Menschenrechte

Dirk Wiese unterstützt indische Menschenrecht­lerin Soni Sori

Dirk Wiese hält ein Bild von Soni Sori vor sich

Der Abgeordnete Dirk Wiese setzt sich im Rahmen des Programms „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ für die indische Menschenrechtsaktivistin Soni Sori ein. (© DBT/Stella von Saldern)

Der Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese (SPD) setzt sich für die indische Menschenrechtsaktivistin Soni Sori im Rahmen einer Patenschaft im Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ des Deutschen Bundestages ein. Nichts anderes als beeindruckend müsse man es nennen, wie Sori trotz der Repressalien, die sie seitens der Behörden und Sicherheitskräfte in Indien erfahre, für Gerechtigkeit in der noch immer durch das Kastenwesen gespaltenen indischen Gesellschaft kämpfe. Um der Inderin, die vielfach Polizeigewalt und Misshandlungen ausgesetzt war, bereits mehrfach für ihr Tun zu Unrecht im Gefängnis saß, der währenddessen der Kontakt zu ihren Kindern untersagt und noch nicht einmal erlaubt wurde, der Bestattung ihres Mannes beizuwohnen, durch internationale Aufmerksamkeit Unterstützung zukommen zu lassen, habe er eine Patenschaft in dem Programm Parlamentarier schützen Parlamentarier des Bundestages übernommen, erklärt Wiese. „Hier möchte ich ein Zeichen setzen.“

Das Engagement für Sori ist Wieses dritte PsP-Patenschaft, neben einer afghanischen und einer belarussischen. Als das Sekretariat des Menschenrechtsausschusses im September mit der Frage an ihn herangetreten sei, ob er sich eine Patenschaft für die Inderin vorstellen könne, habe er dem sofort zugestimmt und den Kontakt zu ihr gesucht. „Ich finde es wichtig, dass deutsche Parlamentarier Patenschaften für Parlamentarier und Menschenrechtler weltweit übernehmen, die gefährdet sind“, sagt der Jurist und Abgeordnete für den Hochsauerlandkreis. Fast einhundert Bundestagsabgeordnete engagieren sich in dieser Wahlperiode bereits in dem Programm.

Menschenrechtsverletzungen in Indien

Warum sind Engagierte wie Soni Sori in Indien, der größte Demokratie der Welt, einer solchen Verfolgung ausgesetzt? Bereits zwei Jahre länger als Deutschland sei Indien eine Demokratie, erinnert Wiese. Gewaltenteilung, eine unabhängige Justiz, Rechtsstaatlichkeit und freie Wahlen gehören dort zur selbstverständlichen Grundausstattung des Staatswesens. Aber es gebe in dem Land historisch und wirtschaftlich begründete gesellschaftliche Spannungen, und gewaltsam ausgetragene Konflikte. Neben den millionenfachen Erfolgsgeschichten der Mittelschicht bestehe eine verbreitete Armut.

Hinzu kämen bewaffnete Auseinandersetzungen in mehreren Bundesstaaten zwischen Separatisten und der Staatsgewalt. Muslime werden mehr und mehr ausgegrenzt und schikaniert. Und schließlich entfesselten sich durch das Fortwirken des traditionellen Kastenwesens immer wieder Konflikte, Mitglieder der unteren Kasten würden weiterhin gesellschaftlich marginalisiert und unterdrückt, seien der Gewalt der Sicherheitskräfte ausgesetzt, erführen zum Teil schwere Menschenrechtsverletzungen. Es lasse sich sogar eine Zunahme der sozialen Unterschiede und der Gewalt und Gegengewalt beobachten. Um gewaltsamer Ausschreitungen Herr zu werden erließen einige Bundesstaaten Gesetze, die den Sicherheitskräften ein hartes Durchgreifen erlaubten, erzählt Wiese. Diese würden aber auch regelmäßig vom Supreme Court in New Delhi, dem obersten indischen Gericht, einer sehr angesehenen Institution, wieder aufgehoben, sollten sie der Verfassung des Landes widersprechen.

Einschüchterung und Gewalt gegen Sori

Gegen das Kastenwesen und die Diskriminierung und Polizeigewalt, die insbesondere der Stammesgemeinschaft der Adivasi widerfährt, habe auch die politische Aktivistin Soni Sori immer wieder ihre Stimme erhoben. Menschenrechtsorganisationen setzen sich seit Jahren für sie ein und berichten über den Fall der Lehrerin und Mutter von drei Kindern aus dem Bundesstaat Chhattisgarh im Zentrum Indiens. Seit mehr als zehn Jahren ist Sori demnach wiederholt Opfer politisch motivierter Falschbehauptungen staatlicher Stellen gewesen, wurde infolgedessen angezeigt, inhaftiert und angeklagt. Sie wurde von der Polizei ihres Bundesstaates gefoltert und sexuell misshandelt, schließlich wurde von Amts wegen versucht, ihre Zurechnungsfähigkeit in Frage zu stellen.

