05.10.2023 Bundestagsnachrichten — Unterrichtung — hib 714/2023

Schneider: Innere Einheit bleibt eine dauerhafte Aufgabe

Berlin: (hib/VOM) „An gemeinsamen Herausforderungen wachsen“ hat Staatsminister Carsten Schneider (SPD), Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, seinen Bericht zum Stand der Deutschen Einheit 2023 überschrieben, der dem Bundestag als Unterrichtung (20/8600) vorliegt. Im Vorwort schreibt Schneider, auch 33 Jahre nach der Wiedervereinigung seien die Spuren der Teilung noch sichtbar. Obwohl strukturelle Differenzen zwischen Ost- und Westdeutschland abgebaut worden und teilweise verschwunden seien, bewerteten viele Ost- und Westdeutsche die Lage des Landes unterschiedlich. Dies zeigten immer wieder aufflammende Debatten um den Osten und seinen Platz im vereinten Deutschland.

Nach Darstellung des Ostbeauftragten kann es für die innere Einheit Deutschlands keinen definierten Schlusspunkt geben. Die innere Einheit sei vielmehr ein kontinuierlicher Prozess der gegenseitigen Verständigung und bleibe deshalb eine dauerhafte Aufgabe. Schneider hebt hervor, dass die Rentenwerte in Ost und West zum 1. Juli 2023 vollständig angeglichen worden seien. Damit sei ein wichtiger Schritt zur Angleichung der Lebensbedingungen der Menschen im vereinten Deutschland vollzogen worden.

Einen weiteren wichtigen Fortschritt sieht Schneider in der Überführung der Stasi-Unterlagen ins Bundesarchiv. Die Aufarbeitung von Diktatur und Geheimpolizei könnten dadurch noch deutlicher als „Teil einer gesamtdeutschen Geschichte“ wahrgenommen werden. Sonderprogramme für die neuen Länder seien inzwischen unter dem Dach des Gesamtdeutschen Fördersystems für strukturschwache Regionen (GFS) zusammengeführt worden.

Wie Schneider ausführt, geht es in seinem Bericht nicht nur um den Zustand der Infrastruktur und der Lebensbedingungen, sondern auch um deren Wahrnehmung und Bewertung. Strukturelle Unterschiede zwischen ost- oder westdeutschen Regionen, etwa zwischen Großstädten und ihren Speckgürteln oder ländlichen Regionen, hätten heute eine hohe Relevanz für die Wahrnehmungen und Einstellungen der Menschen. Zum Teil seien diese Prägungen größer als die unterschiedlichen Erfahrungen in Ost und West aus der Vergangenheit. Ein höherer Anteil von Menschen im ländlichen Ostdeutschland sei von einer stagnierenden oder schrumpfenden Bevölkerung, von anderen Familienstrukturen und von einer geringeren Ausstattung mit Einrichtungen und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge geprägt.

Herausforderungen, Bedingungen und Bedürfnisse sind dem Bericht zufolge im ländlichen Osten den ländlichen Räumen im Westen oftmals näher als den ostdeutschen Ballungsräumen. Regional unterschiedliche Herausforderungen ergäben sich in Ost wie West aus der Gleichzeitigkeit und dem Nebeneinander von Wachstums- und Schrumpfungsprozessen der Bevölkerung, Siedlungen, Unternehmen und Infrastrukturen. Daher müssten „passgenaue Instrumente“ gefunden werden, um das Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu erreichen. Auch bei der Kommunikation von Politik ist laut Schneider eine Differenzierung erforderlich, die mentale Unterschiede, historische Prägungen und neuere Entwicklungen berücksichtigt.

Schneider betont, regionale Unterschiede dürften nicht dauerhaft der Entwicklung gleichwertiger Lebensverhältnisse entgegenstehen. Die Bundesregierung halte am Ziel gleichwertiger - nicht gleicher - Lebensverhältnisse in den Regionen, in Städten und den ländlichen Räumen fest. Die negativen Folgen objektiver und wahrgenommener Ungleichheit könnten aber in allen Regionen Deutschlands virulent werden, heißt es in dem Bericht weiter. Daher sei ein engagiertes Handeln von Bundes- und Landesregierungen sowie von zivilgesellschaftlichen Akteuren erforderlich. Zugleich ergäben sich in den besonders betroffenen Regionen Chancen und Raum für innovative Lösungsansätze, von denen auf lange Sicht das ganze Land profitieren könne.

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