17.04.2023 Inneres und Heimat — Anhörung — hib 265/2023

Bessere Waldbrandbekämpfung gefordert

Berlin: (hib/FLA) Experten haben unverzügliche Verbesserungen bei der Waldbrandbekämpfung angemahnt. Die wachsende Zahl solcher Feuer sei ein sichtbares Zeichen des Klimawandels, machten sie bei einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Inneres und Heimat unter der Leitung von Uli Grötsch (SPD) deutlich. Ausgangspunkte waren zwei Anträge von CDU/CSU (20/3693 - „Nationale Kraftanstrengung für einen besseren Waldbrandschutz“) und Die Linke (20/4418 - „Beschaffung von Löschflugzeugen für die Waldbrandbekämpfung“)). Die Experten sprachen von „Vegetationsbrandbekämpfung“. Es gehe auch um landwirtschaftliche Flächen oder etwa Moore.

Andreas W. Bitter (Präsident Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände) rechnete vor, der Gesamtschaden durch Waldbrände im vergangenen Jahr in Deutschland mit Blick auf Gesundheit (z. B. Feinstaub), Natur (z. B. Klima) und Wirtschaft (z. B. Tourismus) liege bei deutlich mehr als 600 Millionen Euro. Die Waldbesitzenden stünden zusätzlich vor der Mammutaufgabe des klimaresilienten Waldumbaus. Der nachhaltige Umbau der Wälder sei der wesentliche Faktor eines präventiven Waldbrandschutzes, indem stärker gefährdete Reinbestände in strukturreiche Mischwälder mit entsprechendem Laubholzanteil überführt würden.

Ulrich Cimolino (AK Waldbrand - Deutscher Feuerwehrverband) empfahl, alle geeigneten Helikopter der Landespolizeien mit Außenlasthaken für Flüge mit Löschwasser und Ausrüstung zu versehen. Sie müssten zudem bereitstehen für Personentransport und dem Einsatz von Rettungswinden. Der Bund müsse deutlich leistungsfähigere Hubschrauber beschaffen und sie beispielsweise über die Bundespolizei betreiben. Er solle einen zentralen Ausbildungsstandort für die Schulung etwa von Spezialisten für den Luftfahrzeugeinsatz betreiben und Schwerpunktforschungs- und Ausbildungsstätten für Vegetationsbrandbekämpfung errichten.

Johann Georg Goldammer (Global Fire Monitoring Center / Arbeitsgruppe Feuerökologie, Max-Planck-Institut für Chemie und Universität Freiburg) hob auf „Landschaftsbrände“ ab. Neben der Prävention und der Bekämpfung von Waldbränden müsse die gesamte Landschaft und die Gesellschaft in ein ganzheitliches Konzept des Feuer-Managements einbezogen werden. Die Bewältigung der Herausforderungen, die sich aus der Klimakrise in Kombination mit gesellschaftlichen Veränderungen ergäben, machten deutlich, dass das Thema eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung sei. Deutschland sei da mit dem Ehrenamt grundsätzlich gut aufgestellt.

Tobias Hallas (@fire, Internationaler Katastrophenschutz Deutschland e.V.) verwies darauf, dass sein Verein bei den Waldbränden im letzten Jahr einen „Taktischen Abwurfkoordinator“ eingesetzt habe, der die Piloten eingewiesen und damit die Effektivität der Wasserabwürfe deutlich gesteigert habe. Der Einsatz von verbundenen Kräften, insbesondere von Hubschraubern der Bundespolizei, der Bundeswehr, der Landespolizeien, dazu Flugzeuge privater Betreiber, erfordere den Ausbau der Führungsstruktur und eine weiterführende Qualifikation der Einsatzführung.

Alexander Held (European Forest Institute, Bonn) betonte, zusätzliche Investitionen in Zivilschutz und entsprechender Technik seien dringend nötig. Dazu zählte er die permanente Finanzierung einer unabhängigen, wissenschaftlich freien „Plattform Waldbrand“ auf Bundesebene - im Tandem mit solchen Plattformen auf Länderebene. Sie könnten ganzheitliche Ansätze für Forschung, Beratung, Führung oder internationalen Austausch den Ländern, Verwaltungen, Feuerwehren und Waldbesitzern zur Verfügung stellen. Mit Kurzzeitprojekten wie bisher sei das nicht zu leisten.

