Beschleunigtes Verfahren für LNG-Terminal vor Rügen
Berlin: (hib/HAU) Ein Verzicht auf die Aufnahme des vor der Küste Rügens geplanten Flüssiggas-Terminals in das LNG-Beschleunigungsgesetz ist aus Sicht des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Stefan Wenzel (Bündnis 90/Die Grünen), nicht möglich. Auf das beschleunigte Verfahren könne nicht verzichtet werden, „wenn man das Ziel hat, im Winter tatsächlich im Ostseeraum auch Gas zur Verfügung stellen zu wollen“, sagte Wenzel während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am Montag.
Einen solchen Verzicht fordert indes Marvin Müller, Gemeindevertretungsmitglied des Ostseebades Binz. In seiner Petition (ID 146339), die knapp 95.000 Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden hat, verweist er auf die Pläne der Bundesregierung und des Unternehmens RWE, direkt vor der Küste Rügens, in direkter Nachbarschaft zum Biosphärenreservat Südost-Rügen das größte Off-Shore LNG-Terminal Europas entstehen zu lassen. Mit der Ausweitung des Geltungsbereiches, der Verlegung einer weiteren über 38 Kilometer langen Pipeline durch den Greifswalder Bodden sowie mit der Errichtung und dem Betrieb der beiden geplanten Off-Shore LNG-Terminals seien erhebliche Störungen und massive Eingriffe in eines der sensibelsten Öko- und Tourismussysteme Europas verbunden, schreibt der Petent. Das Projekt werde eine dauerhafte Beschädigung des Ökosystems und der Lebensgrundlagen der Menschen auf Rügen zur Folge haben, warnt er. „Die Belastungen wären gewaltig und vordringlich gegen die Verpflichtungen von Umwelt- und Naturschutz gerichtet.“
Die Situation vor Ort sei sehr angespannt, sagte Müller während der Sitzung. Durch das Vorgehen der Bundesregierung, bei dem die Menschen vor Ort außer Acht gelassen worden seien, sei sehr viel Porzellan zerschlagen worden. „Wir brauchen mehr Zeit, um gemeinsam zu einer Abwägung zu gelangen“, sagte der Petent. Bei allem, was künftig geplant oder umgesetzt wird, müsse Rügen am Tisch sitzen, forderte er. Die Menschen in Rügen seien offen für die benötigte Transformation. Senke man aber bei Genehmigungsverfahren Fristen ab, „werden auch die Fristen für eine gesellschaftliche Debatte abgesenkt“. Bei der Beschleunigung dürften die Menschen nicht abgehängt werden, sondern müssten mitgenommen werden, betonte Müller.
„Die Frage, ob es diese Terminals für die Energieversorgung tatsächlich braucht, oder es nur um Überkapazitäten geht, bewegt die Menschen auf der Insel“, so der Gemeindevertreter von Binz. Es sei nicht nachvollziehbar, in einer derart sensiblen Region ein derartiges Projekt umzusetzen, „obwohl es keinen Beleg für eine Gasmangellage gibt“.
Allein mit Terminals in Bereich der Nordsee könne die Gas-Versorgung der östlichen Bundesländer nicht gewährleistet werden, sagte Staatssekretär Wenzel. Zu bedenken sei außerdem, dass es noch fünf europäische Länder ohne eigene Häfen gebe, die im Zweifel auch über die Terminals an der Küste versorgt werden könnten. „Wir können über die Leitung sogar den Osten der Ukraine versorgen“, sagte Wenzel. Es gehe darum, die Versorgungssicherheit des Landes sicherzustellen, „und sich nicht erpressbar zu machen“. Gleichzeitig sei es Ziel der Bundesregierung, zu verhindern, das andere europäische Länder von Russland unter Druck gesetzt werden, die teilweise noch erhebliche Mengen Gas aus Russland beziehen.
Überkapazitäten wolle die Bundesregierung nicht, so der Staatssekretär. Man wolle nur die nötige Sicherheit schaffen für Fälle, in denen gezielt Infrastrukturen angegriffen und zerstört würden. „Wir haben daher einen Sicherheitspuffer eingeplant“, sagte Wenzel.
Die Bundesregierung prüfe alle möglichen Alternativen für den Standort der Terminals im Ostseeraum, betonte er. Die Sorgen und Bedenken der Anwohner würden dabei sehr ernst genommen. Nicht mehr vorgeschlagen werde der Standort Sellin.
Skeptisch äußerte er sich zu Off-Shore-Anlagen weit vor der Küste, mit denen es in Europa noch keine Erfahrungen gebe und die daher nicht prioritär betrachtet würden. „Wir wollen am Ende mit der Landesregierung zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen“, sagte der Regierungsvertreter.
Ob das feste Terminal zum Winter bereit sein wird, vermochte Wenzel nicht zu sagen. „Wir hätten uns eine Entscheidung vor Ostern erhofft“, sagte er. Nun komme man in eine „zeitliche Verdrückung“. Aber selbst wenn das Terminal erst im Verlaufe des Winters fertig werde, „würde das sehr helfen“.