Umsetzung der EU-Richtlinie zur Kfz-Haftpflichtversicherung
Berlin: (hib/MWO) Die von der Bundesregierung geplante Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in nationales Recht war Thema einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages am Dienstag. Die Sachverständigen sahen den Opferschutz durch den Regierungsentwurf (20/8094) gestärkt, sprachen sich aber für eine Reihe von Nachbesserungen aus. Dies betraf vor allem die Ausnahme von der Versicherungspflicht für Halter selbstfahrender Arbeitsmaschinen und Stapler mit bis zu 20 km/h bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit sowie die Motorsporthaftpflichtversicherung. Darauf bezogen sich auch die meisten Fragen der Abgeordneten.
Wie es in dem Regierungsentwurf heißt, sind im Zuge der erforderlichen Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie (EU) 2021/2118 das Pflichtversicherungsgesetz und das Gesetz über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger anzupassen. Die Richtlinie sei überwiegend bis zum 23. Dezember 2023 in deutsches Recht umzusetzen. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie im Hinblick auf die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht werde eine 1:1-Umsetzung angestrebt, soweit nicht das nationale Recht bereits bisher über die Anforderungen der Richtlinie hinausgeht. Zudem solle die Umsetzung möglichst weitgehend die bestehenden Strukturen des Pflichtversicherungsrechts widerspiegeln.
Die Bundesregierung handele richtig, die Anforderungen der Richtlinie „minimal invasiv“ umzusetzen, sagte Oliver Brand, Lehrstuhlinhaber an der Universität Mannheim, der von der CDU/CSU-Fraktion benannt worden war, in seinem Eingangsstatement. Ein Problem bestehe allerdings darin, dass die Richtlinie bestehende Ausnahmen von der Haftpflichtversicherung für Halter von Arbeitsmaschinen und Staplern nicht mehr zulasse, der Entwurf aber die Möglichkeit einer Befreiung vorsehe und damit über die Richtlinie hinausgehe. Dies widerspreche dem Plan der Bundesregierung, nicht mehr umzusetzen als zwingend erforderlich ist. Dazu kämen Übergangsschwierigkeiten. Diskussionswürdig sei auch die Mitversicherung von Motorrennen in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung.
Anja Käfer-Rohrbach, Stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), begrüßte in ihrem schriftlichen Statement das Ziel, den Status quo im Hinblick auf die Versicherungspflicht gemäß Pflichtversicherungsgesetz beizubehalten. Dies sollte allerdings in einem wichtigen Punkt noch konsequenter erfolgen, nämlich bei der Ausnahme von der Versicherungspflicht für Halter der Arbeitsmaschinen und Stapler. Ansonsten drohten diesen Fahrzeughaltern Versicherungslücken, aufgrund derer sie gegen das Pflichtversicherungsgesetz verstoßen und sich strafbar machen würden. Dies liege daran, dass die Versicherer bis zum 23.12.2023 schlicht nicht imstande wären, die Regelung für vermutlich mehrere hunderttausend Fahrzeughalter umzusetzen. Die GDV-Vertreterin war ebenfalls von der Unionsfraktion benannt worden.
Jan Lukas Kemperdiek vom Deutschen Anwaltverein erklärte in seiner Stellungnahme, aus Sicht der rechtsanwendenden Praxis wäre es mit Blick auf den Direktanspruch in der Motorsporthaftpflichtversicherung begrüßenswert, den Anspruch des Geschädigten im Bereich Motorsport ebenfalls einer gesetzlichen und nicht nur einer vertraglichen Sicherung im Wege des Direktanspruchs zu unterwerfen, um sicherzustellen, dass Abweichungen des Versicherungsvertrages von den gesetzlichen Vorgaben keinen Nachteil auf Seiten des Geschädigten zur Folge haben. Gravierend und dringend anpassungsbedürftig sei die Umsetzungsfrist im Bereich der Regelungen zu Arbeitsmaschinen und Staplern, sagte der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen benannte Sachverständige.
