08.11.2023 Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung — Ausschuss — hib 826/2023

„Das ist keine Bitte, das ist ein Hilfeschrei“

Berlin: (hib/JOH) Kurz vor Beginn der UN-Klimaverhandlungen (COP28) im Dezember in Dubai haben Vertreterinnen von Nichtregierungsorganisationen im Entwicklungsausschuss die Dringlichkeit der Implementierung des im vergangenen Jahr beschlossenen Fonds für Verluste und Schäden durch den Klimawandel („Loss and Damage-Fund“) angemahnt. Länder wie Libyen oder Pakistan, die sehr stark von Klimaschäden betroffen seien, dürften nicht zurückgelassen werden, mahnte Lina Ahmed, Referentin für den Umgang mit Klimaschäden und -verlusten bei Germanwatch in der öffentlichen Sitzung am Donnerstag. Die Verursacher des Klimawandels müssten für die Schäden zahlen. Den Finanzierungsbedarf der Entwicklungsländer bezifferte sie auf 500 bis 800 Milliarden US-Dollar.

Hamira Kobusingye von der Organisation „Climate Justice Africa“ in Uganda nannte den Fonds einen „Rettungsanker“ und einen „Hoffnungsschimmer angesichts einer Klimakrise, die wir nicht verursacht haben, aber unter der wir leiden“. Kobusingye zufolge gehen die Verluste und Schäden weit über das Wirtschaftliche hinaus: Wenn Gemeinschaften gezwungen seien, ihr angestammtes Land aufzugeben, würden sie ihre Lebensweise, ihre Kultur, ihre Verbindungen zum Land und ihre Fähigkeit zur Selbstversorgung verlieren. Sie bat die Weltgemeinschaft eindringlich, die Schwere des Problems für die Entwicklungsländer anzuerkennen. Der Loss and Damage-Fund sei keine Bitte, „sondern ein verzweifelter Hilfeschrei“.

Nachdem es lange keine Einigung über Ausgestaltung und Finanzierung des Fonds gab, hatten sich die Delegationen vor wenigen Tagen bei den Vorverhandlungen für die Weltklimakonferenz auf eine Grundstruktur verständigt. Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth bezeichnete dies im Ausschuss als wichtigen Durchbruch, auch wenn noch viele Dinge zu regeln seien. So sollten nun nicht nur die Industrienationen in den Fonds einzahlen, sondern auch Länder wie die Golfstaaten oder China, das mittlerweile ein erheblicher Verursacher des Klimawandels sei. Der Fonds werde am Ende nur Erfolg haben, „wenn wir die, die zum Problem beigetragen haben, in die Pflicht nehmen“, betonte Flachsbarth. Auch sei vereinbart worden, dass das Finanzinstrument zunächst für vier Jahre bei der Weltbank angesiedelt werden soll. Auch dafür hatte sich die Bundesregierung eingesetzt.

Die Entwicklungsländer halten die Weltbank hingegen aus mehreren Gründen für ungeeignet, wie auch Hamira Kobusingye im Ausschuss erklärte. Würde die Weltbank den Fonds verwalten, könne dies zu bürokratischen Verzögerungen führen und an den Bedürfnissen der Ländern vorbeigehen, mahnte sie und verwies darauf, dass die Weltbank gerade ihre Mittel in Uganda gekürzt habe. Sie schlug vor, den Fonds stattdessen auf direkte finanzielle Zusagen der Industrieländer zu stützen, „mit klaren Verpflichtungen für jährliche Beiträge“. Außerdem brauche es eine unabhängige, dritte Instanz, die eine konstante und vorhersehbare Finanzierung gewährleiste.

Lina Ahmed erklärte, der Fonds sollte nach den Prinzipien der Klimarahmenkonvention und des Pariser Klimaabkommens arbeiten, was unter anderem bedeute, dass Industrie- und Entwicklungsländer gleichberechtigt Entscheidungen treffen müssten. Auch sollte der Fonds die betroffenen Länder direkt unterstützen können. Weil die Weltbank diese Kriterien nicht erfülle, müsse der Fonds eigenständig und unabhängig aufgesetzt werden.

Von Abgeordneten auf die Kritik von Entwicklungsländern angesprochen, wonach bei der Weltbank eine Verwaltungsgebühr von 17 Prozent pro Jahr anfalle, sagte eine Mitarbeiterin des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), diese Zahl sei falsch, der Anteil liege bei fünf Prozent. Außerdem hätten sich die Delegationen darauf verständigt, dass die Einhaltung der Zusagen durch die Weltbank in einem vierstufigen Prozess überprüft und anschließend evaluiert werden soll.

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