Kritik an geplanter „Zwangsabgabe“ für Netflix und Co.
Berlin: (hib/HAU) Die von der EU-Kommission angedachte Infrastrukturabgabe für sogenannte Over-the-Top-Anbieter (OTT) wie YouTube, Facebook oder Netflix stößt im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) auf Skepsis. Das machte BMDV-Staatssekretär Stefan Schnorr am Mittwoch vor dem Digitalausschuss deutlich. Eine abgestimmte Position der Bundesregierung gebe es derzeit noch nicht, sagte Schnorr, der von einer „Zwangsabgabe“ sprach. Ihm seien aber keine von der BMDV-Sicht abweichenden Meinungen in den anderen Resorts bekannt. Skeptisch bis ablehnend hinsichtlich einer solchen Abgabe für die Content-Ersteller äußerten sich in der Sitzung auch die Mitglieder des Ausschusses.
Die EU-Kommission habe einen öffentlichen Konsultationsprozess zu einer solchen von den OTT zu zahlenden Abgabe gestartet, erläuterte Schnorr. Der vorgelegte Fragebogen sei aber „leicht tendenziös“. Darin würden lediglich Fragestellung erörtert, wie eine solche Abgabe gestalten werden könne und nicht die Frage gestellt, ob es diese überhaupt brauche. Dem BMDV-Staatssekretär zufolge ist das nicht der Fall. Für einen derartigen regulatorischen Eingriff müsse ein Marktversagen vorliegen, was weder in Deutschland noch sonst wo in Europa zu erkennen sei, sagte er.
Die Bundesregierung werde im Konsultationsprozess Stellung beziehen, wenn eine abgestimmte Position vorliegt, „auch wenn wir uns ergebnisoffenere Fragen der Kommission gewünscht hätten“, sagte Schnorr. Bei der Erarbeitung der Regierungsposition würden sämtliche Stakeholder eingebunden.
Die Nachfrage, ob ihm ein Beispiel für einen positiven Ausbau der digitalen Infrastruktur durch eine solche Abgabe bekannt sei, verneinte der Staatssekretär. Ihm sei bekannt, dass eine solche Abgabe in Südkorea krachend gescheitert sei, weil es negative Auswirkungen auf die Medienvielfalt gegeben habe.
Die von Telekommunikationsunternehmen zu vernehmende Argumentation, dass ihnen durch eine solche Abgabe mehr Geld für den Netzausbau zur Verfügung stünde, greift nach Auffassung Schnorrs nicht. Es gebe keine Finanzierungslücken beim Ausbau der digitalen Infrastruktur, weil derzeit die Baukapazitäten „am Anschlag sind“. Mehr Geld schaffe auch nicht mehr Baukapazitäten.
Der Staatssekretär räumte ein, dass die Verhältnisse im EU-Ministerrat in dieser Frage schwer zu beurteilen seien. In Frankreich mache das Telekommunikationsunternehmen Orange Druck für die Abgabe, in Spanien Telefónica. Beide Unternehmen seien damit offenbar „nicht ganz ohne Erfolg geblieben“. Argumentiert werde damit, dass die Telekommunikationsunternehmen erhöhte Kosten für den Netzausbau hätten, weil sie Content der OTT durchleiten müssten. Es seien aber die Kunden, die für die Nutzung der Leitungen an die Netzbetreiber zahlen, so Schnorr.