Wochenzeitung „Das Parlament“ – Alexander Throm (CDU/CSU) im Interview: „Mehr auf den Visahebel setzen“
Vorabmeldung zu einem Interview in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag 14. August 2023)
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Alexander Throm, kritisiert die Pläne der Bundesregierung zu Migrationsabkommen. „Wir brauchen Migrationsabkommen mit Herkunftsländern, allerdings keine, die am Ende zu mehr Migration statt weniger führen“, sagte Throm im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 14. August 2023). Die Ampel wolle die sogenannte Westbalkanregelung, „wonach Personen ohne jegliche Qualifikation legal nach Deutschland kommen können, zu einer Welt-Balkanregelung machen“, kritisierte der Christdemokrat. Dies werde eher zu mehr Migration führen, da er nicht glaube, dass durch eine solche Regelung diejenigen, die keinen legalen Weg bekommen, „dann einfach zuhause sitzen bleiben“. Er halte es deswegen für erforderlich, „dass wir mehr auf den Visahebel setzen und auch stärker als bisher die Entwicklungshilfe für die entsprechenden Länder damit verknüpfen“.
Das Interview im Wortlaut:
Das Parlament: In wenigen Ländern hat es in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine so starke Zuwanderung im Verhältnis zur vorhandenen Bevölkerung gegeben wie in Deutschland. Viele Menschen hierzulande beunruhigt das. Wie sollte verantwortungsvolle Politik mit diesen Sorgen umgehen?
Alexander Throm: Diese Sorgen ernst zu nehmen ist in der Tat eine Aufgabe für die Politik. Und das heißt insbesondere, illegale Migration nach Europa und Deutschland zu begrenzen. Eine weitere Zunahme von illegaler Migration darf es nicht geben.
Das Parlament: Die Europäische Union ringt gerade um die Begrenzung und Bewältigung irregulärer Zuwanderung mittels Asylverfahren schon an den Außengrenzen der Union und einer gerechteren Verteilung auf die Mitgliedsstaaten. Auf die neuen Regeln werden sich das EU-Parlament und die nationalen Regierungen wohl im Herbst einigen, trotz verbissenen Widerstands von Polen und Ungarn. Wie wichtig ist diese Neuregelung aus Ihrer Sicht?
Alexander Throm: Diese Maßnahme ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Aber im Gegensatz zu dem, was die Bundesregierung verspricht, ist sie nicht die große Lösung. Dazu ist der Anwendungsbereich für das sogenannte Außengrenzverfahren zu gering, sind die Kapazitäten an den Außengrenzen viel zu klein und wird darüber hinaus kein verpflichtender Verteilmechanismus unter den europäischen Ländern geschaffen.
Das Parlament: Es sollen aber doch die Länder, die keine oder wenige Migranten aufnehmen, zu einer Ausgleichszahlung verpflichtet werden. Ist das kein Weg, um zu einer gerechteren Verteilung zu kommen?
Alexander Throm: Entscheidend ist, dass es ein gewisses Mindestmaß an Solidarität in allen europäischen Staaten geben muss, also die Bereitschaft, Flüchtlinge auch tatsächlich aufzunehmen. Solange dies nicht der Fall ist, brauchen wir zusätzlich nationale Maßnahmen. Genau daran aber lässt es die gegenwärtige Bundesregierung fehlen. Sie öffnet weiter, sie schafft weitere Anreize, sie schafft darüber hinaus weitere Bleiberechte für Personen, die eigentlich ausreisepflichtig sind. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen, um Zuwanderung nach Deutschland zu begrenzen.
Das Parlament: Setzen Sie demnach auch wenig Hoffnung in den Versuch, mit Partnerländern außerhalb der EU Abkommen zu treffen, um abgelehnte Asylbewerber schneller wieder zurückzunehmen?
Alexander Throm: Wir brauchen Migrationsabkommen mit Herkunftsländern, allerdings keine, die am Ende zu mehr Migration statt weniger führen. Die Ampel will die sogenannte Westbalkanregelung, wonach Personen ohne jegliche Qualifikation legal nach Deutschland kommen können, zu einer Welt-Balkanregelung machen. Dies wird dazu führen, dass wir eher mehr Migration vom Ausland bekommen als weniger. Denn ich glaube nicht, dass durch eine solche Regelung diejenigen, die keinen legalen Weg bekommen, dann einfach zuhause sitzen bleiben. Deswegen halte ich es für erforderlich, dass wir mehr auf den Visahebel setzen und auch stärker als bisher die Entwicklungshilfe für die entsprechenden Länder damit verknüpfen.
Das Parlament: Ein anderes Thema ist die Zuwanderung von Fachkräften. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Monika Schnitzler spricht von 1,5 Millionen Zuwanderern pro Jahr, die Deutschland brauche, um die Fachkräftelücke zu schließen, weil es auch eine beträchtliche Abwanderung gebe. Ist das eine realistische Zahl?
