Parlament

Roman Müller-Böhm: Parlament verjüngen,
CO2-Ausstoß deckeln

Roman Müller-Böhm (FDP) geht an einem Bundestagsgebäude vorbei.

Roman Müller-Böhm wünscht sich, dass die Zahl der unter 30-jährigen Abgeordneten im Bundestag steigt. (DBT/Melde)

Roman Müller-Böhm von der FDP war 24 Jahre alt, als er im Jahr 2017 als jüngster Abgeordnete in den Deutschen Bundestag gewählt wurde. Er konnte es damals gar nicht sofort realisieren, dass die Menschen ihm so viel Vertrauen entgegenbrachten, und war „geflasht“ wegen des hohen medialen Ansturms, erzählte der junge Abgeordnete im Sommer 2019 zur Halbzeit im Parlament. Seine politischen Ziele waren damals, Deutschland bei der Digitalisierung der Gesellschaft nach vorn zu bringen, die Bürgerrechte weiter zu stärken sowie die Verringerung der Massentierhaltungen durch die Herstellung von Fleisch-Alternativen.

Seine erste Legislaturperiode geht nach vier Jahren zu Ende, am 26. September wird ein neues Parlament gewählt und Roman Müller-Böhm kandidiert erneut in Mülheim an der Ruhr. „Bei dieser Bundestagswahl trete ich allerdings als Direktkandidat im Wahlkreis an, nicht auf einem Listenplatz der FDP“, sagt der Abgeordnete und wirkt dabei fest entschlossen. Ob er ohne die Unterstützung der Landespartei sein ehrgeiziges Ziel erreichen wird, zeigt sich am 26. September nach der Auszählung der Stimmen.

„Von einer digital funktionierenden Gesellschaft weit entfernt“

Was konnte Roman Müller-Böhm von den Zielen, mit denen er im Jahr 2017 ins Parlament eingezogen ist, umsetzen? Für welche Themen konnte er Mehrheiten finden? Beim Dauerthema Digitalisierung der Gesellschaft sei in der Corona-Pandemie klar geworden, dass Deutschland einen enormen Nachholbedarf habe.

„Die Regierungsparteien haben die Notwendigkeit der Digitalisierung zwar inzwischen auf dem Schirm, aber die perspektivische Abschaffung aller Faxgeräte im Deutschen Bundestag reicht natürlich nicht einmal ansatzweise. Es wird inzwischen per E-Mail kommuniziert, aber viele Gesundheitsämter arbeiten in der Corona-Pandemie noch immer mit Faxgeräten. Das ist ein beschämender Zustand und zeigt, dass Deutschland von einer digital funktionierenden Gesellschaft weit entfernt ist“ sagte der FDP-Abgeordnete.

„Parlament in viele Entscheidungen nicht eingebunden“

Wenn Roman Müller-Böhm auf das Corona Jahr 2020 zurückblickt, ist seine Einschätzung zum Mitspracherecht des Parlaments, was die Einbindung in Pandemie-Entscheidungen betrifft, ambivalent. Zu Beginn der Corona-Pandemie hatte er durchaus den Eindruck, dass der Bundestag schnelle und unkomplizierte Lösungen finden wollte, und es habe auch „ordentliche und fundierte Beratungsverfahren“ gegeben. „Je länger die Pandemie dauerte und je mehr darüber diskutiert wurde, dass die Regierung in einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite viele Ermächtigungen brauche, desto mehr haben sich die Dinge verselbstständigt“, sagt der junge Politiker.

Er fand es „sehr bedenklich“, dass weitgehende Entscheidungen, wie zum Beispiel Ausgangssperren, de facto von 16 Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin in einem Gremium getroffen wurden und das Parlament als Legislative in viele Entscheidungsprozesse nicht mehr eingebunden war. „Ich möchte nicht sagen, dass man nicht auch mal neu denken kann, aber ich habe die Befürchtung, dass viele Einschnitte ins alltägliche Leben der Menschen nicht mehr zurückgenommen werden“, sagt der FDP-Abgeordnete.

