21.02.2024 Recht — Anhörung — hib 99/2024

Anhörung zum Bürokratieabbau

Berlin: (hib/SCR) Der Rechtsausschuss hat sich am Mittwoch, 21. Februar 2024, im Rahmen einer öffentlichen Anhörung mit dem Bürokratieabbau befasst. Grundlage waren ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/8856) sowie ein Sonderbericht der Bundesregierung (20/9000) zum Thema. Grundsätzlich begrüßten die meisten Sachverständigen sämtliche Initiativen, die einen Abbau von Bürokratie in Aussicht stellen sowie zu einer besseren Rechtssetzung führen.

Eva Bruch, Direktorin der PD - Berater der öffentlichen Hand GmbH, nannte diverse Hebel, an denen angesetzt werden könne, um die Bürokratiebelastung weiter zu verringern. Dazu zählte sie unter anderem eine Registermodernisierung und eine „Once-only-Reglung“, die dafür sorgen solle, dass Bürger und Unternehmen Informationen nur einmal an die öffentliche Hand geben müssen. Damit könne es gelingen, auf eine „antragslose Verwaltung“ umzustellen. Die von der SPD-Fraktion benannte Sachverständige ging in ihrem Eingangsstatement auch auf den Entwurf zum Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) ein. Sie forderte einen „deutlich radikaleren Verzicht auf die Schriftform“. Das Schriftformerfordernis stehe wie wenig anderes für „unnötige Bürokratie“. Ganz grundsätzlich müsse für einen großen Wurf eine Staatsreform und eine Neuordnung der Zuständigkeiten angegangen werden, führte Bruch aus.

Professor Nicolai Dose von der Universität Duisburg Essen schränkte ein, dass Bürokratieabbau nicht das „Ende von Politik“ sein dürfe. Gestaltende und problemlösende Politik müsse möglich sein. So müsse der mit Regelungen zusammenhängende Erfüllungsaufwand dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen der Regelung entgegengestellt werden. Der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen benannte Sachverständige hob die Potenziale von Digital- und Praxischecks hervor. In dem im Aufbau befindlichen „Zentrum für Legistik“ sah Dose eine „vielversprechende Innovation“. Es bestehe damit die Chance, „nachhaltige Erfolge zu generieren“. So könnten in einer frühen Phase von Referentenentwürfen Qualitätsverbesserung erzielt werden.

Professor Hermann Hill von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer warb dafür, grundsätzlich anders und im rechten Maß zu regulieren. Im Bereich der Gesetzgebung müsse etwa inhaltlich auf andere Regulierungsmuster gesetzt werden, die stärker auf Flexibilisierung und Dynamisierung setzen, führte Hill in seinem Eingangsstatement aus. Mit Blick auf die Verwaltung seien Vollzugs- und Digitalisierungstauglichkeit in den Fokus zu nehmen. „Verwaltung kann auch ein Treiber für Bürokratieabbau sein“, führte der von der CDU/CSU-Fraktion benannte Sachverständige in seinem Eingangsstatement aus.

Für die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sagte Rainer Kambeck, dass die Bürokratiebelastung inzwischen das „Top-Thema“ für die Unternehmen sei. Die bisherige Messung der Belastung erfasse dabei nicht die „wahren Kosten“, nämlich die Zeit, die Unternehmerinnen und Unternehmer dann nicht zur Verfügung hätten, andere Dinge zu machen. Diese Kosten müssten stärker in den Blick genommen werden, forderte der ebenfalls von der Unionsfraktion benannte Sachverständige. Hinsichtlich des Entwurfes für das BEG IV sprach Kambeck von „großer Unzufriedenheit“, viele hätten sich mehr davon erwartet. Unter anderem warb der DIHK-Vertreter für weitere Verbesserungen bei den Aufbewahrungsfristen. Auf den Antrag der Union bezogen sprach Kambeck davon, dass fast alle darin enthaltenen Forderungen von ihm unterstützt werden, beispielsweise die Experimentierklausel für die Kommunen.

Gisela Meister-Scheufelen, Dozentin an der Universität Potsdam und ehemalige Vorsitzende des Normenkontrollrates Baden-Württemberg, warb dafür, Bürokratieabbau und bessere Rechtssetzung mit strukturellen Maßnahmen anzugehen. Daran mangele es aktuell, auch mit dem BEG IV werde wie bei den Vorgängern fragmentarisch gearbeitet. Regelunge wie „One in, one out“ verfehlten zudem ihre Wirkung, da die Belastungen durch EU, Länder und den Verwaltungsvollzug nicht berücksichtigt würden. Die von der Unionsfraktion benannte Sachverständige warb dafür, bessere Regulierung und Rechtssetzung als Teil der Juristenausbildung sowie der kontinuierlichen Qualifizierung der Legisten zu verankern. Sie unterstützte zudem die Forderung der Unionsfraktion, einen Ausschuss für Bürokratieabbau im Bundestag zu etablieren. Damit würde das Thema „zu einer politischen Priorität des parlamentarischen Verfahrens“ gemacht, sagte Meister-Scheufelen.

Ralf Nitschke, Vorstand der Jowat SE in Detmold, führte aus, dass sowohl der Antrag als auch der Sonderbericht nur wenig davon enthielten, wo tatsächlich der Schuh drücke. Durch die Belastung der Bürokratie drohe Deutschland Wertschöpfung als auch die nächste Unternehmergeneration zu verlieren, führte der von der FDP-Fraktion als Sachverständiger benannte Unternehmer in seinem Eingangsstatement aus. Auch gute Mitarbeiter verliere man durch „überkommene Regelungen im Arbeitszeitbereich“, etwa zu den Ruhepausen, so Nitschke.

Für den Zentralverband des Deutschen Handwerks führte Markus Pfeifer in seinem Eingangsstatement aus, dass die Belastung durch Bürokratie für die Handwerksbetriebe „ein kritisches Maß“ erreicht habe und „die Zukunftsfähigkeit von Handwerksbetrieben“ gefährde. Der von der SPD-Fraktion benannte Sachverständige führte aus, dass bei dem Thema kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem bestehe. So bleibe auch der Entwurf des BEG IV hinter den Möglichkeiten und dem Notwendigen zurück, kritisierte Pfeifer.

Für den Deutschen Gewerkschaftsbund hob Jana Wömpner mit Verweis auf den Unionsantrag hervor, dass unter Bürokratieabbau sehr verschiedene Sachen verstanden werden. „Eine als Bürokratieabbau verschleierte Deregulierung im Sinne eines Abbaus von Arbeitnehmerschutzrechten lehnen wir ab“, stellte die Gewerkschaftsvertreterin klar. Kritisch sah die von der SPD-Fraktion benannte Sachverständige etwa die „One in, one out“-Regelung. Diese konzentriere sich danach zu sehr auf die Belastung der Unternehmen und erhebe nicht die gesamtgesellschaftlichen Kosten einer Nicht-Regulierung sowie den Nutzen einer Regulierung für das Gemeinwohl oder den Umwelt- und Klimaschutz. „Das ist eine vermeintlich objektive und deswegen angeblich neutrale und nüchtern erscheinende Verschiebung des demokratischen Aushandlungsprozesses zugunsten der Arbeitgeber“, sagte Wömpner in ihrem Eingangsstatement.

Das Video zur Anhörung und die Stellungnahmen der Sachverständigen auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a06_recht/anhoerungen/978308-978308

Die hib-Meldung zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion „Innovation ermöglichen, Investitionen erleichtern - Agenda für Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-972972

Die hib-Meldung zum Sonderbericht der Bundesregierung: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-975946

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