Susanne Klatt (Feuerwehr- und Rettungsakademie, Feuerwehr Essen) erklärte, bei ausgedehnten Vegetationsbränden, insbesondere in unwegsamen Geländen, seien die multifunktionalen Löschfahrzeuge, wie sie die Feuerwehren üblicherweise benutzten, nur bedingt einsetzbar. Spezielles Gerät gehöre nicht oder nicht in nötigem Umfang zur Standardausrüstung herkömmlicher Löschfahrzeuge. Eine zusätzliche Ausstattung im Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes des Bundes und der Länder mit Spezialfahrzeugen und Spezialausstattung sei sinnvoll. Sie unterstrich, die kommunalen Feuerwehren bekämen die allermeisten Waldbrände gut bewältigt.

Für Daniel Kurth (Landrat Kreis Barnim) gehört zu den vielen Stellschrauben bei der Waldbekämpfung die Schaffung klimaangepasster Wälder. Es gebe schon wegen der hohen Kosten ein Umsetzungsproblem. Das gelte auch für die notwendige Freimachung von Schneisen, wobei die Munitionsbelastung der Wälder ein spezielles ostdeutsches Problem sei. Bohrungen müssten vorgenommen werden, um an Löschwasser zu kommen. Denn die Wasserspiegel der Seen, die früher als Löschteiche genutzt werden konnten, seien inzwischen um einen Meter gesunken. Er setzte sich dafür ein, dass Brandschutzerziehung ein Thema in den Schulen wird.

Siegfried Maier (Bundesvorsitzender der Deutschen Feuerwehr Gewerkschaft) befürwortete die Forderungen zum vorbeugenden und abwehrenden Brandschutz in den Anträgen. Sie könnten helfen, die Waldbrandbekämpfung zukünftig aufrecht zu erhalten. Die geforderten Luftfahrzeuge würden zur Waldbrandbekämpfung immer häufiger notwendig. Das Löschen mit diesen Einsatzmitteln erfordere spezielles Wissen und Können, weshalb auch die Vorhaltung von speziellen Flug-Crews notwendig sei. Löschflugzeuge und Löschhubschrauber müssten parallel vorgehalten werden, um den unterschiedlichen topographischen Gegebenheiten gerecht zu werden.

Hermann Schröder (ehemaliger Beamter in der Abteilung „Bevölkerungsschutz und Krisenmanagement“, Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg) meinte, mit Blick auf den Klimawandel müssten sich die Wälder in den nächsten Jahren verändern. Dabei dürften Belange der Waldentwicklung und Notwendigkeiten des Brandschutzes nicht als Gegenpole gesehen werden. Beides müsse in enger Partnerschaft Hand in Hand entwickelt werden. Ein zügiger Waldumbau von Nadelholzreinbeständen zu strukturreichen Mischwäldern diene auch dem Waldbrandschutz. Dessen Belange müsse der Gesetzgeber künftig auch rechtlich verankern.

Für Kirsten Thonicke (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) beginnt Waldbrandprävention mit der Bewusstseinsbildung, dass 80 bis 90 Prozent der Waldbrände durch den Menschen - vor allem durch Fahrlässigkeit - verursacht werden. Hinzu kämen Hitze und Dürre. Das Waldbrandrisiko nehme zu und werde sich bis in den Herbst verlängern. Zu ihren Empfehlungen gehörte, die Aufklärung der Öffentlichkeit über die Risiken des Waldbrandes und möglicher Ursachen und deren Folgen für den Wald und die Gesundheit der Menschen zu aktualisieren und zu modernisieren. Wichtig sei es auch, die Datenerhebung zu verbessern, um die Veränderung des Waldbrandgeschehens auch in Zukunft wissenschaftlich fundiert begleiten zu können.

Das Video zur Anhörung (nach Bereitstellung), die Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw16-pa-inneres-waldbrandschutz-941606

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