Rückenwind für ugandischen Oppositionspolitiker Bobi Wine
Nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im ostafrikanischen Uganda am 14. Januar waren die Leitungen in dem Land tagelang tot, ein Austausch von Whatsapp-Nachrichten in Echtzeit nicht möglich. Die ugandische Regierung hatte das Internet lahmgelegt.
Auch die Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg (Bündnis 90/Die Grünen) bekam die Einschränkungen zu spüren. Sie unterstützt die Bemühungen des ugandischen Oppositionspolitikers und Bewerbers um das Präsidentenamt Bobi Wine für einen demokratischen und rechtsstaatlichen Wandel in dessen Heimatland im Rahmen des Programms „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ (PsP).
Bobi Wine unter Hausarrest
In den kommenden Tagen werde sie weiter versuchen, zu dem Politiker Kontakt aufzunehmen. Bobi Wine stand nach dem Wahlgang, der laut offiziellem Ergebnis den amtierenden Präsidenten Yoweri Museveni bestätigte, unter Hausarrest.
Sein Grundstück war tagelang von Soldaten umstellt, obwohl Gerichte dies als rechtswidrig verurteilten. Die Sicherheitskräfte befürchteten Unruhen, sollte Bobi Wine in der Öffentlichkeit erscheinen. Der Wahlkampf war äußerst gewaltsam verlaufen, über 50 Menschen starben.
Unfairer Wahlkampf, undemokratische Wahl
Laut Wahlbehörde hat es Wine auf immerhin 35 Prozent der Stimmen gebracht, während Langzeitpräsident Museveni mit 59 Prozent das Rennen machte. „35 Prozent sind ein respektables Ergebnis“, findet Amtsberg.
„Über die Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen muss ein Gericht entscheiden. Was sich allerdings sagen lässt ist, dass der Wahlkampf keinesfalls demokratischen Standards genügt hat.“ So seien unabhängige, internationale Wahlbeobachter kaum zugelassen worden. Der 76-jährige, seit 1986 regierende Museveni habe zuvor die Verfassung zu seinen Gunsten geändert, um überhaupt erneut für eine sechste Amtszeit antreten zu dürfen. Zugleich habe er den Wahlkampf der Opposition massiv behindert.
„Der stärkste Konkurrent des Präsidenten“
Bereits im Dezember 2019 endete zudem die Wählerregistrierung für die Präsidentschaftswahl. Etwa eine Million junge Leute, die danach volljährig wurden, konnten daher nicht an der Wahl teilnehmen – in einem Land mit einer der jüngsten Bevölkerungen der Welt, in dem die Hälfte der Bewohner unter 15 Jahre alt ist.
Dennoch habe der Politik-Neuling Wine, der erst seit drei Jahren dem Parlament angehörte, aus dem Stand ein hohes zweistelliges Ergebnis erzielt. Immerhin diesen Anteil am Ergebnis habe ihm Musevenis Behörde jetzt zuerkannt. Einen Sieg seines stärksten Herausforderers aber habe Museveni, der sich zunehmend an die Macht klammere, unbedingt verhindern wollen, so Amtsberg. „Aber Wine ist ihm mit diesem Ergebnis näher gerückt. Er ist jetzt mehr denn je ein Faktor in der ugandischen Politik, ja der stärkste Konkurrent des Präsidenten.“ Diese Stärke bedeute für Wine aber auch eine gestiegene Gefahr und lasse ihm gleichzeitig eine sehr hohe Verantwortung für das Verhalten seiner Wähler und den weiteren Weg des Landes zukommen.
„Eine gewaltsame Eskalation wäre das Schlimmste“
Die zentrale Frage sei jetzt, wie Bobi Wine mit dem Ergebnis umgehe. Wine könne eigentlich gar nicht anders, als das von der staatlichen Wahlkommission präsentierte Ergebnis gerichtlich überprüfen zu lassen. Anfang Februar hat er eine Beschwerde beim Verfassungsgericht eingelegt. Er hatte sich nach der Wahl zum Sieger erklärt, dem Militär Wahlbetrug vorgeworfen und Präsident Museveni beschuldigt, einen Staatsstreich begangen zu haben.
