Geschichte

Vor 20 Jahren: UN-Generalsekretär Kofi Annan spricht im Bundestag

Vor 20 Jahren, am Donnerstag, 28. Februar 2002, sprach Kofi Annan als erster Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN) im Deutschen Bundestag in Berlin. Auf Einladung der Bundesregierung war Annan kurz nach Beginn seiner zweiten Amtszeit in die deutsche Hauptstadt gekommen. Am Tag zuvor hatte er sich bereits zu Gesprächen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), mit Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) und Außenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) getroffen. 

Im Bundestag sprach der Friedensnobelpreisträger auf Einladung des Bundestagspräsidenten Dr. h. c. Wolfgang Thierse über die, wie er es in seiner Begrüßungsansprache formulierte, „wichtigste Aufgabe überhaupt“: die dauerhafte Sicherung des Friedens in der Welt. Von den zahlreich erschienenen Bundestagsabgeordneten wurde er dazu herzlich empfangen.

Friedenssicherung in der Welt

Der Bundestagspräsident würdigte in seiner Begrüßungsrede Annans Einsatz in der internationalen Friedenspolitik und für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung. „Ihr Name ist fast schon Programm. Es verbindet sich mit Ihrem Eintreten für den Frieden, die Einhaltung der Menschenrechte und die weltweite Stärkung der Demokratie. Sie werben für einen unverstellten Dialog der Kulturen und Religionen.“ Mit ihm als Träger des Friedensnobelpreises seien viele Hoffnungen verbunden – auch im Deutschen Bundestag, sagte Thierse. Das verlange aber auch – von uns wie von den anderen Mitgliedsstaaten – die Vereinten Nationen in den Stand zu versetzen, diesen gestiegenen Erwartungen gerecht werden zu können. Am Beispiel Afghanistan betonte er die Bedeutung friedenssichernder Maßnahmen und einer verstärkten Entwicklungszusammenarbeit.

Der UN-Generalsekretär brachte in seiner Rede seine Wertschätzung für Deutschlands Engagement in der internationalen Friedenssicherung zum Ausdruck und bedankte sich für die „konstruktive und großzügige Haltung gegenüber den Vereinten Nationen“. Kofi Annan würdigte die deutschen Leistungen in der öffentlichen Entwicklungshilfe und brachte gleichzeitig seine Hoffnung zum Ausdruck, „dass Sie noch mehr tun können, indem Sie einen höheren Prozentsatz Ihres Bruttosozialprodukts für diesen Zweck bereitstellen“.

Umfassende Strategie für die neuen Aufgaben 

In seiner Rede thematisierte er auch den Anspruch und die Aufgaben der Vereinten Nationen zur Sicherung des Weltfriedens und verschwieg nicht die dabei entstehenden Schwierigkeiten. „Alle diese humanitären, militärischen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Aufgaben greifen ineinander, und die daran beteiligten Menschen müssen eng zusammenarbeiten. Keine davon lässt dauerhaften Erfolg erwarten, wenn wir sie nicht alle als Teil einer einzigen, zusammenhängenden Strategie gleichzeitig wahrnehmen. Sollten für eine davon die Mittel fehlen, könnte sich die Arbeit an allen anderen als vergeblich erweisen.“

Annan beklagte, dass die Vereinten Nationen für all ihre Aufgaben derzeit schlecht gerüstet seien. „Zurzeit müssen wir uns der unbequemen Wahrheit stellen, dass die Vereinten Nationen für die Entwicklung einer solchen umfassenden Strategie immer noch schlecht ausgestattet sind; dies gilt in noch höherem Maße für die Durchführung einer solchen Strategie. Und doch wird von den Vereinten Nationen häufig beides verlangt.“ Das System der Vereinten Nationen sei gegenwärtig zu stark untergliedert, erklärte er dazu. Die Grundsatzentscheidungen würden nach wie vor von den Regierungen der einzelnen Mitgliedstaaten getroffen. Man setze sich jedoch inzwischen in der Arbeit des Systems der Vereinten Nationen insgesamt, dass natürlich auch die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds umfasst, für eine verbesserte Abstimmung der Aktivitäten ein, versprach er.

