Kein einhelliges Ja zum Polizeibeauftragten
Berlin: (hib/STO) Unterschiedliche Bewertungen haben Sachverständige zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP „über die Polizeibeauftragte oder den Polizeibeauftragten des Bundes beim Deutschen Bundestag“ (20/9148) in einer Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat abgegeben.
Hartmut Aden, Hochschule für Wirtschaft und Recht, sagte, in der internationalen Fachdiskussion würden von der Polizei unabhängige, aber als staatliche Stellen konzipierte Beschwerdeeinrichtungen heute als ein wichtiger Ansatz zur weiteren Professionalisierung der Polizeiarbeit in Rechtsstaaten gelten. Solche Einrichtungen seien für viele öffentliche Tätigkeitsbereiche üblich - etwa Rechnungshöfe, Datenschutzbeauftragte, Gremien der Nachrichtendienstkontrolle und manche Antidiskriminierungsstellen. Der Gesetzentwurf enthalte gute Ansätze. Es gebe aber auch erhebliches Verbesserungspotenzial. So müsse der Zoll mit einbezogen werden,
Alexander Bosch, Hochschule für Wirtschaft und Recht, meinte, die Einrichtung einer oder eines Polizeibeauftragten des Bundes sei zu begrüßen, weil menschenrechtliche Anforderungen umgesetzt würden. Rechtsstaat und Demokratie würden deutlich gestärkt. Essentiell sei, dass die Institution für Öffentlichkeit und Polizeimitarbeiter sichtbar und erreichbar sei. Dazu gehörten eine gute und mehrsprachige Internetpräsenz sowie ein aktives Profil in den zentralen sozialen Medien.
Für Jonas Botta, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung, weist der Gesetzentwurf noch Lücken auf, die es im Sinne eines effektiven Menschenrechts- und Demokratieschutzes zu schließen gelte. Er kritisierte, dass im Gesetzentwurf das Eingaberecht für Bürger im Vergleich zu Polizeibeschäftigten eingeschränkt werde. Die unabhängige Amtsausübung des Bundespolizeibeauftragten gegenüber der Staatsanwaltschaft müsse gestärkt werden.
Stefanie Grünewald, Akademie der Polizei Hamburg, strich heraus, es bestehe keine rechtliche Notwendigkeit zur Schaffung eines Polizeibeauftragten des Bundes beim Bundestag. Sie könne aber politisch gewünscht sein. Dann müsse sie grundgesetzlich verankert werden. Im konkreten Stellendesign solle insbesondere der konfrontative Charakter des Gesetzentwurfs abgemildert und zugunsten eines vermittelnden und partnerschaftlichen Ansatzes korrigiert werden.
Alexander Oerke, Bürger- und Polizeibeauftragter des Landes Berlin, unterstrich, die parlamentarisch gewählten Polizeibeauftragten im Bund und in den Ländern benötigten ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß der Strafprozessordnung. Auch müsse das Recht auf Akteneinsicht in der Strafprozessordnung klargestellt werden. Dazu sei dem Gesetzentwurf nichts zu entnehmen.
Dirk Peglow, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, legte dar, dass seine Organisation sich seit Jahren für die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen, also Polizeibeauftragte, in den Ländern und im Bund einsetze. Fehler- und Führungskultur sei ein hohes Gut. Eine positive Begleitung durch eine oder einen Polizeibeauftragten sei möglich. Polizeiliche Arbeit müsse transparent sein und gegebenenfalls im parlamentarischen Raum auch ohne Untersuchungsausschuss erörtert werden können.
Alexander Poitz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, beklagte ein seit Jahren latentes Misstrauen gegenüber der Polizei aus dem politischen Raum. In der Bevölkerung hätten laut mehreren Umfragen mehr als 80 Prozent Vertrauen in die Polizei. Für das vorgesehene Gesetz gebe es grundsätzlich keinen Anlass. Bürgerinnen und Bürger sowie Polizeibeschäftigte hätten durch die bereits vorhandenen und etablierten Strukturen die Möglichkeit der Beschwerde. In der verfassungsmäßigen Ordnung seien die Instrumente des öffentlichen Petitions-, Straf-, Dienst- und Disziplinarrechts vollkommen ausreichend, um widerrechtliches Handeln von Polizeibeschäftigten zu entdecken, zu ermitteln und gegebenenfalls zu sanktionieren.
Heiko Teggatz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, meinte, der Gesetzentwurf strotze nur so von Misstrauen und sei ein fatales Signal an seine Kollegen mit entsprechendem Einfluss auf ihre Motivation. Er lenkte indes den Blick auf die bereits vorhandenen Reaktions- und Interventionsmöglichkeiten. Für den Bereich der Strafverfolgung seien dies die Staatsanwaltschaften und Gerichte. Es sei kaum vorstellbar, dass die Unabhängigkeit der Justiz noch durch eine Institution übertreffbar sei, die durch das Parlament mehrheitlich gewählt werden solle.
Markus Thiel, Deutsche Hochschule der Polizei, befand, effektive und menschenrechtskonforme Beschwerdemöglichkeiten gebe es in Deutschland. Die Rechtsordnung stelle umfangreiche Instrumente zur Verfügung für eine Kontrolle individuellen Fehlverhaltens und problematischer aktueller Entwicklungen. Die Einrichtung eines oder einer Polizeibeauftragten des Bundes beim Bundestag sei in der vorgeschlagenen Ausgestaltung eine nicht gebotene oder erforderliche Maßnahme, hinsichtlich derer vor allem dem Kosten-Nutzen-Verhältnis besondere Beachtung zu schenken sei. Sie müsse sich durch rechtliche Vorgaben als geboten oder jedenfalls zum Schutz wesentlicher Rechtspositionen als erforderlich erweisen. Dies sei mit Blick auf den Gesetzentwurf nicht der Fall.
Lea Voigt, Rechtsanwältin und Mitglied des Ausschusses Gefahrenabwehrrecht des DAV, vertrat die Auffassung, die Einrichtung der im Gesetzentwurf beschriebenen Stelle sei überfällig. Stellung und Befugnisse der Polizeibehörden erforderten eine effektive Kontrolle ihrer Arbeit nicht nur im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht, sondern auch durch unabhängige Stellen. Der oder die Polizeibeauftragte könne dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Darin einen Ausdruck des Misstrauens zu sehen, könne sie nicht nachvollziehen. Im Gesetzentwurf fehle die Möglichkeit anonymer Beschwerden.