Daneben gelte es für Wine, seine Anhänger so einzustellen, dass diese es bei friedlichen Protesten beließen, sowie, auf die nächsten Wahlen im Jahr 2026 Jahren hinzuarbeiten. Eine gewaltsame Eskalation wäre das Schlimmste, was jetzt passieren könnte, gibt Amtsberg zu bedenken. Während die Opposition und Wines Partei, die National Unity Party, ihre Unschuld als friedliche Reformbewegung verlieren würden, könnte Museveni sich in einer solchen Situation umso mehr als Garant der Stabilität gerieren, seine Sicherheitskräfte mobilisieren und, um seine Macht zu zementieren, eine blutige Auseinandersetzung in Kauf nehmen.
„Ich hoffe, dass Bobi seinen Weg nicht aufgibt“
Bobi Wine habe bislang deutlich gemacht, einen friedlichen, demokratischen Wechsel herbeiführen zu wollen. „Für mich war das eines der Hauptargumente, Bobi Wine im Rahmen unseres Menschenrechtsprogramms zu begleiten“, unterstreicht Amtsberg.
Was aber, wenn alle demokratischen und rechtsstaatlichen Wege ausgeschöpft seien? Wine müsse diesen schwierigen Weg fortsetzen, eine Gratwanderung, die einerseits die juristischen Möglichkeiten ergreife und andererseits die Energie seiner Partei und Anhänger auf den nächsten Wahltermin lenke, sagt die Grünen-Politikerin. „Ich hoffe, dass Bobi seinen Weg nicht aufgibt, und auf dieses sehr gute Wahlergebnis aufbaut. Es braucht einen langen Atem wenn man einen friedlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Wandel verfolgt.“
Versammlungsverbote, Internetabschaltungen
In den Monaten vor der Wahl habe die Regierung den Handlungsspielraum des ugandischen Oppositionspolitikers immer weiter beschnitten. 2020 sei kein gutes Jahr für eine demokratische Wahl oder einen fairen Wahlkampf gewesen, so Amtsberg. „Museveni konnte Corona auch als Vorwand nutzen, um Versammlungen zu unterbinden und den Wahlkampf der Kandidierenden einzuschränken.“
Zu den pandemiebedingten medizinisch notwendigen Einschränkungen komme hinzu, dass die staatlichen Medien wie Rundfunk und Fernsehen in Uganda ganz unter dem Einfluss des Präsidenten stünden. Und Zugang zum Internet könnten sich in dem ostafrikanischen Land die allerwenigsten leisten. Das Netz werde zudem von den Behörden regelmäßig lahmgelegt. „Das ständige Plattmachen des Internets ist ein Riesenproblem in Uganda. Soziale Medien können dann nicht genutzt werden.“ Bei Bobi Wines Internetaktivitäten gebe es immer wieder große Lücken. „Oft ist er tagelang nicht online. Dann hat er einfach kein Netz. Wir wissen oft erst Tage später, was mit ihm ist“, berichtet Amtsberg.
Politikangebot für die junge Genration
Während des jüngsten Wahlkampfs, aber auch schon zuvor, erfuhren Wine und seine Unterstützer zahlreiche Schikanen durch Regierung, Behörden und Sicherheitskräfte. Es kam zu Verhaftungen, Misshandlungen, Anklagen. Dabei seien die Vorwürfe gegen Bobi Wine kaum glaubwürdig, so die Bundestagsabgeordnete.
Die ugandische Regierung wolle den Oppositionspolitiker damit einschüchtern, um seinen politischen Willen zu brechen. Denn Wine mache seinen Landsleuten ein alternatives Politikangebot, das sich von dem der Regierung unterscheide und das vor allem bei der jungen Genration auf große Zustimmung stoße.
Lieder über soziale Ungleichheit und Korruption
Um auf soziale und politische Missstände sowie die weit verbreitete Korruption in seinem Land aufmerksam zu machen, hatte sich der Musiker und Popstar entschlossen, politisch aktiv zu werden und sich im Juli 2017 als unabhängiger Kandidat bei einer Nachwahl erfolgreich um ein vakantes Mandat der Nationalversammlung beworben.
In den letzten drei, vier Jahren wurde er zu einem politischen Hoffnungsträger vor allem für die junge Generation und die armen Leute, die von der Politik Musevenis enttäuscht sind. Bereits als Musiker hatte Wine sich soziale und politische Themen vorgenommen und in seinen Liedern soziale Ungleichheit, Korruption, ineffektive Regierungsführung und Jugendarbeitslosigkeit angeprangert. Als Präsident wolle er die Missstände beseitigen und Uganda zurück zur Rechtsstaatlichkeit führen, hatte der 38-Jährige, der mit bürgerlichem Namen Robert Kyagulanyi Ssentamu heißt, im Wahlkampf betont.
