung des überhöhten Finanzierungsdefizits zu empfehlen. Dies geht aus dem von der Bundesregierung als Unterrichtung (20/5336) vorgelegten Bericht des Stabilitätsrates gemäß Paragraf 9 des Stabilitätsratsgesetzes hervor.
Wie es in dem Bericht heißt, könnte der gesamtstaatliche Finanzierungssaldo (Maastricht-Definition) im Jahr 2023 auf rund 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ansteigen, nachdem es im Vorjahr noch 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gewesen waren. Enthalten sind in dem Finanzierungssaldo die Haushalte von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen inklusive ihrer jeweiligen Extra-Haushalte. Enthalten sei auch der wirtschaftliche Abwehrschirm mit rund 2,75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ohne den Abwehrschirm läge die Defizitquote 2023 bei rund 1,75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Es wird davon ausgegangen, dass die Defizitquote im Jahr 2024 auf zwei Prozent und 2025 sowie 2026 auf dem Niveau von rund 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückgeht.
Das sogenannte gesamtstaatliche strukturelle Defizit soll 2023 bei rund 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Der strukturelle Saldo entspricht dem um Konjunktur- und Einmaleffekte bereinigten Finanzierungssaldo; allerdings werden die temporären Corona-Maßnahmen nicht herausgerechnet. Die Überschreitung des mittelfristigen Haushaltsziels, das heißt, eines strukturellen Defizits von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, sei auch in den Jahren 2022 und 2023 aufgrund der europäischen Ausnahmeregel zulässig. Die Vorgabe, das strukturelle Defizit als Richtwert um 0,5 Prozent Punkte pro Jahr abzubauen, werde Deutschland im Durchschnitt der Jahre 2024 bis 2026 einhalten, auch wenn die Herausforderungen erheblich gestiegen seien.
Das erhöhte gesamtstaatliche Defizit ist nach Ansicht des Stabilitätsrates in starkem Ausmaß auf die temporären Maßnahmen zur Bewältigung der Energiekrise infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zurückzuführen. Die Maßnahmen seien jedoch unabdingbar, um private Haushalte und Unternehmen gezielt zu entlasten und die Energieversorgung sicherzustellen. So würden bleibende volkswirtschaftliche Schäden vermieden. Bei der Überwachung der Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse stellte der Stabilitätsrat fest, dass sich für 2022 und 2023 beim Bund und allen Ländern keine Beanstandungen ergeben. Allerdings seien die Indikatoren für die Freie Hansestadt Bremen weiterhin auffällig. Bremen werde dem Stabilitätsrat zum Jahresende 2023 Vorschläge für ein Sanierungsprogramm vorlegen.
Der Beirat des Stabilitätsrates vertritt die Auffassung, auf Basis der derzeitigen finanzpolitischen Beschlüsse und der günstigen Entwicklung im Jahr 2022 könnten die Defizite sogar noch niedriger als vom Stabilitätsrat erwartet ausfallen. Die Projektion der Staatsfinanzen sei jedoch derzeit noch außergewöhnlich unsicher.
Die für 2022 im Bericht angegebene Schuldenstandsquote nach Maastricht-Definition liegt bei 66,75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gegenüber 68,6 Prozent im Jahr 2021. Ursache dafür seien der hohe Zuwachs des nominalen Bruttoinlandsprodukts in Höhe von sieben Prozent sowie ein Überhang von Kreditaufnahmen im Jahr 2021 gewesen. Diese Kreditaufnahmen hätten bereits 2021 den statistischen Schuldenstand erhöht, seien aber erst 2022 verwendet worden. Für das Jahr 2023 wird erwartet, dass die Schulden schneller ansteigen als das Bruttoinlandsprodukt, so dass mit einem Anstieg der Schuldenquote auf rund 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gerechnet werden könne.