17.01.2024 Gesundheit — Anhörung — hib 32/2024

Experten befürworten Reform der Notfallversorgung

Berlin: (hib/PK) Gesundheitsexperten befürworten nachdrücklich eine Reform der Notfallversorgung. Im Zentrum der Neuregelung sollte eine verbesserte Patientensteuerung stehen, erklärten Sachverständige in einer Anhörung über Anträge der AfD-Fraktion (20/5364; 20/8871) und der Unionsfraktion (20/7194) zu dem Thema. Die Experten äußerten sich am Mittwoch in der Anhörung des Gesundheitsausschusses sowie in schriftlichen Stellungnahmen.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erklärte, die ambulante Notfallversorgung sei dringend reformbedürftig. Es mangele an einer konsequenten Patientensteuerung. Wartezeiten in der vertragsärztlichen Versorgung bewirkten, dass sich immer mehr Patienten im Notfall direkt an die Notaufnahmen der Krankenhäuser wendeten, obwohl die Versorgung auch in einer Notdienst-, Fach- oder Hausarztpraxis geleistet werden könnte. Diese „Bagatellfälle“ überlasteten die Notaufnahmen der Krankenhäuser und bänden Personal, das für die Versorgung „echter“ Notfälle gebraucht werde.

Die Deutsche Gesellschaft interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) unterstützt einige der in den Anträgen vorgeschlagenen Reformen. Eine regelhafte telefonische Ersteinschätzung etwa über die Gemeinsame Notfallleitstelle sei zu begrüßen und sollte Standard werden, um Hilfesuchende bedarfsgerecht in die individuell beste Versorgungsebene zu leiten. Allerdings müsse berücksichtigt werden, dass manche Menschen mit kognitiven Einschränkungen dieses System womöglich nicht nutzen könnten.

Die Bundesärztekammer (BÄK) erklärte, entscheidend für eine funktionierende Akut- und Notfallversorgung seien Steuerungselemente, die eine bedarfsgerechte Weiterleitung von Patienten in die geeignete Versorgungsebene ermöglichen. Mit den Integrierten Notfallzentren (INZ) dürfe aber kein weiterer Versorgungssektor entstehen. Das Ziel müsse sein, über gemeinsame Anlaufstellen (Tresen) eine sektorenverbindende, kooperative Akut- und Notfallversorgung zu ermöglichen.

Einige Sachverständige schilderten in der Anhörung aus der Praxis die teils chaotischen Zustände in den Notaufnahmen der Kliniken. Nach Angaben der DKG haben 90 Prozent aller Notaufnahmen schon Erfahrung mit Gewalt gemacht. Ein DGINA-Sprecher bestätigte: „Die Gewalt ist in den Notaufnahmen Tagesgeschäft.“ Viele Patienten seien verunsichert, manche betrunken und schwer kontrollierbar. Wenn Patienten nicht ernst genommen würden, könne sich weiteres Aggressionspotenzial aufbauen. Für das Personal sei der Umgang mit solchen Patienten eine Kunst. Daher sei in der Notaufnahme auch eine personelle „Sicherheitsmarge“ sinnvoll.

Mehrere Sachverständige forderten in der Anhörung, den Rettungsdienst in das Sozialgesetzbuch V (SGB V) zu überführen und die Leistungen einheitlich abzurechnen.

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