Schäuble würdigt Christo als Ausnahmekünstler und großen Visionär
Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble hat den am Sonntag, 31. Mai 2020, im Alter von 84 Jahren verstorbenen Christo als Ausnahmekünstler gewürdigt. „Seine Kunst schärfte unsere Sinne. Er verbarg mit seinen Verhüllungen oft das Gewöhnliche und machte so das Außergewöhnliche sichtbar. Auch wenn die verfremdende Ästhetik seiner Werke im Vordergrund stand, so war Christo doch ein politischer Künstler, der sich immer wieder auf die Spaltung der Welt in Ost und West bezog und Freiheit einforderte.“
„Das Ende der Bonner Republik versinnbildlicht“
Mit der Verhüllung des Reichstagsgebäudes vor 25 Jahren hätten er und seine bereits 2009 verstorbene Frau Jeanne-Claude sich in die wechselvolle Geschichte des Deutschen Bundestages eingeschrieben. „Ich persönlich denke an meine ursprüngliche Skepsis zurück, diesen geschichtsträchtigen Ort zu einem Kunstwerk zu machen – und an das unvergessliche Vergnügen, das er Millionen damit verschaffte.“
Christos monumentales Werk hat nach Ansicht des Bundestagspräsidenten eine Zäsur markiert und „auf ganz eigene Weise das Ende der Bonner Republik“ versinnbildlicht. „Christo lehrte uns, das historische Parlamentsgebäude mit anderen Augen zu sehen und den Umzug von Bonn nach Berlin mit fröhlicher Leichtigkeit anzugehen. So flüchtig das Kunstwerk war, so fest ist es in unserer Erinnerung verankert. Dafür sind wir Deutsche Christo dankbar“, so Schäuble. „Wir trauern um einen großen Visionär, der Ästhetik, Geschichte und Demokratie verbinden konnte: Schöner und freier kann Kunst nicht wirken.“
Berlins erstes Sommermärchen
Als der Bundestag am 25. Februar 1994 über das Projekt der Reichstagsverhüllung abstimmte, war nicht absehbar, ob sich die fraktionsübergreifende Gruppe von Abgeordneten mit ihrem Antrag (12/6767) durchsetzen würde. Es gab auch entschiedene Gegner des Vorhabens. Die damalige Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Rita Süssmuth unterstützte das Projekt. Am Ende setzten sich die Befürworter mit 292 zu 223 Stimmen durch. In der Antragsbegründung hieß es, Berlin könne in den 14 Tagen der Verhüllung vom 24. Juni bis 7. Juli 1995 mit 500.000 Besuchern rechnen. „Tatsächlich waren es fünf Millionen“, berichtete Schäubles Amtsvorgänger Prof. Dr. Norbert Lammert über den Andrang in der Hauptstadt in jenem Sommer. Es habe sich um Berlins erstes „Sommermärchen“ gehandelt.
Der 1935 in Bulgarien geborene und zuletzt in New York lebende Christo und seine Frau Jeanne-Claude hatten seit 1971 für ihr Kunstprojekt „Wrapped Reichstag“ („Verhüllter Reichstag“) geworben. (vom/01.06.2020)