„Warum werden wir da nicht lauter?“
Als Patin arbeitet Amtsberg zurzeit an zwei Fronten. Einerseits treibt sie die Sorge um das Leben des Politikers um. Viele seiner Unterstützer, darunter Menschen aus Wines nächstem Umfeld hätten in den vergangenen Monaten, während des Wahlkampfs, bei Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften ihr Leben verloren. „Es ist gut, dass die deutsche Botschaft und die EU-Vertretungen vor Ort regelmäßig den Kontakt zu Bobi Wine suchen und die staatlichen Repressionen gegen ihn auch thematisieren.“
Andererseits müsse sie der Kritik von Bobi Wine und dessen Anhängern an Deutschland begegnen. Oppositionelle in Uganda stellten zu Recht die Frage, warum sich Deutschland nicht entschiedener gegen die autoritäre Politik Musevenis wende, der sich mittlerweile zahlreicher Menschenrechtsverstöße schuldig gemacht habe, demokratische Spielregeln missachte und rechtsstaatliche Grundsätze mit Füßen trete. „Warum werden wir da nicht lauter, fragen sich Bobis Anhänger.“
Entwicklungszusammenarbeit an Bedingungen knüpfen
Dass die deutsche Politik Uganda als ein vergleichbar stabiles Land in Ostafrika, das zudem die meisten Flüchtlinge der Region aufnehme, betrachte und unterstütze, sei nachvollziehbar. Die internationale Politik müsse aber nun stärker als bisher Präsident Museveni und seine Regierung drängen, demokratische und rechtsstaatliche Standards einzuhalten und vor allem die Menschenrechte zu achten, fordert Amtsberg.
Deutschland und die Europäische Union müssten zudem von Museveni verlangen, bei der nächsten Wahl internationale Wahlbeobachter zuzulassen. „Das sind wir der dortigen Bevölkerung schuldig. Die Bundesregierung hat nun die Möglichkeit, ihre Zusammenarbeit mit Uganda auf neue Beine zu stellen und deutlich zu machen, dass eine deutsch-ugandische Kooperation nicht anknüpfen darf an die menschenrechtlichen Zustände der vergangenen Jahre.“
„Neue Gespräche zwischen Kampala und Berlin suchen“
Jetzt biete sich für Berlin Gelegenheit, die wie auch immer wiedergewählte Regierung des Präsidenten anlässlich der Aufnahme ihrer Amtsgeschäfte einmal neu anzusprechen und den Handlungsträgern in Kampala ins Gewissen zu reden. „Und ihnen klar zu machen: Wir haben Uganda und was dort passiert auf dem Schirm.“
Auch die Unterstützung Bobi Wines aus Deutschland trage mit dazu bei, die Dinge für die Menschen in dem ostafrikanischen Land zu verändern. Das Einzige was die ugandische Führung interessiere, sei, sich an der Macht zu halten und zu diesem Zweck ihr Image zu pflegen. Nun erhalte das Regime durch sein Verhalten gegenüber Bobi Wine zu Recht international ein lautstarkes negatives Echo.
„Pflicht, aus unserer Position heraus zu helfen“
Das PsP-Programm des Deutschen Bundestages sei eine wertvolle Hilfe für ihr Engagement als Abgeordnete, sagt Amtsberg. Es verleihe ihrer Unterstützung für Bobi Wine einen offiziellen Charakter und damit zusätzlichen Nachdruck.
Das Programm unterstreiche den Anspruch der Bundestagsabgeordneten, sich über Landesgrenzen hinweg mit Kolleginnen und Kollegen weltweit zu vernetzen und einen demokratischen Diskurs zu pflegen. Sie verstehe es als ihre Pflicht, „aus unserer vergleichsweise sicheren Position in Deutschland heraus“ Parlamentariern und Menschenrechtlern zu helfen, die anderswo in Bedrängnis geraten.
„Solidarität unter Politikern“
„Bobi Wine kann nicht mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der wir in Deutschland Politik machen, in seinem Land politisch arbeiten und gerät in seiner Heimat auf ganz andere Art unter Druck.“ Diese Situation erfordere „Solidarität unter Politikern“, findet Amtsberg.
Der Blick über den Tellerrand veranschauliche zudem den Menschen hierzulande den hohen Wert der eigenen Demokratie und des Rechtsstaates, etwas, das auch in Deutschland lange habe erkämpft werden müssen, und das es wert sei, gelebt, erhalten, verteidigt zu werden. „Besonders in diesen Zeiten.“ (ll/02.02.2021)