19.01.2024 1. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 42/2024

Zeuge: Für Evakuierung muss die Bundeswehr in der Nähe sein

Berlin: (hib/CRS) Die Bundeswehr sollte laut Zeugen im 1. Untersuchungsausschuss Afghanistan bei einer eventuellen Evakuierung im Ausland geografisch in der Nähe sein. „Die Evakuierung in Kabul hat gezeigt, dass sie irgendwo in der Region sein muss, um innerhalb weniger Stunden da sein zu können, und nicht in Deutschland“, sagte ein ehemaliger Referent der deutschen Botschaft in Kabul und Mitglied des Krisenunterstützungsteams (KUT) am Donnerstag bei seiner Befragung.

Der Beamte, der zwischen August 2019 und August 2021 in der deutschen Botschaft in der afghanischen Hauptstadt Kabul gearbeitet hat, erklärte, dass vor der Machtübernahme der Taliban im August 2021 zwei Dinge für die Sicherheit der deutschen Botschaft fundamental gewesen seien: die Lage in der sogenannten Green Zone und die auf dem internationalen Flughafen in Kabul. Vor allem die Frage, wer den Flughafen kontrollieren würde, sei eine der größten Sorgen gewesen.

Nach dem Doha-Abkommen zwischen den USA und den Taliban, das im Februar 2020 den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan regelte, habe es zwei gegenläufige Entwicklungen gegeben, sagte der Zeuge aus. Einerseits hätten die Taliban internationale Ziele nicht mehr angegriffen. Andererseits hätten sie ihre Attacken gegen die lokalen Partner intensiviert. „Gezielte Tötungen nahmen zu.“ Lokale Beschäftigte in Kabul seien zum Sommer hin zunehmend besorgt gewesen.

In regelmäßigen Besprechungen mit dem zuständigen Referat des Auswärtigen Amtes (AA) in Berlin habe die Botschaft die Sicherheitslage übermittelt. Differenzen habe es dabei keine gegeben.

Wegen der verschärften Sicherheitslage hätten sie angefangen darüber nachzudenken, wie das Risiko für bestimmte Personengruppen reduziert werden könne, führte der Zeuge aus. Es sei über verschiedene Optionen gesprochen worden, wie die Menschen ausgeflogen werden könnten. Im Gespräch seien unter anderem Charterflüge und die Visavergabe bei Einreise nach Deutschland („Visa-On-Arrival“) gewesen. Doch es habe immer das Argument im Raum gestanden, die Maßnahmen könnten der afghanischen Bevölkerung ein falsches Signal vermitteln und eine Massenflucht auslösen. Außerdem habe die Gefahr bestanden, dadurch die Widerstandskraft der afghanischen Sicherheitskräfte zu schwächen. Der Referent berichtete aber auch, dass die USA und Großbritannien ihre Ortskräfte bereits zu diesem Zeitpunkt in großer Zahl ausgeflogen hätten und die afghanische Seite dies nicht besonders kritisiert habe.

Weiter sagte er aus, es seien - auch in Berlin - Listen für Schutzsuchende angefertigt worden, die jedoch an dem Wochenende, als Kabul fiel, noch nicht fertig gewesen seien.

Er selbst habe Kabul am 12. August verlassen, sei jedoch nach dem Fall Kabuls am 20. August mit der Bundeswehr wieder zurückgeflogen, um am militärischen Teil des Kabuler Flughafens bei der Evakuierung deutscher Staatsbürger und schutzbedürftiger Afghanen zu helfen. In dieser Zeit sei an den Gates des internationalen Flughafens kein geordneter Zugang zum Flughafengelände möglich gewesen. Daher hätten das Krisenunterstützungsteam und Feldjäger der Bundeswehr die vorgelegten Papiere aufgrund bestimmter Kriterien überprüft.

Die US-Soldaten, die den Flughafen kontrollierten, hätten großen Wert daraufgelegt, dass die Flugzeuge nur ganz kurz auf dem Flugfeld stehen durften, berichtete der Beamte. Das sei auch der Grund dafür gewesen, dass die erste Bundeswehrmaschine nur mit einer Handvoll Menschen am Bord abgeflogen sei. „Zu diesem Zeitpunkt waren ganz wenige Personen im Flughafen“, sagte er.

In nicht-öffentlicher Sitzung hat der Ausschuss am Donnerstag auch den damaligen Stellvertreter der BND-Residentin in der deutschen Botschaft in Kabul befragt.

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