18.10.2023 Digitales — Anhörung — hib 782/2023

Experten: Nachschärfen bei internationaler Digitalstrategie

Berlin: (hib/LBR) Bis Ende des Jahres möchte die Bundesregierung nach einer Reihe nationaler digitalpolitischer Strategien auch eine internationale Digitalstrategie fertig stellen. Mit diesem Vorhaben hat sich der Digitalausschuss des Bundestages am Mittwochnachmittag in einer öffentlichen Anhörung befasst. Dabei kam die Mehrheit der geladenen Experten zu dem Schluss, dass die Strategie noch geschärft und die Prioritäten klarer formuliert werden müssen.

Als Vertreterin der digitalen Zivilgesellschaft sprach Geraldine de Bastion vom Global Innovation Gathering. Sie betonte die Notwendigkeit einer ressortübergreifenden Strategie. „Große Herausforderungen“ seien der geopolitische Wettstreit zwischen den USA und China und die zunehmende Machtkonzentration bei Tech-Konzernen. Nötig sei, strategische Allianzen für eine demokratische und offene Weiterentwicklung des Internets zu schaffen. „Die Leitgedanken sollten Kollaboration, Offenheit und Nachhaltigkeit sein“, sagte de Bastion weiter - dabei müssten die gleichen Werte im Inland wie im Ausland gelten. Auch brauche es klare Ziele, Ressourcen und Zeitpläne, etwa flexible Fonds. „Die Einrichtung des Sovereign Tech Funds ist ein guter Schritt, aber es braucht noch mehr“, sagte sie.

Klaus-Heiner Röhl vom Institut der deutschen Wirtschaft betonte, dass die verschiedenen nationalen Strategien in die Strategie für die internationale Digitalpolitik einbezogen werden müssten. Zudem müsse die EU-Regulierung immer mitgedacht werden. Auch Röhl betonte, dass sich „geopolitische Gewichte verschoben“ hätten. Deutschland sei kein „führendes Land in der Digitalpolitik“ und müsse sich rechtzeitig Partner über die Europäische Union hinaus suchen. Gleichzeitig müsse mitbedacht werden, dass das Thema kein Spielfeld der drei großen Player China, USA und EU sei.

Auch Christoph Tovar von Bitkom meinte, dass die Strategie mit den richtigen Inhalten zu einem „Kooperationsangebot“ an künftige Partner werden könne - dazu gehöre, dass diese direkt auch auf Englisch publiziert werde. Nötig sei, KMU in den internationalen Gremien der Standardisierung und Normung finanziell zu unterstützen, sagte Tovar. Der Sachverständige kritisierte unter anderem, die Bundesregierung bringe sich aktuell häufig zu spät und ohne klar erkennbare Linie in europäische Debatten ein.

Drei Punkte seien für die Formulierung der Strategie zentral, sagte Julia Pohle (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung). Erstens müsse diese klar formulieren, was der Zweck sei, also etwa nach innen Handlungsfähigkeit und nach außen Gestaltungsmacht. Wichtig sei, eine klare Positionierung - auch im Verhältnis zu China und den USA - zu kommunizieren, dazu welche Regulierungsansätze und welchen Governance-Ansatz Deutschland aktuell vertrete. Damit einher gehe, bewusst Akzente zu setzen und europäische Stärken stärker einzubringen, wenn das Ziel die Gestaltung der internationalen Digitalpolitik im Sinne unserer Werte und Interessen sei.

Aktuell ließen sich die drei Entwicklungen Fragmentierung, Polarisierung und Hybridisierung beobachten, betonte Roxana Radu von der University of Oxford. Deutschland könne aufgrund seiner an Menschenrechten ausgerichteten Rechtstradition eine Vision des Internets als „globales öffentliches Gut“ und eine Agenda für digitale Rechte vorantreiben, sagte die Sachverständige. Sie sprach sich dafür aus, kurz- und langfristige Prioritäten für die Mitwirkung an internationalen Prozessen festzulegen und Silo-Effekte in internationalen Diskussionen zu reduzieren.

Julian Ringhof sprach als Experte für den European Council on Foreign Relations. Er nannte unter anderem den Ausbau bilateraler und multilateraler Kooperationen für menschenzentrierte digitale Gesetzgebung, die Sicherung des Zugangs zu kritischen digitalen Technologien und den Ausbau der digitalen Entwicklungszusammenarbeit als prioritäre Punkte.

Berhan Taye (unabhängige Forscherin und Analystin) betonte, die Strategie müsste holistisch sein, um ein faires digitales Ökosystem zu schaffen. Arbeitsbedingungen seien momentan oftmals dergestalt, dass Missstände nicht angesprochen werden könnten. Gerade Tech-Unternehmen seien eine Art „neue Sklavenhalter“ geworden, so Taye. Diese Themen, rund um sozioökonomische Rechte, müsse die deutsche Digitalpolitik adressieren. Es gebe in Deutschland bereits gute Beispiele für die Regulierung sagte sie mit Blick auf die Gig-Economy und Unternehmen wie Uber. Diese Erfahrungen müssten stärker mit anderen geteilt werden.

Daniel Voelsen von der Stiftung Wissenschaft und Politik nannte als einen Themenkomplex, der besondere Aufmerksamkeit verdiene, die „Verteidigung noch bestehender Freiheitsräume“ in der globalen digitalen Ordnung. Auch wenn es aktuell darum gehe, eine weitere Umgestaltung im Sinne autoritärer Ordnungsmodelle zu verhindern, müsse sich die deutsche Politik weiter dafür einsetzen, für diese Ziele zu werben. Dies umfasse auch eine klare Positionierung zur Bedeutung offener Standards, sagte Voelsen.

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