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Johannes Schraps: Ostsee­länder fordern Demokratie und Frieden in Belarus

Johannes Schraps vor weißem Hintergrund.

Johannes Schraps leitet die Delegation des Deutschen Bundestages in der Ostseeparlamentarierkonferenz. (DBT/Thomas Trutschel)

Klare Forderungen an die Regierungen der Mitgliedstaaten haben die Abgeordneten der Ostseeparlamentarierkonferenz in der Abschlusserklärung ihrer Jahrestagung am Montag, 30. August 2021, formuliert: Mehr Solidarität beim Kampf gegen Corona, eine klare Botschaft an die Führung von Belarus, sowie ein Bekenntnis zur Stärkung der Demokratie, der Meinungs- und Medienfreiheit weltweit. Im Interview spricht Johannes Schraps (SPD), Vize-Präsident der Ostseeparlamentarierkonferenz (Baltic Sea Parliamentary Conference, BSPC), über die Ergebnisse der Tagung, und zieht anlässlich des 30jährigen Jubiläums der Organisation eine positive Bilanz aus drei Jahrzehnten BSPC, die sich die Belange der jungen Generation sowie den Meeres- und Klimaschutz zu eigen gemacht habe. Das Interview im Wortlaut:

Herr Schraps, während der Pandemie haben sich die Ostseeanrainerländer nicht alle wie eine Gemeinschaft verhalten, sondern es gab zahlreiche nationale Alleingänge. Während der Jahrestagung der BSPC haben die Parlamentarier darüber gesprochen, was besser werden soll. Was haben Sie sich für die Zukunft vorgenommen?

Leider war es zu Beginn der Pandemie wie fast überall auf der Welt so, dass jedes Land erst einmal versucht hat, allein mit der neuen Situation klarzukommen. Aber so gewinnen wir natürlich nicht gegen die Pandemie. Auch für die Ostseeregion gilt, dass wir über die nationalen Grenzen hinausschauen und die Schwierigkeiten gemeinsam lösen müssen. In unserer Konferenzresolution appellieren wir daher an die Regierungen der Mitgliedsländer, gemeinsame Wege zu gehen und sich beispielsweise beim Impfen oder bei der Behandlung von Kranken zu unterstützen und wechselseitig Zertifikate anzuerkennen, nicht zuletzt, um so die Reisefreiheit in der Region zu gewährleisten. In der Abschlusserklärung haben jetzt alle ganz deutlich ihren Willen zur Solidarität zum Ausdruck gebracht. 

Von einigen Mitgliedsparlamenten ging zudem der Wunsch aus, eine klare Botschaft an die Führung von Belarus zu senden, die rechtsstaatliche und demokratische Standards missachtet. Wie war die Debatte darüber? Hätten Sie sich mehr Einigkeit, eine schärfere Verurteilung der Machthaber von Minsk gewünscht?

Da gibt es erfreulicherweise vor allem Positives zu berichten. Natürlich ist es angesichts der unterschiedlichen Mitgliedsländer so, dass einige die Lage in Belarus völlig unterschiedlich einschätzen. Vom schleswig-holsteinischen Landtag war der Antrag ausgegangen, die Situation in Belarus klar zu benennen. Das wurde vom Bundestag und zahlreichen weiteren Parlamenten nachdrücklich unterstützt. Es gab aber auch Stimmen, die einer sehr konkrete Benennung der Situation in Belarus skeptisch gegenüber standen. Am Ende muss man sagen: Wir haben eine für alle tragbare Formulierung gefunden und die Konferenz über zahlreiche Wortbeiträge als Forum genutzt, um den Machthabern in Minsk einmütig unser Missfallen mit der dortigen Situation zum Ausdruck zu bringen. 

Was steht nun da drin?

Im dritten Punkt in der Resolution fordern wir die Minsker Regierung auf, in ihrem Land als einem wichtigen Teil der erweiterten Ostseeregion Frieden und Demokratie herzustellen und den Willen seiner Bürgerinnen und Bürger zu achten. Und an unsere Regierungen gerichtet, die einmütige Aufforderung kommunikativ alles zu tun, um Belarus zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu bewegen. Also da ist von der Jahrestagung der BSPC ein klares Signal ausgegangen. 

Schweden, das derzeit die Präsidentschaft innehat, war es wichtig, das Bewusstsein für die Gefahren von Desinformation und Fake News für unsere demokratischen Gesellschaften zu schärfen, und die Freiheit der Medien sowie Meinungsfreiheit zu stärken. Die Stärkung der Demokratie weltweit war auch Motto der Tagung. Welche Hausaufgaben geben Sie da den Regierungen auf?

