Tourismus im Aufwind, Branche sorgt aber Fachkräftemangel
Berlin: (hib/HLE) Die deutsche Tourismuswirtschaft sieht ihre Branche nach Überwindung der Corona-Pandemie im Aufwind, muss sich jedoch zahlreichen Herausforderungen stellen. Dazu gehören neben den Auswirkungen des Ukraine-Krieges und anderer Konflikte insbesondere der Arbeitskräftemangel, steigende Kosten durch die Inflation und dadurch sinkende Real-Haushaltseinkommen.
In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Tourismus am Mittwoch unter Leitung der stellvertretenden Vorsitzenden Gülistan Yüksel (SPD) erklärte Norbert Kunz vom Deutschen Tourismusverband, die Rahmenbedingungen für den Neustart des Deutschland-Tourismus seien wegen der Preissteigerungen bei Energie, Mobilität und Nahrungsmitteln als schwierig zu betrachten. Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen habe sich der Deutschland-Tourismus erstaunlich schneller als vielfach erwartet erholen können. Noch nicht erholt hätten sich hingegen die Übernachtungszahlen ausländischer Gäste. Daher sei der Austausch auf der im Koalitionsvertrag vereinbarten Plattform für die Zukunft des Tourismus so wichtig. Auch die Fortschreibung der nationalen Tourismusstrategie sei von großer Bedeutung, um die drängenden Fragen zu diskutieren.
Seit dem Wegfall der coronabedingten Mobilitätsbeschränkungen verzeichne die Reisewirtschaft eine spürbare Erholung, erklärte Dirk Inger vom Deutschen Reiseverband. Der Reiseverband sei optimistisch, dass in diesem Jahr für das Auslandsreisegeschäft wieder die Umsatzzahlen von 2019 erreicht werden könnten. Allerdings liege die Zahl der Reisenden etwa 20 Prozent unter der Zahl von 2019. Die durch Inflation und verteuerte Energie niedrigere Gesamtzahl an Reisenden bereite der Branche Kopfzerbrechen. Man frage sich, ob sich Haushalte mit geringem Einkommen den Sommerurlaub im Familienkreis auch in Zukunft noch leisten könnten. Noch nicht wieder erholt habe sich seit der Pandemie das Segment der Gruppenreisen.
Wie schon Tourismusverband und Reiseverband erklärte auch Markus Luthe vom Hotelverband Deutschland, dass der Mitarbeitermangel die Hotellerie in Atem halte. Die Zahl der Beschäftigten sei aufgrund der Corona-Pandemie 2020 und 2021 massiv eingebrochen. Trotz eines erfolgten Zuwachses verzeichne man in der klassischen Hotellerie immer noch ein Viertel weniger Beschäftigte als 2019. Die Branche habe die Gehälter inzwischen stark angehoben. Luthe berichtete auch von einem Rückgang der Zahl mittelständischer Betriebe. Dagegen steige aber die Zahl der Zimmer.
Von der Politik verlangte der Hotelverband in seiner Stellungnahme eine dauerhafte Geltung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von sieben Prozent auf Speisen und den Verzicht auf die Einführung oder Ausdehnung kommunaler Übernachtungssteuern. Die Weiterentwicklung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes sei ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings würden die neuen Regelungen den Fach- und Arbeitskräftebedarf in der deutschen Hotellerie bei weitem nicht decken können. Auf Probleme durch den Fach- und Arbeitskräftemangel wies unter anderem auch Michael Kater vom Bundesverband der deutschen Incoming-Unternehmen in seiner Stellungnahme hin. Der Fachkräftemangel führe inzwischen sogar zu Qualitätsverlusten. Incoming-Unternehmen kaufen touristische Dienstleistungen im Inland ein, um sie an Unternehmen im Ausland zu verkaufen. Scharf kritisierte der Verband in seiner Stellungnahme die langsame Visa-Erteilung durch deutsche Botschaften im Ausland. Es gebe enorme Probleme bei den Vertretungen in Südafrika, China, Indien, den Golfstaaten, Vietnam, Indonesien und Thailand. In Indien beispielsweise dauere allein die Terminvergabe für die Antragstellung bis zu 16 Wochen. Ein großes Problem sei der Ukraine-Krieg, da in vielen Ländern das Kriegsgeschehen als nah an Deutschland wahrgenommen werde.
Anke Budde von der Allianz selbständiger Reiseunternehmen wies darauf hin, dass nach den ihr vorliegenden Zahlen 60 Prozent der Unternehmen aktiv nach Mitarbeitern suchen würden. Es müsse viel mehr getan werden, um junge Menschen für eine Ausbildung in der Tourismuswirtschaft zu gewinnen. Der Fachkräftemangel wirke sich bereits konkret auf die Geschäftstätigkeit aus. Sie wies auch darauf hin, dass Reiseveranstalter immer wieder immense Zusatzkosten in Kauf nehmen müssten, weil sie für Ausfälle von Fluggesellschaften oder der Bahn in Haftung genommen würden. Die angekündigten Streiks bei der Bahn seien ein Riesenproblem. Es gebe zudem Probleme an Flughäfen mit Verzögerungen bei der Abfertigung. Es bestehe erheblicher Handlungsbedarf.
Manfred Häupl vom „forum anders reisen“ sprach sich für die Einbindung von Klimathemen in den Tourismus aus. So mache es keinen Sinn, für drei Tage nach Dubai zu reisen. Er sprach sich außerdem für eine zweckgebundene Klimaabgabe aus, die speziell für Klimaschutzzwecke, etwa die Entwicklung neuer Kraftstoffe, eingesetzt werden sollte. Innerhalb Deutschlands und Europas müsse die Verkehrswende durch einen konsequenten Ausbau und die Stärkung des emissionsarmen öffentlichen Nah- und Fernverkehrs mit einem Mix aus Bus und Bahn vorangetrieben werden. Die Akzeptanz für die Bahn sei stark gestiegen. Allerdings müsse es mehr durchgehende Verbindungen in Europa geben. Dafür müssten unter anderem mehr Nachtzug-Verbindungen und einfachere Buchungsmöglichkeiten geschaffen werden.