14.06.2023 Tourismus — Anhörung — hib 442/2023

Probleme und Chancen des Wassertourismus

Berlin: (hib/EMU) Bei einer öffentlichen Anhörung des Tourismusausschusses zum Thema Wassertourismus äußerten sich acht Sachverständige zu Perspektiven und Problemen der Branche. Schwerpunkte der Anhörung waren unter anderem der Zustand der Schleusen, die Förderung von Elektromobilität, die Infrastruktur rund um den Wassertourismus und Nachhaltigkeitsaspekte. Alle Sachverständigen wurden im Einvernehmen aller Fraktionen vorgeschlagen und eingeladen.

Mit der Reform des Bundeswasserstraßengesetzes sei bereits eine gute Grundlage geschaffen worden, um den Betrieb der Wasserstraßen aufrechtzuerhalten, sagte Norbert Kunz, Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbands. Doch es gebe weiterhin einen Investitionsstau bei der Modernisierung der Schleusen. „Aus unserer Sicht ist da so gut wie gar nichts passiert“, sagte Kunz bei der Anhörung. Es mangele an der Umsetzung durch das Verkehrsministerium, befand er und forderte einen eigenständigen Haushaltstitel für Freizeitwasserstraßen.

Auch Karsten Stahlhut, Geschäftsführer des Bundesverbandes Wassersportwirtschaft, kritisierte den schlechten Zustand der Schleusen, die für den Wassersport und den Wassertourismus jedoch elementar seien: „Die Wasserstraßeninfrastruktur ist sehr veraltet, eine Schleuse ist heute durchschnittlich weit über 100 Jahre alt“, so Stahlhut. Deren Modernisierung sei eines der dringendsten Anliegen, denn wenn eine Schleuse ausfällt, sei gleich eine ganze Region abgeschnitten, so der Sachverständige.

Deutschland sei ein „wassertouristisches Transitland“, sagte Heiner Haass, Inhaber eines Sachverständigenbüros für bauliche Anlagen der Sportschifffahrt und Sportboote. Es sei nicht die klassische Zieldestination im Wassersport, deshalb müsse man sich stärker darauf konzentrieren, die Infrastruktur für Urlauber besser darauf auszurichten, die nur für einen Zwischenstopp anlanden wollten. Hierfür eignen sich nach seiner Ansicht Städte am besten. Anlegestellen in der Stadt seien in diesen Fällen besonders attraktiv, da man von dort viele Anliegen wie Einkäufe zu Fuß erledigen könne.

Eine große Konkurrenz für den Wassertourismus in Deutschland sieht Harald Kuhnle, Gründer und Inhaber von Kuhnle-Tours, insbesondere in Frankreich und den Niederlanden. Je nachdem, wo man in Deutschland wohne, sei das Elsass oder Friesland schneller zu erreichen als die deutschen Wassersportgebiete, sagte der Sachverständige.

Für mehr Digitalisierung sprach sich Steffen Häbich, Bereichsleitung Special Interest im Ressort Tourismus des ADAC, aus. Insbesondere beim Schleusen biete sich eine Automatisierung an, so Häbich. „Dafür brauchen wir aber auch einen ausreichenden Breitbandausbau, denn die Leitstelle muss die Daten auch verarbeiten können“, sagte der Fachmann. Eine bessere digitale Erfassung brauche es zudem bei der Zulassung von Führerscheinen und Booten, letzteres könne auch dabei helfen, ausgediente Boote besser weiter zu verwerten. Für eine Verbesserung der Ladeinfrastruktur für Boote mit Elektroantrieb setzte sich Julia Pollock, Leiterin des Projektbüros „WIN - Wasserinitiative Nordbrandenburg“ ein. Diese sei Voraussetzung für einen Zuwachs der Elektromobilität auf dem Wasser. „Wir haben entsprechende Nutzerzahlen und Nachfragen, wir wollen den Ausbau der Infrastruktur deshalb unbedingt voranbringen“, sagte Pollock in der Anhörung.

Urlauberinnen und Urlauber auf dem Fluss schätzten oft besonders die Nachhaltigkeitsaspekte der Reise, sagte Frauke de Vere Bennett von Flusslandschaft Reisen. „Viele wollen das Ökosystem besser verstehen und sehen das Erleben der Natur als Teil der Urlaubserfahrung“, so de Vere Bennett. Um den Menschen die Bedeutung der Ökosystemleistung der Flüsse noch besser vermitteln zu können, bräuchte es aus ihrer Sicht eine bessere Weiterbildung der Guides, die die Besucherinnen und Besucher an den Flüssen schulen.

Auch Manfred Wohnrade, Vorsitzender des Wassertourismus in Schleswig-Holstein, sprach sich für mehr Naturschutz aus. Allerdings dürfe dies nicht auf Kosten der Wassersportler gehen. Diese seien in der Regel sehr bedacht darauf, die natürliche Grundlage ihres Hobbys zu erhalten. „Wir sind nicht gegen den Schutz der Ostsee, aber nicht, indem man einen Nationalpark schafft, der zu mehr Auflagen führt. Damit löst man die Probleme nicht“, sagte Wohnrade.

Die Stellungnahmen der Sachverständigen sowie weitere Informationen zur Anhörung: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw24-pa-tourismus-wassertourismus-951606

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