04.10.2023 Inneres und Heimat — Antwort — hib 712/2023

Regierung: Jenische sind keine nationale Minderheit

Berlin: (hib/STO) Die Jenischen erfüllen laut Bundesregierung nicht die Voraussetzung für die Anerkennung als nationale Minderheit in Deutschland. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/8544) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (20/8307) darlegt, gelten die in der Denkschrift der Bundesregierung zum Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten (13/6912) aufgeführten Kriterien als Voraussetzung für eine solche Anerkennung. Während die Volksgruppen der Friesen und der Sinti und Roma diese objektiven Kriterien erfüllten, treffe dies auf die Jenischen nach den bisherigen Erkenntnissen der Bundesregierung nicht zu.

Zugleich bejaht die Bundesregierung die Frage, ob sie der Einschätzung des ehemaligen Minderheitenbeauftragten Bernd Fabricius aus dem Jahr 2019 zustimmt, dass die Jenischen keine nationale Minderheit in Deutschland seien, weil sie die dafür zugrunde zu legenden Kriterien nicht in Gänze erfüllen. Es lägen keine neuen Erkenntnisse darüber vor, dass sich die Jenischen „vom Mehrheitsvolk in Deutschland durch eine eigene Sprache, Kultur und Geschichte, also eigene Identität, unterscheiden und damit eine wesentliche Voraussetzung für die Anerkennung als nationale Minderheit in Deutschland erfüllen“.

In der Kleinen Anfrage schrieb die Fraktion Die Linke (20/8307), Jenische lebten seit Jahrhunderten in Deutschland wie auch in anderen Staaten Mitteleuropas. Über Herkunft, Sprache und Kultur des jenischen Volkes bestünden indes noch große Forschungsdefizite. Nach ihrem Selbstverständnis seien die Jenischen ursprünglich ein reisendes Volk von Handwerkern und Händlern.

Gegenwärtig lebten laut Selbstangabe rund 250.000 Bürger jenischer Abstammung in Deutschland, führt die Fraktion ferner aus. Anders als in der Schweiz stehe in Deutschland die Anerkennung der Jenischen als nationale Minderheit nach dem Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten bislang noch aus. Ebenso wenig werde das Jenische in Deutschland bisher nach der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen als Minderheitensprache geschützt.

Der Bundesregierung zufolge müssen geschützte Sprachen im Sinne der genannten Charta eine gewisse Eigenständigkeit aufweisen. Nach dem derzeitigen Stand der sprachwissenschaftlichen Einordnung sei diese Zuschreibung beim Jenischen zweifelhaft, führt die Bundesregierung weiter aus.

Der von den Wissenschaftlichen Diensten des Bundestages am 27. März 2023 vorgelegte Sachstand zur sprachwissenschaftlichen Erforschung des Jenischen liefere kein eindeutiges Ergebnis hinsichtlich der Einordnung des Jenischen als eigenständige Sprache, heißt es in der Antwort ferner. Während eine zitierte Sprachwissenschaftlerin dafür plädiere, das Jenische mit Blick auf den Sprachgebrauch im Alltag und in der Familie als eigene Sprache zu betrachten, würden zwei weitere Sprachforscher angeführt, die das Jenische in Publikationen nach linguistischen und historischen Kriterien als Soziolekt beziehungsweise Sondersprache oder auch Sonderwortschatz einordnen.

Marginalspalte