Ein weiteres Thema der Anhörung waren Neuregelungen zum Entschädigungsfonds und dem Insolvenzfonds. Sandra Schwarz, die von der SPD-Fraktion zur Anhörung benannte Geschäftsführerin des Deutschen Büros Grüne Karte / Verkehrsopferhilfe (VOH) wies darauf hin, dass die VOH mit der Umsetzung der Richtlinie die Aufgaben des Insolvenzfonds übernehmen werde. Es gebe aber unnötige Verkomplizierungen, und die vorgesehene Aufteilung der Finanzierung erfordere eine Klarstellung hinsichtlich der Schadenkosten. Vorgesehen sei, dass die Mittel, die der Insolvenzfonds einerseits sowie der Entschädigungsfonds und die Entschädigungsstelle andererseits zur Deckung ihrer Verwaltungskosten erheben, nach einem sachgerechten und nachvollziehbaren Schlüssel aufgeteilt werden können, sofern sie zur Erfüllung mehrerer Aufgaben anfallen. Eine vergleichbare ausdrückliche Regelung für die Mittel, die zur Deckung der Schadenkosten erhoben werden, fehle jedoch, so Schwarz.
Die VOH ist eine Einrichtung der deutschen Autohaftpflichtversicherer und hilft nach eigener Darstellung Verkehrsopfern unter anderem in der Funktion als Garantiefonds bei Unfällen in Deutschland, die durch nicht ermittelte oder nicht versicherte Kraftfahrzeuge verursacht werden oder in denen das Auto vorsätzlich und widerrechtlich als „Tatwaffe“ eingesetzt wird oder der Autohaftpflichtversicherer insolvent wird.
Andreas Kranig von der Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland (VOD) bezog sich in seinem Statement auf die UN-Charta der Rechte von Opfern des Straßenverkehrs. Der von der Fraktion Die Linke benannte Experte bat den Gesetzgeber zu prüfen, ob die Ziele der Charta durch rechtlich verbindliche Regelungen unterstützt und effektiviert werden können. Dazu schlage der VOD vor, dass zur fairen und zügigen außergerichtlichen Streitbeilegung zwischen Geschädigten und Kfz-Haftpflichtversicherern in Zukunft die Anrufung einer Clearingstelle ermöglicht werden solle. Vor dem Hintergrund terroristischer Anschläge mit Kraftfahrzeugen und die Entschädigung in den Fällen, für die die VOH zuständig sei, sollte eine Anhebung der Höchstgrenzen geprüft werden.
Die VOD vertritt nach eigenen Angaben als unabhängiger Dachverband die Interessen der deutschen Institutionen und Einrichtungen, die sich für den Schutz von Verkehrsunfallopfern einsetzen und den Schutz in den Verkehrsbereichen verbessern wollen.
Wie es in dem Entwurf heißt, wird im Pflichtversicherungsgesetz der Fahrzeugbegriff so definiert, dass sich an den auch bisher versicherungspflichtigen Fahrzeugarten im Ergebnis nichts Wesentliches ändere. Dazu werde im Zusammenhang mit der Versicherungspflicht von Ausnahmeoptionen der Richtlinie Gebrauch gemacht, um insbesondere weiterhin das Bestehen der Versicherungspflicht grundsätzlich von der straßenverkehrsrechtlichen erlaubten Verwendung des Fahrzeugs im Straßenverkehr abhängig zu machen.
Um zu gewährleisten, dass Motorsportveranstaltungen auch künftig nicht von der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung erfasst sein müssen, würden zudem Anforderungen für einen möglichen alternativen Versicherungsschutz für den Motorsportgebrauch eines Fahrzeugs eingeführt. Die neuen Vorgaben der Richtlinie betreffend Bescheinigungen über den Schadenverlauf und die hiermit im Zusammenhang stehenden Pflichten der Versicherungsunternehmen würden umgesetzt.
Die Anhörung im Video und die Stellungnahmen der Sachverständigen auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a06_recht/anhoerungen/978312-978312