15.01.2024 Inneres und Heimat — Ausschuss — hib 18/2024

Digitalisierungsvorstoß überwiegend begrüßt

Berlin: (hib/FLA) Weitere Digitalisierung rund um das Ausländerzentralregister (AZR): Der entsprechende Gesetzentwurf hat ganz überwiegend die grundsätzliche Zustimmung der Experten gefunden, die das Vorhaben im Ausschuss für Inneres und Heimat bewerteten. Es ging um die „Anpassung von Datenübermittlungsvorschriften im Ausländer- und Sozialrecht“ (20/9470). Unter anderem soll der digitale Datenaustausch zwischen Ausländerbehörden und den für die Sicherung des Existenzminimums zuständigen Leistungsbehörden verbessert werden.

Matthias Friehe, EBS Universität für Wirtschaft und Recht, begrüßte die angestrebte weitere Digitalisierung migrationsrechtlicher Verwaltungsverfahren. Sie bewege sich im Spannungsfeld zwischen Verwaltungsdigitalisierung und Datenschutz. Es bestehe das Risiko, sich im Dschungel der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu verheddern. Speziell gegen die Ausweitung auch auf Sozialdaten bestünden keine grundsätzlichen Bedenken. Die allgemein gehaltene Übermittlungsbefugnis an Strafverfolgungs- und Polizeibehörden verfehlten womöglich Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.

Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, meinte, er begrüße grundsätzlich die Digitalisierung bei den Ausländer- und Leistungsbehörden. Hierdurch würde es ermöglicht werden, die Daten an zentraler Stelle sichtbar zu machen und eine einheitliche Protokollierung und Löschung der Daten zu den jeweiligen Zeitpunkten sicherzustellen. Zu mehreren Punkten des Gesetzentwurfs machte er gleichwohl kritische Anmerkungen. Es sei zu hoffen, dass die datenrechtlichen Erwartungen auch erfüllt werden.

Dennis-Kenji Kipker, Universität Bremen, befand, aus praktischer Sicht bestünden akute gesetzliche Reformbedarfe und das Bedürfnis für verfahrensrechtliche Anpassungen im Ausländer- und Sozialrecht. Natürlich müsse man jede Art von Datenzentralisierung erst einmal kritisch hinterfragen. Die im Gesetzentwurf zur Erreichung dieser praktischen und verfassungsrechtlich legitimen Ziele vorgeschlagenen Maßnahmen seien in einer rechtlichen Gesamtbewertung geeignet, erforderlich und angemessen.

Malte Kröger, Richter am Verwaltungsgericht Stade, verwies darauf, dass laut Gesetzentwurf die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit verpflichtet sein sollen, am automatisierten Verfahren teilzunehmen. Angesichts des Umfangs der Daten, die danach abgerufen werden dürfen, könne es hierfür an der praktischen Notwendigkeit fehlen. Er riet dazu, von einer verpflichtenden Teilnahme am automatisierten Verfahren abzusehen.

Martin Lenz, Bürgermeister der Stadt Karlsruhe, meinte, der Gesetzentwurf bringe einige wesentliche Erleichterungen mit sich. Dazu gehöre, dass zukünftig die Staatsangehörigkeitsbehörden und die Unterhaltsvorschusskassen der Jugendämter zu den zugangsberechtigten Behörden gehören sollen. Er erwähnte auch Verbesserungen beim Erkennen des Doppelbezuges von Sozialleistungen. Er sprach von einem wichtigen Schritt für die kommunale Praxis vor Ort.

Sarah Lincoln, Gesellschaft für Freiheitsrechte, führte aus, das AZR verbinde bereits jetzt eine Flut von Daten aus unterschiedlichen Lebensbereichen miteinander und mache sie zahlreichen Behörden zugänglich. Das Register sei 2021 verfassungswidrig ausgeweitet worden. Die jetzt vorgesehenen Änderungen holten es nicht auf den Boden des Grundgesetzes zurück. Durch eine Erweiterung des Datenkranzes und neue abrufberechtigte Stellen und Organisationen würden die bereits bestehenden Probleme verschärft.

Kay Ruge erklärte namens der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, die Person des jeweiligen Ausländers müsse Dreh- und Angelpunkt aller Digitalisierungsansätze sein. Seine Anträge und Verfahren innerhalb der kommunalen und staatlichen Ausländer- und Leistungsverwaltung müssten vollständig digital abgebildet sein. Der Gesetzentwurf sei ein Schritt in die richtige Richtung. Trotz gebotener Eile müsse die Umsetzung für die Behörden und das Personal maßvoll erfolgen. Es bedürfe eines ausreichend bemessenen Umsetzungszeitraums. Ruge forderte die klare Ausfinanzierung durch die Länder und die Unterstützung durch den Bund. Es gehe um die Erfüllung staatlicher Aufgaben, nicht um kommunale Selbstverwaltung.

Andre Schuster, Deutscher Städtetag, ergänzte Ruges Ausführungen mit einem Blick auf die Ausländerbehörden. Sie befänden sich in einem fortwährenden Krisenmodus und arbeiteten im gesamten Bundesgebiet an der Belastungsgrenze. Die Personalsituation sei viel zu knapp. Viele Behörden sähen sich aber auch technisch überfordert.

Kyrill-Alexander Schwarz, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, beschied, der Gesetzentwurf begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Er erweise sich als notwendige Ergänzung ausländer- und sozialrechtlicher Vorschriften. Das AZR als Informationsplattform solle gestärkt werden, um so einen besseren Informationsaustausch zu gewährleisten und damit insbesondere auch der Gefahr eines Leistungsmissbrauchs vorzubeugen. Mit dem Gesetzentwurf werde das Untermaß dessen getroffen, was regelungstechnisch und inhaltlich möglich sei.

Thilo Weichert, Netzwerk Datenschutzexpertise, erklärte, die im Gesetzentwurf vorgesehenen Verbesserungen bei der Registrierung von Ausländern und beim digitalen Austausch seien im Interesse aller Beteiligten im Grunde zu begrüßen. Die Automatisierung der Prozesse habe aber neue Gefährdungen für den Datenschutz sowie weitere Grundrechte zur Folge. Möglichkeiten des Datenmissbrauchs würden erleichtert. Durch die digitale Verfügbarmachung von Dokumenten könnten von allen Sicherheitsbehörden höchstpersönliche Daten abgerufen werden, die aber nur im Einzelfall von Interesse sein dürften.

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