17.01.2024 Europa — Ausschuss — hib 36/2024

Beobachter fordern Untersuchung der serbischen Wahlen

Berlin: (hib/JOH) Beobachter der serbischen Parlaments- und Kommunalwahlen am 17. Dezember 2023 haben sich am Nachmittag in einer öffentlichen Sitzung des Europaausschusses für eine umfassende Untersuchung mutmaßlicher Wahlmanipulationen ausgesprochen. Es sei im deutschen und europäischen Interesse, den „massiven Wahlbetrug“ durch eine unabhängige internationale Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) untersuchen zu lassen, sagte etwa die deutsche Europaabgeordnete Viola von Cramon (Grüne). Auch müsse verhindert werden, dass der Beschwerdezeitraum der Opposition durch eine Zurückdatierung der offiziellen Bekanntgabe der Wahlergebnisse auf null verkürzt werde. Von Cramon kündigte eine entsprechende Resolution des Europäischen Parlaments bei der nächsten Plenarsitzung an.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Boris Mijatovic, Mitglied der Wahlbeobachtungsmission von OSZE/ODIHR, Europarat und Europäischem Parlament, berichtete, es habe Übergriffe auf nationale Wahlbeobachter gegeben. Die Wahl sei laut dem vorläufigen Bericht der internationalen Organisationen nicht frei und fair verlaufen, die Dominanz von Präsident Aleksandar Vucic sei sehr groß gewesen. Eine Überprüfung der Wählerlisten sei notwendig, würde aber durch die serbische Justiz nicht erfolgen. Eine internationale Mission könne gleichwohl nur auf Einladung des Landes tätig werden, gab Mijatovic zu bedenken.

Der Programmdirektor der in Belgrad ansässigen Nichtregierungsorganisation „Zentrum für Forschung, Transparenz und Rechenschaftspflicht (CRTA), Rasa Nedeljkov, sprach sich im Ausschuss für eine Wiederholung der Wahlen und eine strafrechtliche Verfolgung der dokumentierten Rechtsbrüche aus. Dafür brauche es aber “einen Prozess, in dem die Institutionen die Probleme identifizieren und lösen können„.

Nedeljkovs Organisation hatte in einer vorläufigen Analyse unter anderem festgestellt, dass die regierende Serbische Fortschrittspartei (SNS) von Präsident Vucic unfaire Vorteile genossen habe. So habe sie 85 Prozent mehr Sendezeit im Fernsehen bekommen als die Oppositionsparteien, berichtete Nedeljkov den Abgeordneten. Auf Wähler und Mitglieder der öffentlichen Verwaltung sei massiv Druck ausgeübt worden, zudem seien Menschen aus ganz Serbien und dem benachbarten Ausland in die Hauptstadt Belgrad gebracht worden, um dort bei den Kommunalwahlen abzustimmen. Vielen seien falsche, oft nicht existente Wohnsitze zugewiesen worden. Nedeljkov sprach von einem “systematischen Missbrauch von staatlichen Institutionen und des Rechts und schlussfolgerte: „Wenn es möglich wäre, durch Wahlen etwas zu ändern in Serbien, hätte man Wahlen dort schon längst verboten.“

Der österreichische SPÖ-Europaabgeordnete Andreas Schieder berichtete, nach der Veröffentlichung des vorläufigen Berichts der internationalen Wahlbeobachter seien er und Kollegen massiv angegriffen und der Lüge bezichtigt worden. „Da ist eine Welle der Verunglimpfung losgebrochen.“ Angesichts dessen müsse die EU den Druck auf die serbische Führung erhöhen. Sie dürfe nicht so tun, als wäre die Situation normal.

Der Bundestagsabgeordnete Gunther Krichbaum (CDU) zeigte sich verwundert darüber, dass Menschen Nedeljkov zufolge mehrfach abstimmen konnten, obwohl jeder Bürger in Serbien eine eigene Identifikationsnummer besitze. Auffallend nannte er auch, dass sich EU und die USA mit Reaktionen bislang zurückgehalten hätten. Bisher ergebe sich für ihn daher kein differenziertes Bild der Lage.

Auf die Frage der FDP-Abgeordneten Ann-Veruschka Jurisch, inwiefern die CRTA unter Druck gesetzt werde, ihren Bericht zu verändern, sagte Nedeljkov, in den serbischen Medien würde versucht, die ersten Untersuchungsergebnisse herunterzuspielen.

Der AfD-Abgeordnete Harald Weyel sprach bei den serbischen Wahlen von „regionaltypischen Besonderheiten, aber auch Problemen. Die Gewalt sei allerdings eher von der Opposition ausgegangen, außerdem habe es bei den Wahlen Alternativen zur Regierungspartei SNS gegeben. Dass Oppositionsparteien einen begrenzten Zugang zu den Staatsmedien hätten, erinnere ihn “an gewisse Verhältnisse in Deutschland„.

Der fraktionslose Abgeordnete Andrej Hunko nannte die geforderte Überprüfung der Wahllisten durch die EU ein “schwieriges Vorgehen. Diese Aufgabe sollte eher dem Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (OHDIR), der zentralen Menschenrechtsinstitution der OSZE, obliegen.

Das Europäische Parlament befasst sich heute ab 19 Uhr mit der Lage in Serbien nach den Wahlen.

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