Bundestag erhebt sich zu Ehren von Norbert Blüm
Der Bundestag hat sich zu Beginn der Plenarsitzung am Donnerstag, 7. Mai 2020, zu Ehren des verstorbenen langjährigen Bundestagsabgeordneten und Bundesministers Dr. Norbert Blüm von den Plätzen erhoben. Blüm war am 23. April im Alter von 84 Jahren gestorben. „Mit ihm verliert unser Land einen streitbaren Demokraten und einen seiner profiliertesten Sozialpolitiker“, sagte Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble.
„Weitsicht und politische Hartnäckigkeit“
Unter der Devise „Einmischen ist Pflicht!“ habe sich Norbert Blüm bis zuletzt an der gesellschaftlichen Debatte beteiligt und leidenschaftlich seine Stimme für die Schwächeren erhoben, betonte Schäuble. Im Zentrum seines christlich geprägten Denkens habe immer der Mensch gestanden: „Solidarität ist kein Luxus, sondern Existenzbedingung des menschlichen Lebens“ und die „politische Form der Nächstenliebe“ – so habe Blüm die katholische Soziallehre für sich auf den Punkt gebracht.
„Seiner Weitsicht und der politischen Hartnäckigkeit, mit der er seine Anliegen gegen alle Widerstände vertrat, verdankt unser Sozialsystem die Pflegeversicherung – und die Gesellschaft ein geschärftes Bewusstsein für die Generationengerechtigkeit“, würdigte der Bundestagspräsident Blüm, der von 1982 bis 1998 als Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung den vier Kabinetten der Regierung Kohl angehörte. Früher als andere habe Blüm die gesellschaftspolitische Bedeutung des demografischen Faktors erkannt, um die Rente in einer alternden Gesellschaft zu sichern: „Es wurde sein Lebensthema.“ Blüm habe sein Mitwirken an der sozialpolitischen Einigung Deutschlands vor 30 Jahren – einer historisch einmaligen Herausforderung – als ein großes Glück bezeichnet.
Mann des Ausgleichs mit Haltung und Prinzipientreue
Nach Ansicht des Bundestagspräsidenten passte Norbert Blüm in keine Schablone: „Werkzeugmacher und studierter Philosoph, Spitzenpolitiker und Gelegenheits-Kabarettist, Hochschullehrer und Menschenrechtsaktivist – all das war Norbert Blüm.“ Er habe immer seinen eigenen Kopf behalten, unbequem für den politischen Gegner wie auch für Parteifreunde und Kabinettskollegen. „Im Notfall gönne ich mir, gegen den Strom zu schwimmen“, zitierte Schäuble seinen früheren Kabinettskollegen. Gleichzeitig sei er zeitlebens ein Mann des Ausgleichs mit klarer Haltung und Prinzipientreue gewesen, die er mit großer Glaubwürdigkeit vertreten habe.
Norbert Blüm wurde – wie Schäuble – 1972 zum ersten Mal in den Bundestag gewählt, dem er fast drei Jahrzehnte bis 2002 angehörte, unterbrochen nur durch sein Amt als Berliner Senator unter dem Regierenden Bürgermeister Richard von Weizsäcker Anfang der achtziger Jahre. „Auch wenn er in der Hauptstadtdebatte 1991 zu den Wortführern für Bonn zählte: mit der Entscheidung zum Umzug nach Berlin hat er sich sofort abgefunden“, erinnerte sich Schäuble. Dieses „Maß an Gelassenheit“ habe er als große Begabung den Rheinländern zugeschrieben – „wobei in diesem Zusammenhang wohl eher sein unverwechselbarer Humor in Erinnerung bleiben wird“.
„Meister der unverblümten Rede“
Als Minister und Abgeordneter habe sich Blüm als Meister der „unverblümten Rede“ gezeigt, der sich gerne dem parlamentarischen Schlagabtausch stellte. Seine letzte Rede im Plenum des Bundestages am 6. Juni 2002 bezeichnete Schäuble als „Glanzstück lebendiger Debattenkultur: mit fundierten Argumenten, Schlagfertigkeit, Witz und – was ihm immer wichtig war – mit Respekt vor dem politischen Gegner“. Dafür sei er über Fraktionsgrenzen hinweg hoch geschätzt und respektiert worden.
Schäuble schloss mit den Worten: „Norbert Blüm hat sich um unser Land, die Demokratie und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft große Verdienste erworben. Der Deutsche Bundestag wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Unsere Gedanken sind bei seinen Angehörigen und Freunden, denen unser tief empfundenes Mitgefühl gilt.“ (vom/07.05.2020)