„Holterdiepolter-Verfahren beim Infektionsschutzgesetz“

Im Nachhinein sei in dieser Corona-Pandemie der Föderalismus in Deutschland oft problematisch gewesen, weil man nicht zügig ein bundeseinheitliches Vorgehen durchsetzen konnte. Beim Infektionsschutzgesetz sei das Parlament dann zwar eingebunden worden, aber es sei ein „Holterdiepolter-Verfahren“ gewesen, da brauche man nichts schönzureden, räumt Müller-Böhm ein.

„Als Mitglied im Rechtsausschuss habe ich es erlebt, dass uns die Vorlagen, die wir beraten wollten, weil es um erhebliche verfassungsrechtliche Fragen ging, erst 30 Minuten vor der Abstimmung im Parlament vorgelegt wurden. Wie sollte der Rechtsausschuss 50 oder 60 Seiten durchgehen und darüber vernünftig beraten, wenn die erst um 8.30 Uhr vorliegen, aber die Abstimmung um 9 Uhr beginnt?“, fragt der FDP-Abgeordnete.

„Ost-West-Denkschienen waren nie ein Thema“

Das Jahr 2020 war aber nicht nur ein Pandemie-Jahr, es war auch das 30. Jahr der deutschen Einheit. Die Diskussionen zu den noch vorherrschenden Unterschieden zwischen Ost und West, was die Lebensleistungen der Menschen aus Ostdeutschland betrifft, sieht Roman Müller-Böhm mit einem gewissen „Abstand“, wobei er deutlich sagt, dass Lebensleistungen aller Menschen anerkennt werden sollten.

„Ich bin Jahrgang 1992 und kenne nur Gesamtdeutschland. Bei mir gibt es keine Denkblockade gegenüber Ost, West, Süd oder Nord, weil ich so nicht aufgewachsen bin“, sagt der Politiker. Im Rechtsausschuss habe er mit Kollegen aus Sachsen sehr gut zusammengearbeitet. Ost-West-Denkschienen seien dabei nie ein Thema gewesen.

Nur 1,9 Prozent der Abgeordneten jünger als 30

Im Halbzeitgespräch hatte Roman Müller-Böhm als jüngster Abgeordneter die grundsätzliche Verjüngung des Parlaments angemahnt. Er sagte im Sommer 2019: „Wir brauchen dringend junge Menschen, die sich für Parteipolitik interessieren. Und die sollten tatsächlich eine Chance bekommen, im Bundestag ihre jungen Ideen einzubringen.“

Dass zu Beginn der 19. Legislaturperiode nur 1,9 Prozent der Abgeordneten jünger als 30 Jahre alt waren, findet er nach wie vor problematisch: „Ist es wirklich richtig, dass Abgeordnete jenseits der 60 oder 70 Politik für junge Menschen machen? Politische Erfahrungen sind wichtig, aber frischen Wind kann das Parlament definitiv brauchen.“

„Entscheidungegen manchmal schwer nachvollziehbar“

Nach vier Jahren im Parlament und intensiver Arbeit im Wahlkreis hat Roman Müller-Böhm immer noch das Ziel, das Parlament zu verjüngen. Es gebe in den Jugendorganisationen der Parteien auch ausreichend junge Menschen, die Lust haben, Politik zu gestalten und die viel Enthusiasmus mitbringen.

Leider stünden sich die Parteien bei den Aufstellungsverfahren zur Bundestagswahl oft selbst im Weg, sodass Entscheidungen gegen junge Menschen manchmal schwer nachvollziehbar seien, lautet seine Einschätzung.

„Folgen der Corona-Pandemie überwinden“

Die politischen Themen der Zukunft sieht der FDP-Abgeordnete darin, die Corona-Pandemie und deren wirtschaftliche, gesundheitliche und gesellschaftliche Folgen zu überwinden.

Ein wichtiges Thema für ihn ist auch der Klimawandel. „Es geht um die Grundlagen, wie jüngere Generationen in 30, 40, 50 Jahren leben werden. Der CO2-Ausstoß muss in allen Lebensbereichen klar gedeckelt werden, damit der Klimawandel verlangsamt werden kann“, sagt Roman Müller-Böhm und fügt hinzu: „Dafür möchte ich mich einsetzen, wenn ich den Einzug in den Deutschen Bundestag erneut schaffen sollte.“ (bsl/02.08.2021)

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