27.04.2023 1. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 317/2023

Zeuge: Kein Gesetz regelt Evakuierung von Ortskräften

Berlin: (hib/CRS) Der Leiter des Risk Managements Office (RMO) Kabul der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) hat heute im 1. Untersuchungsausschuss Afghanistan zum Gefährdungsgrad der zivilen Entwicklungsorganisationen und der Ortskräfte ausgesagt.

Er berichtete, das RMO habe zwar Pläne für eine eventuelle Evakuierung des internationalen Personals gemacht, nicht aber für die afghanischen Ortskräfte. Es hätte derartige Pläne auch nicht umsetzen dürfen, weil es dafür keine gesetzliche Grundlage gegeben habe. Diese sei für die Evakuierung der Ortskräfte erst am 18. August 2021 geschaffen worden - drei Tage nach der Einnahme Kabuls durch die Taliban. Afghanistan sei in dieser Hinsicht „ein singulärer Vorgang“ gewesen.

Der Zeuge, der heute für die Durchführung des Ortskräfteverfahrens bei der GIZ verantwortlich ist, erklärte auf Nachfrage, der Auftrag seiner Abteilung sei generell und weltweit die Evakuierung des deutschen und internationalen Personals. Bei den Ortskräften sei nur vorgesehen, sie zum Heimatstandort zurückzubringen, sollten sie zum Zeitpunkt einer Krise auf Reisen sein.

Kern der Arbeit des RMO, führte er weiter aus, seien Analysetätigkeiten. Auf dieser Basis würden Sicherheitsrisiken für die Entwicklungsprojekte identifiziert und beobachtet. Dabei habe niemand im RMO Zugang zu eingestuftem Material, unterstrich er mehrmals. Das würde andernfalls aber auch nichts Wesentliches an den Lageeinschätzungen ändern.

Bei der Sicherung der Projekte spielten in Afghanistan die sogenannten Schuras eine große Rolle, sagte der Zeuge. Dort kämen die Dorfältesten zusammen, um zu diskutieren und zu einem Konsens zu kommen. Er habe an vielen solcher Treffen teilgenommen, um die Ziele der deutschen Entwicklungsprojekte zu erklären und darzulegen, wer davon profitieren würde und wer nicht. Kulturelle Kompetenz sei dabei sehr wichtig und eine Stärke des RMO.

Die Treffen seien vor allem für die Sicherheit der GIZ-Mitarbeiter von Bedeutung gewesen, weil die Projekte dadurch Legitimität erhalten hätten. Habe eine Schura die Sicherheit eines Projektes garantiert, seien die Mitarbeiter als Gäste behandelt worden, für deren Unversehrtheit die Dorfältesten sich verantwortlich fühlten. Die Taliban seien nicht Teil dieser Absprachen gewesen. Daher hätten die Dorfältesten immer gewarnt, sollte zum Beispiel eine Reise in das Projektgebiet gefährlich sein. Die Organisationen der zivilen Entwicklungszusammenarbeit seien immer potenzielles Ziel gewesen, hätten jedoch nicht weit oben auf der Liste gestanden, betonte er.

Im zweiten Teil der Sitzung befragt der Untersuchungsausschuss in diesen Stunden den Referatsleiter Zentralasien, Afghanistan und Pakistan des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

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