Sicherung des Friedens in Afghanistan

Fehlende Ressourcen für Friedenssicherungseinsätze bereiteten ihm bereits jetzt im Falle Afghanistans besondere Sorgen. Zugesagte Mittel seien bisher nicht eingegangen und die Sicherung des Friedens in Afghanistan hänge von einem raschen, dynamischen Wiederaufbau ab. Auch setzte er sich für eine Verlängerung des Einsatzes der internationalen Schutztruppe in Afghanistan (Isaf) ein.

Friedenstruppen dürften zwar nicht auf unbegrenzte Zeit in Ländern bleiben, die gerade einen Konflikt überwunden hätten. Sie sollten aber auch niemals abrupt oder verfrüht abgezogen werden. „Erforderlich ist ein nahtloser Übergang, dessen Zeitpunkt und Gegebenheiten in enger Zusammenarbeit mit den anderen Organisationen sorgfältig geplant werden muss“, sagte der UN-Generalsekretär. Auch die Arbeit „dieser bilateralen und multilateralen, staatlichen und nichtstaatlichen, humanitären und Entwicklungsorganisationen“ müsse „auch lange nach dem Abzug der Friedenssicherungskräfte“ weitergehen.

Mehr Engagement für einen nachhaltigen Frieden

In seiner Ansprache lobte er Deutschland für „eine immer herausragendere Rolle“ bei den Bemühungen, in vom Krieg verwüsteten Ländern Frieden zu schaffen. Abschließend ermunterte er die Anwesenden zu einem noch stärkeren Engagement.

„Meine Damen und Herren, in den kommenden Monaten und Jahren wird Deutschland zweifellos aufgerufen werden, noch mehr für nachhaltige Entwicklung und nachhaltigen Frieden zu tun. Ihnen als Parlamentariern kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Sie bilden die institutionelle Brücke zwischen dem Staat und der Zivilgesellschaft und das unverzichtbare Bindeglied zwischen der lokalen und der globalen Ebene. Sie sind daher in der einzigartigen Lage, sich für eine Weltorganisation einzusetzen, die noch wirksamer arbeitet und den Bedürfnissen und Bestrebungen der Menschen, die Sie vertreten, noch besser gerecht wird.“

Im Anschluss an seine halbstündige Rede wurde er genauso herzlich verabschiedet, wie er begrüßt worden war. Als nächstes stand ein Besuch beim Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages auf dem Programm.

Zur Person Kofi Annans

Kofi Annan war von 1997 bis 2006 Generalsekretär der Vereinten Nationen. 2001 wurde ihm gemeinsam mit den Vereinten Nationen der Friedensnobelpreis verliehen. Damit wurde ihr Engagement für eine friedlichere und besser organisierte Welt geehrt. Die Vereinten Nationen kämpfen für Frieden und Sicherheit in der Welt und bemühen sich um die Lösung wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Probleme. Kofi Annan erhielt den Friedensnobelpreis neben seiner Arbeit an den traditionellen Aufgabenstellungen der Vereinten Nationen auch wegen seiner Initiativen für die Bekämpfung des internationalen Terrorismus und den Kampf gegen Aids sowie für die Betonung der Verpflichtungen der Organisation gegenüber den Menschenrechten.

Annan war am 8. April 1938 im späteren Ghana geboren worden. 1962 begann seine Karriere bei den Vereinten Nationen, die ihn 1996 zum siebten UN-Generalsekretär wählten. Nach seiner Pensionierung lebte Annan in seiner Wahlheimat Genf und engagierte sich über seine Stiftung weiterhin für Frieden in der Welt. Kofi Annan starb am 18. August 2018 im Alter von 80 Jahren in einem Krankenhaus in Bern.

„Er war ein großer Generalsekretär der Vereinten Nationen. Auch nach dem Ende seiner Amtszeit blieb er ein leidenschaftlicher Vermittler im Dienst einer friedlicheren Welt“, würdigte Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier den Verstorbenen. Als einen „herausragenden Staatsmann im Dienste der Weltgemeinschaft“, bezeichnete ihn die damalige Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) anlässlich seines Todes. „Mit seinen Ideen, seinen aufrechten Überzeugungen und nicht zuletzt seinem Charisma hat Kofi Annan mich und viele andere inspiriert“, sagte sie. (klz/21.02.2022)

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