Alexander Throm: Jedenfalls führt die Benennung solcher Zahlen zu einer großen Verunsicherung in weiten Teilen der Bevölkerung. Deswegen würde ich mir wünschen, dass auch Wirtschaftsweise hier etwas vorsichtiger argumentieren. Völlig unabhängig davon brauchen wir viele Fachkräfte. Was die Bundesregierung hier aber mit der letzten Änderung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes gemacht hat, ist das glatte Gegenteil. Sie öffnet Migrationswege für Personen mit minderer Qualifikation. Das nützt Deutschland nicht, das schadet eher auf lange Sicht.
Das Parlament: Was wäre denn Ihre Alternative, um den Fachkräftemangel zu beheben?
Alexander Throm: Wir brauchen ein schnelleres Verfahren auf Grundlage des vorher geltenden Rechtes, sodass wirklich gut Qualifizierte gesucht werden. Wir brauchen vor allem schnelle Visaerteilungen. Das hat das Auswärtige Amt unter Führung der Grünen, aber auch vorher der SPD zu keinem Zeitpunkt geschafft. Wir brauchen eine Digitalisierung, und wir schlagen vor, dass wir die Fachkräftezuwanderung deutschlandweit in einer sogenannten Work-And-Stay-Agentur digital bündeln. Also Beschleunigung und Vereinfachung der Verfahren statt Absenkung der Qualifikationsanforderungen.
Das Parlament: Ein Punkt in dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist der sogenannte Spurwechsel, dass also abgelehnte Asylbewerber, die sich in Deutschland befinden, eine Aufenthaltsberechtigung bekommen, wenn sie einen Arbeitsplatz haben. Wie finden Sie diese Regelung?
Alexander Throm: Sie fördert genau das, was wir verhindern wollen, nämlich weitere illegale Migration. Derartige zusätzliche Bleiberechte für Personen, die ausreisepflichtig sind, also gerade keinen Schutzanspruch haben, senden das Signal in die Welt: Kommt nach Deutschland, egal ob mit oder ohne Schutzanspruch, ihr könnt auf jeden Fall bleiben.
Das Parlament: Dann werden Sie sicherlich auch die Neuregelung zum Familiennachzug kritisch sehen.
Alexander Throm: Der Familiennachzug zu echten Fachkräften ist eine Selbstverständlichkeit, und ich habe auch Verständnis dafür, dass man da beispielsweise die Sprachanforderungen herabsetzt. Das fordern auch wir. Allerdings habe ich keinerlei Verständnis, wenn jetzt auch noch Oma und Opa des Zuwanderers mitkommen dürfen. Das ermöglicht die Ampel. Wir brauchen aber in unserer alternden Gesellschaft nicht zusätzlich Personen im hohen Alter, die hier zuwandern.
Das Parlament: Es hat einmal in Deutschland, aber auch in Ihrer Partei, der Union, einen heftigen Streit um den Satz gegeben: „Deutschland ist ein Einwanderungsland“. Dieser Streit ist doch erledigt?
Alexander Throm: Diese Diskussion ist wirklich sehr lange her. Ich sage seit vielen Jahren, dass Deutschland selbstverständlich ein Einwanderungsland ist. Allerdings sind wir noch meilenweit davon entfernt, dass wir eine gesteuerte Einwanderung haben, wie sie zu einem Einwanderungsland gehört. Dieser Mangel wird durch die Politik der Ampelregierung noch verschärft: Weniger Steuerung, weniger Qualifikation, mehr illegale Zuwanderung, mehr falsche Anreize. Und das kritisiere ich.
Das Parlament: In der Regierungszeit von Helmut Kohl hat es vor dem Hintergrund stark steigender Asylbewerberzahlen, verbunden mit Wahlerfolgen der rechten Republikaner, eine Reform des Asylrechts gegeben. Dabei blieb aber das Individualrecht auf Asyl bestehen. Soll es das Ihrer Meinung nach auch bleiben?
Alexander Throm: Das im Grundgesetz verankerte Asylrecht für politisch Verfolgte spielt in der Realität kaum eine nennenswerte Rolle. In diesem Jahr wurde etwa nur bei 0,7 Prozent der Asylbewerber tatsächlich das grundgesetzliche Asylrecht anerkannt, in den letzten Jahren sah es kaum anders aus. Außerdem mangelt unser System daran, dass sich die Menschen Schleppern ausliefern und auf eine gefährliche Überfahrt etwa über das Mittelmeer begeben. Sie durchqueren die halbe Welt und dabei auch viele Länder, in denen sie bereits Sicherheit haben. Dabei gilt leider das Prinzip: Die Starken kommen an, die Schwachen bleiben auf der Strecke. Das Asylrecht war aber nie dafür gedacht, dass man sich das Land der Sicherheit aussuchen kann. Deswegen müssen wir schon auch über grundlegende Reformen im europäischen und internationalen Asylrecht nachdenken. Sie sind möglich, ohne dass wir dabei das relativ selten zur Anwendung gelangende Asylrecht, wie es im Grundgesetz verankert ist, tangieren müssen.