01.03.2023 Petitionen — Ausschuss — hib 139/2023

Mehrheitsentscheidungen bei EU-Außen- und Sicherheitspolitik

Berlin: (hib/HAU) Bei der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (GASP) soll nach Auffassung des Petitionsausschusses das bisherige Einstimmigkeitsprinzip durch die Anwendung von qualifizierten Mehrheitsentscheidungen abgelöst werden. In der Sitzung am Mittwochmorgen verabschiedete der Ausschuss mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP die Beschlussempfehlung an den Bundestag, eine entsprechende Petition der Bundesregierung mit dem höchstmöglichen Votum „zur Berücksichtigung“ zu überweisen, „soweit die Einstimmigkeit im EU-Ministerrat bezüglich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) in die qualifizierte Mehrheit überführt wird“, und das Petitionsverfahren „im Übrigen abzuschließen“.

In der öffentlichen Petition (ID 116383) wird die Bundesregierung aufgefordert, sich innerhalb der EU für die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips und eine Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen „für alle Belange“ einzusetzen. In der aktuell bestehenden Form sei die EU auf Dauer nicht handlungsfähig, heißt es zur Begründung. Angesichts der Blockadehaltung einzelner Länder werde die EU - bei Beibehaltung der Einstimmigkeitserfordernis - nicht in der Lage sein, die drängendsten Probleme zu lösen, schreibt der Petent. Die Ermöglichung von Mehrheitsbeschlüssen hingegen verhindere eine dauerhafte Blockade oder die Einigung auf unzureichende Kompromisslösungen. Hier könne zwischen einfacher und Zweidrittel-Mehrheit differenziert werden. Sollte die Ausweitung von Mehrheitsbeschlüssen nicht durchgesetzt werden können, so heißt es in der Petition, „muss die Bundesrepublik Deutschland aus der bisherigen EU austreten und mit entsprechend gesinnten Partnern eine neue Europäische Union gründen“.

Letzteres lehnt der Petitionsausschuss ab. In der Begründung zur Beschlussempfehlung des Ausschusses heißt es: Eine Umsetzung dieses Anliegens sei mit „gravierenden und dauerhaften Nachteilen politischer und wirtschaftlicher Art sowohl für Deutschland als auch für Europa verbunden“. Die Abgeordneten schließen sich der Auffassung der Bundesregierung an, dass ein derartiges Vorgehen im Hinblick auf die Interessenlage in den anderen Mitgliedstaaten keinerlei Chance auf Realisierung hätte.

Zugleich wird in der Beschlussempfehlung darauf verwiesen, dass bereits seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Jahre 2007 der Rat der Europäischen Union seine Entscheidungen im Regelfall mit qualifizierter Mehrheit treffe. Die EU-Mitgliedstaaten hätten sich zudem auf die Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen auf etliche weitere Politikbereiche verständigt, so etwa auf viele Bereiche des „Raums der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts“. Wie in der Petition angesprochen, gebe es aber auch weiterhin Bereiche, in denen der Rat seine Beschlüsse ausschließlich einstimmig trifft, heißt es. Dies gelte insbesondere für den Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU.

Der Petitionsausschuss befürwortet das Anliegen der Petition nach eigener Aussage insoweit, „als mit ihr die immense Bedeutung einer international handlungsfähigen und geschlossen agierenden EU angesprochen wird“. Die Stärkung der Handlungsfähigkeit, Einigkeit und strategischen Souveränität der EU sei nicht zuletzt im Hinblick auf die Vorgaben aus Artikel 23 Absatz 1 Grundgesetz und das zunehmend fragile sicherheitspolitische Umfeld erklärtes Ziel der Bundesregierung, heißt es in der Beschlussempfehlung. Der Ausschuss begrüßt daher, dass im Koalitionsvertrag zur 20. Wahlperiode die Überführung der Einstimmigkeitsregel im Rat der EU in Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit für den Bereich der GASP ausdrücklich vereinbart worden sei. Die Bundesregierung prüfe in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeiten der ergänzenden Einführung eines geeigneten Mechanismus zur angemessenen Beteiligung von kleineren Mitgliedstaaten im Rahmen einer möglichen Erweiterung der Anwendung von qualifizierten Mehrheitsentscheidungen, heißt es in der Beschlussempfehlung.

Sowohl eine Reform der Anwendung von Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit als auch ein damit gegebenenfalls verbundener Mechanismus bedürften jedoch des Einvernehmens aller EU-Mitgliedstaaten, betont der Ausschuss. Aktuell stünden aber viele Mitgliedstaaten einer erweiterten Anwendung von qualifizierten Mehrheitsentscheidungen kritisch gegenüber. „Gleichwohl begrüßt der Petitionsausschuss die Zusage der Bundesregierung, dass sie sich weiterhin für geeignete institutionelle Instrumente einsetzen werde, um die Handlungsfähigkeit der EU zu stärken“, schreiben die Abgeordneten.

Marginalspalte