Zukunft der Innenstädte nach Filialschließungen erörtert
Berlin: (hib/VOM) Die Zukunft der Innenstädte hat den Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen am Mittwoch in öffentlicher Sitzung beschäftigt. Anlass war ein mündlicher Bericht der Bundesregierung zu den Schließungsplänen beim Essener Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Sören Bartol (SPD), sieht durch die jüngsten Ereignisse eine neue Dynamik für dieses Thema. Die Innenstadt-Strategie der Bundesregierung werde auf die aktuelle Situation reagieren müssen. Viele der von Schließungen betroffenen Kommunen nähmen am Innenstadt-Programm der Regierung teil. Das Ministerium befinde sich in intensiven Gesprächen mit den Kommunen und werde „Werkstattgespräche“ durchführen, sagte Bartol.
Wichtig ist nach seinen Worten, dass der Bund sich auf seine Instrumente konzentriert. Die Grundidee sei, eine bessere Vereinbarkeit von Wohnbebauung mit anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten herzustellen und Lösungen zu finden. Das Einkaufsverhalten habe sich fundamental verändert. Was die Staatshilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds an in Schieflage geratene Unternehmen angehe, sei es immer darum gegangen, Beschäftigung zu erhalten. Bartol äußerte die Hoffnung, möglichst viele betroffene Standorte noch retten zu können.
Die Aufenthaltsqualität in den Städten leidet, stellte die CDU-Abgeordnete Petra Nicolaisen fest. Die Stadtzentren verlören an Kaufkraft, auch kleinere Betriebe seien davon betroffen. Isabel Cademartori (SPD) nannte es „sehr dramatisch“, was jetzt passiere. Die Geschäftsleitung habe „kein Konzept hinbekommen, was trägt“. Sie sei nicht in der Lage oder willens gewesen, rundum zu modernisieren. Die Innenstädte müssten sich an verändertes Konsumverhalten und veränderte Nutzungsanforderungen anpassen. Marc Bernhard (AfD) sieht die Entwicklung „regierungsgemacht“. Wer in der Innenstadt einkaufe, wolle parken können und sich den Parkplatz auch leisten können. Mit dem Fahrrad oder der Straßenbahn ließen sich größere Einkäufe nicht tätigen. Im Vergleich zu den Internetriesen würden zudem örtliche Geschäfte steuerlich „massiv benachteiligt“. Steuerschlupflöcher müssten geschlossen werden, sonst hätten deutsche Geschäfte „keine Überlebenschance“.
Anja Liebert (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, die Aufenthaltsqualität in den Innenstädte hänge von deren Gestaltung ab, von guter „Nutzungsmischung“ anstelle von großen Einzelhandelsstandorten. In den Innenstädten müssten Wohnen, Kultur und Bildung verankert werden. Die Frage sei, wie man Zwischennutzungen und Nutzungsänderungen an den Einzelhandelsstandorten „besser und schneller“ umsetzen könne. Caren Lay (Die Linke) monierte, dass es trotz staatlicher Unterstützung zur Schließung von Filialen gekommen sei. Zu fragen sei, wie dies künftig verhindert werden könne. Eine Umnutzung der Grundstücke in Wohnungen oder für Kleingewerbe, Sport-, Kultur- oder Freizeiteinrichtungen wäre aus ihrer Sicht sinnvoll. Rainer Semet (FDP) lehnte weitere Subventionen ab. Das Konzept der deutschen großen Kaufhäuser sei zu Ende. Die Innenstädte müssten umgestaltet werden, um neue Attraktivität zu erlangen, sie müssten sich zu Wohn- und Aufenthaltsorten entwickeln. Derzeit würden sie als nicht mehr attraktiv empfunden und zunehmend leerer. In der Umgestaltung der Innenstädte sieht Semet auch „eine Chance“.
Der Ausschuss lehnte zudem jeweils gegen die Stimmen der Antragsteller zwei Anträge der AfD-Fraktion ab. Im ersten Antrag (20/5818) hatte die AfD die Bundesregierung aufgefordert, den ländlichen Raum als Wohnort für Familien und für Berufseinsteiger sowie für bestimmte Berufsgruppen wie Ärzte und Lehrer attraktiver zu machen. Dazu sollten die Infrastruktur und der Ausbau der Breitbandversorgung vorangebracht werden.
Im zweiten Antrag (20/4064) setzte sich die Fraktion für einen Stopp des Erweiterungsbaus des Bundeskanzleramtes ein. Die Planungen dafür sollten nicht weiterverfolgt und der Haushaltsgesetzgeber sollte keinerlei Mittel dafür freigeben. Zugleich sollte die Bundesregierung prüfen, inwiefern Heimarbeitslösungen kurz- und mittelfristig den Mangel an Büroräumen beheben könnten. Der Personalzuwachs im Bundeskanzleramt sollte gestoppt und Aufgaben sollten in die Ministerien rückübertragen werden. Die AfD berief sich in ihrem Antrag auf den Bundesrechnungshof, der von wesentlich höheren Kosten als den veranschlagten 600 bis 640 Millionen Euro ausgehe und das Projekt scharf kritisiere.
Einen in der Sitzung von der Unionsfraktion eingebrachten Entschließungsantrag zum AfD-Antrag beriet der Ausschuss nicht, nachdem ein Geschäftsordnungsantrag des SPD-Obmanns Bernhard Daldrup auf Nichtbefassung mit Koalitionsmehrheit bei Enthaltung der Linken angenommen worden war.