Der Kampf gegen Desinformation und Fake News ist in der Tat das Kernthema der schwedischen Präsidentschaft. Damit haben sich die BSPC-Parlamentarier in den letzten Monaten auf zahlreichen Seminaren und Konferenzen befasst. In der aktuellen Erklärung haben wir unsere Forderungen gegenüber unseren Regierungen jetzt nochmal gebündelt zum Ausdruck gebracht, nämlich: vermehrte Anstrengen zu unternehmen, um Demokratie und Werte wie Offenheit und Toleranz zu stärken sowie Meinungs- und Medienfreiheit zu gewährleisten und zu fördern. In der Diskussion am Montag wurde deutlich, als wie wichtig von den Parlamentariern dabei auch die Rolle von Nichtregierungsorganisationen erachtet wird. Und es kam der Wille zum Ausdruck, den Sozialen Medien, durch die eben jeder Zugriff auf jegliche Information hat, nicht allein ein negatives Image zu verpassen, sondern deren wichtige Rolle dabei zu unterstreichen, politische Prozesse transparent zu machen. Die Freiheit der Meinung und der Medien sind ein Grundpfeiler der Demokratie. Sie gilt es zu erhalten und zu stärken. 

Die Konferenz hat sich zudem seit jeher die Beteiligung junger Menschen an demokratischen Prozessen auf die Fahnen geschrieben. Sind Sie mit dem Erreichten zufrieden und was bleibt zu tun?

Zum wiederholten Mal tagte parallel zur diesjährigen Jahrestagung eine Jugendkonferenz mit fast 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus allen 11 Mitgliedstaaten der BSPC. Die Herausforderungen der Demokratie durch Digitalisierung und Desinformation waren auch für die jungen Leute ein ganz wichtiges Thema. Hinzu kam die Frage, inwieweit Covid-19 und der Umgang der Politik mit der Pandemie das Vertrauen in Demokratie und staatliches Handeln erschüttert haben. Der jungen Generation ist zudem ein extrem wichtiges Anliegen, dass die Ostsee zu einer grüneren, das heißt der Nachhaltigkeit verpflichteten, klimaneutralen Region wird. 

Inwieweit greifen Sie das auf?

Wir haben die Themen der jungen Generation in unsere Abschlusserklärung aufgenommen. Auch unsere neue und auf drei Jahre angelegte „Working Group on Climate Change and Biodiversity“ nimmt sich des Themas Klimawandel, Meeres- und Artenschutz an. Meine schwedische Kollegin Cecilie Tenfjord-Toftby hat anlässlich der Jahrestagung am Montag einen Zwischenbericht vorgestellt. Wir als Delegation des Deutschen Bundestages nehmen die Anliegen der jungen Leute sehr erst und bleiben an Themen wie dem Klimaschutz dran. Wenn wir im kommenden Jahr die Präsidentschaft vom schwedischen Reichstag übernehmen, ist es unser Ziel, da für Kontinuität zu sorgen und den Klimaschutz ganz oben auf der Agenda zu halten. 

Bei dieser Jahrestagung stand auch ein kleines Jubiläum an: Vor 30 Jahren wurde die Ostseeparlamentarierkonferenz auf finnische Initiative ins Leben gerufen. Was sind die wichtigsten Errungenschaften der Organisation? 

Wir können auf drei Jahrzehnte erfolgreiche und fruchtbare Kooperation im Ostseeraum zurückblicken. Die „Baltic Sea Parliamentary Conference“ (BSPC), wie unsere Organisation in englischer Sprache heißt, ist eine stabile parlamentarische Versammlung. Die Zusammenarbeit der Delegationen der Mitgliedsländer dort ist von Offenheit, Vertrauen und Kompromissbereitschaft geprägt sowie von dem Willen, die Region zusammen voran zu bringen und Probleme, die uns alle betreffen, gemeinsam zu lösen. Es ist über die Jahre ein regionales Bewusstsein gewachsen, das es vorher so noch nicht gab. Und wir haben mit der Versammlung ein Instrument, ein Forum, das Mitglieder aus der Europäischen Union und Nicht-EU-Mitglieder wie Island, Norwegen und Russland zusammenbringt, Impulse über die EU hinaus setzt und Gesprächskanäle bietet, die anderswo verstellt sind. Unsere satzungsgemäß einstimmig verabschiedeten Resolutionen zeugen von dem gegenseitigen Vertrauen und dem Willen zur Kooperation. 

Was für Impulse waren das? 

Ein Panel anlässlich des Jubiläums mit ehemaligen Vorsitzenden der BSPC hat uns jüngere Politiker eindringlich darin bestärkt, an diese Grundlagen anzuknüpfen und diesen Weg weiter zu gehen und weiter zu entwickeln. Sie haben daran erinnert, was für Akzente unsere Organisation bereits gesetzt hat, die zu konkretem Regierungshandeln geführt haben. Von einer unter den Mitgliedern abgestimmten gemeinsamen und nachhaltigen maritimen Raumordnung über das Verbot für Reedereien, Schiffstanks auf hoher See auszuspülen bis hin zu der Initiative meines Kollegen Peter Stein und mir, das Thema der Munitionsaltlasten im Meer nun zügig anzugehen. Peter Stein hat dazu auf der Tagung seinen Bericht vorgelegt. (ll/01.09.2021)

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