09.04.2024 Arbeit und Soziales — Anhörung — hib 213/2024

Zustimmung zur „Hilfslösung“ bei der Erwerbsminderungsrente

Berlin: (hib/HAU) Das von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagene zweistufige Verfahren zur Auszahlung der Erwerbsminderungsrente stößt bei Sachverständigen auf Zustimmung. Das zeigte sich bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montag zum Gesetzentwurf über die Auszahlung der Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserung (EM-Bestandsrentenverbesserungsauszahlungsgesetz) (20/10607). Hintergrund der Regelung ist, dass die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Ende 2023 feststellen musste, dass eine technische Umsetzung der Berechnung und Auszahlung des Zuschlags nach dem Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz aus dem Jahr 2022 bis Juli 2024 nicht realisierbar ist.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass in dem Übergangszeitraum von Juli 2024 bis November 2025 in einer ersten Stufe eine von der Rentenzahlung getrennte Zuschlagszahlung erfolgt, ohne dass eine Anhebung der persönlichen Entgeltpunkte vorgenommen wird. Stattdessen soll eine Zuschlagsgewährung über die Anhebung der Rentenzahlbeträge um 4,5 beziehungsweise 7,5 Prozent erfolgen. In einer zweiten Stufe soll dann die Anhebung der persönlichen Entgeltpunkte ab dem 1. Dezember 2025 vollzogen werden. Um sicherzustellen, dass aufgrund der getrennten Zuschlagszahlung den Betroffenen keine finanziellen Nachteile entstehen, sollen nach dem Ende des vorgesehenen Übergangszeitraums die Rentenzahlbeträge verglichen und Differenzbeträge nachgezahlt werden.

Die technische Umsetzung der Berechnung und Auszahlung des Zuschlags nach dem Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz bis Juli 2024 sei aus einer Vielzahl von Gründen nicht realisierbar gewesen, sagte DRV-Vertreter Stephan Fasshauer. Insbesondere habe sich die Komplexität der Umsetzung aufgrund der vielfältigen Wechselwirkungen mit anderen Gesetzen, wie beispielsweise der technisch sehr komplexen und aufwendigen Umsetzung der Ost-West-Rentenangleichung, um ein Vielfaches höher als ursprünglich erwartet gestaltet.

Der Vorgang werde bei der DRV intern aufgearbeitet, sagte Fasshauer. Schließlich habe man den Anspruch, Gesetze fristgerecht umzusetzen. Diesem Anspruch sei die DRV in der Vergangenheit auch gerecht geworden. Auf Nachfrage machte Fasshauer deutlich, dass kein weiteres in der Umsetzung befindliches Vorhaben bei der DRV gefährdet sei.

Die Renten Service Deutsche Post AG, die als Träger der Deutschen Rentenversicherung die 1. Stufe der Zuschlagsauszahlung in der Zeit von Juli 2024 bis November 2025 durchführen soll, sieht die Voraussetzungen hinsichtlich der rechtzeitigen Umsetzung für gegeben, machte deren Vertreter Bernd Gemein deutlich. In einem gemeinsam mit der DRV erarbeiteten Konzept seien alle notwendigen Details und insbesondere entsprechende Schnittstellen und Vorgehensweisen beschrieben und vereinbart worden. Das Konzept stelle sicher, dass eine Auszahlung des Zuschlages, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, erfolgt.

Alexander Gunkel von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hält das zweistufige Verfahren für vertretbar, nicht aber für zwingend. Dem Vorteil, dass die Begünstigten früher ihre Zuschläge erhalten, stehe ein zusätzlicher Bürokratie- und Kostenaufwand gegenüber, sagte er und sprach sich zugleich dafür aus, die geplante Nachzahlung von Centbeträgen für Erwerbsminderungsrentner, für die die bis November 2025 geltende Übergangsregelung ungünstiger ist als die danach geltende Regelung, zu unterlassen.

Aus Sicht der BDA zeige der Vorgang im Übrigen, „dass Gesetze besser vorbereitet werden müssen“. Zwingend notwendig seien angemessene Stellungnahmefristen durch das federführende Ministerium, ein Digitalcheck und eine ausreichend lange Frist für die Umsetzung, so Gunkel.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht in der Regelung eine zielführende und umsetzbare Lösung. Damit sei eine zeitnahe Auszahlung der zum 1. Juli vorgesehenen Verbesserungen bei laufenden Erwerbsminderungsrenten und ihren Folgerenten möglich. Der Gesetzentwurf stelle dabei sicher, dass daraus keine Nachteile erwachsen, so DGB-Vertreter Ingo Schäfer. Sollte der ab Juli gezahlte Betrag geringer ausfallen als der zum Dezember 2025 berechnete Zuschlag, werde die Differenz für die 17 Monate gutgeschrieben. Der DGB habe im Übrigen, wie auch die DRV, schon 2022 deutlich gemacht, dass der 1. Juli 2024 verwaltungs- und umsetzungsseitig als ambitioniert angesehen werden müsse, erinnerte er.

Es sei bedauerlich, dass eine kurzfristige Hilfslösung für eine schon vor längerer Zeit beschlossene Leistungsverbesserung notwendig sei, befand Magnus Brosig von der Arbeitnehmerkammer Bremen. Der nun vorgeschlagene Ansatz, als Ersatz für weitere persönliche Entgeltpunkte übergangsweise prozentuale Rentenzuschläge zu verwenden, sei gleichwohl geeignet, überfällige Verbesserungen trotz organisatorischer Probleme noch rechtzeitig und wohl weitestgehend in ursprünglich vorgesehener Höhe einzuführen.

Christof Lawall von der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation forderte, den Kreis derjenigen, die die Träger der DRV über Präventionsleistungen aktiv und regelhaft beraten sollen, auf alle Beschäftigten auszuweiten, die von Präventionsleistungen profitieren können. Da erste gesundheitliche Einschränkungen, die sich auf die ausgeübte Beschäftigung auswirken können, erfahrungsgemäß etwa ab dem 40. Lebensjahr gehäuft auftreten würden, sollten die Träger der DRV diesen Versicherten regelhaft einmal jährlich Informationen über ihr Präventionsprogramm RV Fit anbieten, sagte er.

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