06.11.2023 Inneres und Heimat — Anhörung — hib 811/2023

Georgien und Moldau auf dem Asyl-Prüfstand

Berlin: (hib/FLA) Große Zustimmung insbesondere von der kommunalen Seite, ansonsten durchaus auch Skepsis und Ablehnung: Diese Bandbreite zeigte sich bei einer öffentlichen Experten-Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einstufung Georgiens und der Republik Moldau als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten (20/8629). Zudem ging es um einen Gesetzentwurf (20/7251) und einen Entschließungsantrag (20/8785) der CDU/CSU-Fraktion.

Andreas Dietz, Verwaltungsgericht Augsburg, begrüßte Zielsetzung und Umsetzung des Gesetzentwurfs. Die Einstufung setze ein Signal an Menschen aus jenen Herkunftsstaaten, dass das Asylverfahren für sie nur in wenigen Fällen in einen längeren asylverfahrensabhängigen Aufenthalt oder gar in einen Daueraufenthalt in Deutschland münde. Er sprach von einem Baustein für eine Verringerung der Zahl aussichtsloser Asylverfahren. Bei der Einstufung handle es sich um eine rechtliche Vermutung, die im Einzelfall widerlegt werden könne.

Patrick Dörr, Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands, verwies auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1996. Danach spreche gegen die Einstufung eines Staates als sicheres Herkunftsland, wenn eine soziale Gruppe wie LSBTIQ* nicht vor politischer Verfolgung sicher sei. Weder Ghana noch Senegal, die sich bereits auf der Liste sicherer Herkunftsstaaten befänden, noch die im Gesetzentwurf neu aufgeführten Länder Georgien und Moldau und erst recht nicht die „LSBTIQ*-Verfolgerstaaten“ Marokko, Algerien und Tunesien erfüllten diese Voraussetzungen.

Kay Hailbronner, Universität Konstanz, machte klar, dass das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten der Reduzierung des Asylrechts auf tatsächlich Schutzbedürftige diene. Dies liege im wohlverstandenen Interesse von denjenigen Asylbewerbern, die Anspruch auf Schutz haben, wie auch im öffentlichen Interesse an der sinnvollen Nutzung beschränkter administrativer und finanzieller Ressourcen. Eine Beschleunigung des Asylverfahrens im Inland löse das Problem der Rückführung noch nicht.

Karl Jüsten, Kommissariat der Deutschen Bischöfe, Katholisches Büro, brachte auch im Namen des Rates der Evangelischen Kirche die Skepsis gegenüber dem Konzept der sicheren Herkunftsstaaten zum Ausdruck. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) stelle fest, dass jeder Mensch das Recht habe, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen. Dies setze voraus, dass jeder Asylantrag unvoreingenommen und gründlich geprüft werde. So müsse berücksichtigt werden, dass etwa in Moldau die Roma erheblich diskriminiert würden. Er appelliere ausdrücklich dafür, beide Länder nicht als sichere Herkunftsstaaten einzustufen.

Gerald Knaus, European Stability Initiative (ESI), warf einen Blick auf die österreichische Praxis und kam zu dem Schluss: Wenn Deutschland die Zahl der Asylanträge aus den beiden Ländern reduziere, die aussichtslos sind, gewännen die Schutzsuchenden, gewänne Deutschland und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Miriam Marnich, Deutscher Städte- und Gemeindebund, strich heraus, dass es dringend erforderlich sei, die Fluchtmigration entschieden auf die tatsächlich Schutzbedürftigen zu begrenzen. Sie begrüßte demzufolge die im Wesentlichen inhaltsgleichen Gesetzentwürfe - und ausdrücklich auch den Entschließungsantrag, in dem gefordert wird, auch Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten zu bestimmen. Akzeptanz und positive Grundhaltung der Bevölkerung drohten zu kippen. Es sei notwendig, die Zahl der Menschen, die aus wirtschaftlichen und damit asylfremden Gründen nach Deutschland kämen, durch die Ausweisung sicherer Herkunftsländer zu begrenzen.

Klaus Ritgen, Deutscher Landkreistag, ergänzte, das Konzept sicherer Herkunftsstaaten müsse ausgeweitet werden. So bereite im Moment der Blick auf die Türkei große Sorgen. Sie sei in diesem Monat Hauptherkunftsland und habe Syrien und Afghanistan überholt.

Daniela Schneckenburger, Deutscher Städtetag, unterstützte die nahezu identischen Gesetzentwürfe. Sie erklärte, es sei von immenser Bedeutung, dass die Rückführung von ausreisepflichtigen Asylsuchenden ohne Bleibeperspektive seitens des Bundes konsequent unterstützt werde. Rückführungsabkommen mit Herkunftsländern müssten dringend ausgeweitet werden, um eine beschleunigte und geordnete Rückführung zu ermöglichen

Robert Seegmüller, Richter am Bundesverwaltungsgericht und Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin, vertrat die Auffassung, das Ziel der beiden Gesetzentwürfe, eine zügigere Bearbeitung und Entscheidung von Schutzgesuchen von Staatsangehörigen Georgiens und der Republik Moldau zu ermöglichen und eine schnellere Rückkehr von Personen zu erreichen, deren Schutzgesuche abgelehnt wurden, erscheine durch die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten erreichbar. Zum selben Befund kam er bezüglich der im Entschließungsantrag genannten Staaten Algerien, Marokko und Tunesien.

Hans-Eckhard Sommer, Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, befand, die Voraussetzungen für die Bestimmung Georgiens zum sicheren Herkunftsland seien erfüllt. Durch freiheitliche und demokratische Strukturen habe Georgien die Grundlage für einen überparteilichen und leistungsfähigen Staatsapparat geschaffen, der rechtsstaatlich handle und staatlichen Schutz gegen die Verletzung von Freiheits- und Menschenrechten gewährleiste. Auch die Republik Moldau erfülle die Voraussetzungen. Trotz der wirtschaftlich angespannten Lage habe sich Moldau zu einem freiheitlichen und demokratischen Staat entwickelt, der von rechtsstaatlichem Handeln geprägt sei. Einschränkungen bezogen auf den Schutz von Frauen und Kindern sowie sexuellen Minderheiten berücksichtige die Entscheidungspraxis des Bundesamtes. Sie spiegelten sich aber nicht in einer hohen Verfahrenszahl wider.

Für Christoph Tometten, Deutscher Anwaltverein, begegnet die Bestimmung Georgiens und Moldaus zu sicheren Herkunftsstaaten durchgreifende verfassungs- und unionsrechtlichen Bedenken. Von dem Gesetzgebungsverfahren solle Abstand genommen werden. Die menschenrechtliche Situation in beiden Staaten entspreche nicht den Vorgaben des Grundgesetzes und der Asylverfahrensrichtlinie.

Thomas Volk, Konrad-Adenauer-Stiftung, bezog sich auf den Entschließungsantrag. In Marokko, Algerien und Tunesien könne nicht von systematischer Verfolgung im Sinne von Flucht und Vertreibung auslösenden Bewegungen gesprochen werden. Die meisten Menschen aus den Maghreb-Staaten seien Wirtschaftsmigranten, wie Umfragen zeigten.

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