10.05.2023 Gesundheit — Anhörung — hib 349/2023

Nachbesserungen an der Pflegereform gefordert

Berlin: (hib/PK) Gesundheitsexperten empfehlen der Bundesregierung deutliche Nachbesserungen an der jüngsten Pflegereform. Kritisiert werden vor allem die als zu gering empfundene Anhebung des Pflegegeldes und der ambulanten Sachleistungen sowie die nicht regelhafte Dynamisierung dieser Leistungen. Die Experten mahnten auch eine grundlegende Systemreform an, um die Pflege nachhaltig finanzieren zu können. Die Sachverständigen äußerten sich in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses zu dem Gesetzentwurf (20/6544) am Mittwoch sowie in schriftlichen Stellungnahmen.

Mit der Pflegereform sollen Pflegebedürftige entlastet und die Einnahmen der sozialen Pflegeversicherung stabilisiert werden. Der Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, Grünen und FDP sieht zum 1. Juli 2023 eine Anhebung des Pflegebeitrags um 0,35 Punkte auf 3,4 Prozent vor. Der Pflegebeitragssatz wird ebenfalls zum 1. Juli 2023 nach der Zahl der Kinder weiter ausdifferenziert.

Das Pflegegeld und die ambulanten Sachleistungen sollen zum 1. Januar 2024 um fünf Prozent angehoben werden. Gestaffelt angehoben werden mit Jahresbeginn 2024 auch die Zuschläge der Pflegekassen an die Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen.

Die Interessenvertretung der pflegenden Angehörigen, „wir pflegen!“, beklagte, etliche wichtige Vorhaben seien nicht berücksichtigt worden, so etwa die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen über Steuern. Pflegebedürftige und Angehörige müssten bei Bedarf die Leistungen auch erhalten können, das sei jedoch nicht der Fall. Die pflegerische Infrastruktur weise gravierende Lücken auf. In der Folge würden gesetzliche Leistungsansprüche nicht in Anspruch genommen werden. Der Interessenverband forderte einen Rechtsanspruch auf Tagespflege.

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft mahnte eine große Systemreform an. Schon heute müssten Familien große Abstriche in der Versorgung hinnehmen, weil die Kosten einer am Bedarf orientierten Versorgung explodierten. Nötig sei die sofortige Dynamisierung der Leistungen.

Nach Ansicht des Sozialverbandes Deutschland bleibt die Vorlage weit hinter den Notwendigkeiten zurück. Trotz der angespannten Situation in der Langzeitpflege beschränke sich der Entwurf auf kurzfristig wirkende Vorschläge. Grundlegende Lösungen zur langfristigen Stabilisierung der pflegerischen Versorgung würden vertagt. Mit der Streichung der ursprünglich geplanten Zusammenführung von Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege zu einem gemeinsamen Jahresbetrag sei eine zentrale Entlastungsregelung entfallen. Diesen Punkt kritisierten in der Anhörung auch diverse weitere Sachverständige.

Der Deutsche Pflegerat (DPR) bemängelte, notwendige Reformen würden nicht angepackt. Damit drohe der Zusammenbruch der Versorgungsstrukturen, da die Akteure ihren Auftrag nicht sicherstellen könnten. Die Anhebung der Beiträge und die geringen Anpassungen der Leistungen seien keine langfristigen Lösungen, um den Herausforderungen in der pflegerischen Versorgung entgegenzutreten.

Die Sachverständige Carola Reimann hob die Stärkung der häuslichen Pflege als zentrale Aufgabe hervor. Mit dem Entwurf würden keine Initiativen ergriffen, mit denen Potenziale zum Erhalt und zur Förderung der Selbstständigkeit und Fähigkeiten der Pflegebedürftigen gestärkt werden könnten, um Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern, kritisierte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. Sie betonte in der Anhörung: „Die Langzeitpflege ist eine der größten gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, die wir haben.“

Der Arbeitgeberverband BDA stellte die Umsetzung der geplanten Beitragsdifferenzierung nach Kindern zum 1. Juli 2023 infrage. Die dazu nötige Erhebung der Daten sei aufwendig, das sei in dem vorgesehenen Zeitraum nicht zu bewältigen. Sinnvoll wäre überdies, für diesen Zweck eine zentrale, digitale Erfassungsstelle einzurichten.

https://www.bundestag.de/ausschuesse/a14_gesundheit/oeffentliche_anhoerungen/945284-945284

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