Die Regierung des Bundesstaates Chhattisgarh und die dortige Polizei wiesen die Foltervorwürfe zurück und behaupteten bei einem Verfahren vor dem vor dem Supreme Court of India, Sori habe sich die Verletzungen selbst zu Hause zugezogen, sowie, durch Partikularinteressen solle das Ansehen der örtlichen Polizei beschädigt werden. Ärzte und der Oberste Gerichtshof stellten schließlich fest, dass Sori sexuelle Folter erlitten habe und sie wurde in den meisten Punkten freigesprochen.

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International kamen zu dem Schluss, dass die Inderin wegen ihrer Kritik an Menschenrechtsverletzungen durch Maoistische Rebellen und staatliche Sicherheitskräfte politisch verfolgt, eingesperrt und gefoltert worden war und hatten ihre bedingungslose Freilassung gefordert. Auch Indiens National Human Rights Commission hat Soris Folter-Vorwürfe gegen die Behörden untersucht.

Gesellschaftliche Spannungen

Weil sie sich für die Lage der unteren Kasten und die Stammensgemeinschaften der Adivasi einsetze, werde Sori von Polizei und Strafverfolgungsbehörden der immer gleiche Vorwurf gemacht, wie er auch gegen andere Menschenrechtler und in anderen Ländern erhoben werde: Aufwiegelung gegen die Staatsorgane, die Sicherheitskräfte und Destabilisierung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, erzählt Wiese. „Daraus werden dann strafrechtliche Fälle konstruiert.“ Die Menschenrechtlerin habe sich bereits gegen zahlreiche Verfahren zur Wehr setzen müssen.

Sind solch ein Hass und solche Verunglimpfung „normale“ Begleiterscheinungen für einen Modernisierungsprozess, wie ihn Indien durchläuft? „Indien lebt in drei Jahrhunderten gleichzeitig“, habe es einmal der frühere deutsche Botschafter in Indien auf den Punkt gebracht, erinnert sich Wiese. Eine modernde, wohlhabende Mittelschicht in den Großstädten, daneben die sehr armen Bewohner der Slums am Rand der großen Städte sowie die Landbevölkerung, bei der man sich teilweise ins Mittelalter zurückversetzt glaubt - diese Parallelwelten seien charakteristisch für das heutige Indien. 

„Dass es da gesellschaftliche Konflikte gibt, wegen der Vermögensverteilung und der politischen Partizipation ist verständlich“, ebenso, dass sich die Menschen gegen Korruption und Umweltzerstörung auflehnten. Im Gegensatz zu Gewaltakteuren äußere sich Soni Sori mit friedlichem Protest - sei allerdings den gleichen Repressionen ausgesetzt. Als ausländische Unterstützer der Menschenrechtlerin müsse man den indischen Verantwortlichen klarmachen, dass in demokratischen Prozessen auch Stimmen wie die von Sori gehört werden müssten und diese nicht mit dem staatlichen Apparat zum Schweigen gebracht werden dürften.

Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung in Indien

„Es ist beeindruckend mit welch ungebrochenem Willen sie sich immer wieder gegen die vielfachen Ungerechtigkeiten auflehnt“, findet Wiese. Obwohl ihre Gegner nichts unversucht zu lassen schienen, um sie mundtot zu machen, sie an Ihrer Arbeit zu hindern, ja sie mit Strafverfahren und Haftaufenthalten aus dem Verkehr zu ziehen.

Die Polizeigewalt, die in Indien immer wieder übergriffig und unverhältnismäßig sei und Ungerechtigkeiten produziere, werde allerdings von der Justiz eingehegt und regelmäßig zurückgepfiffen. Es gebe zudem zahlreiche beeindruckende Anwälte, die sich immer wieder für Fälle wie den Soni Doris einsetzten. „Die indische Justiz funktioniert, Indien ist ein Rechtsstaat“, stellt Indien-Kenner und Jurist Wiese fest, der selbst eine Zeit lang in dem Land gelebt hat. Dass ihr Fall international Aufmerksamkeit erfahren habe, seitens der Medien, von Menschenrechtsorganisationen oder dem Menschenrechtsdialog der Europäischen Union, habe Soni Sori sehr geholfen. Das wolle das PsP-Programm des Deutschen Bundestages unterstreichen und verstärken.

Internationale Aufmerksamkeit und Solidarität

Das Wichtigste in den meisten Fällen solcher Verfolgung sei, Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit zu erzeugen. Vor Ort, international, aber auch hierzulande. Das mache seiner Patin Mut und signalisiere den Verantwortlichen in Indien, dass man deren Tun im Auge behalte, und halte sie möglicherweise von Schlimmerem ab.

Er wolle dazu beitragen, die Geschichten von Soni Sori und seinen anderen Paten einer breiteren Öffentlichkeit zu Gehör zu bringen, etwa durch Pressemitteilungen, und spreche in seinem Wahlkreis über seine Patenschaften, sagt Wiese. Als stellvertretendem Vorsitzenden der deutsch-indischen Parlamentariergruppe biete ihm zudem auch dieses Gremium die Möglichkeit zu vielen Gesprächen. Er stehe in diesem Rahmen im Austausch mit indischen Kolleginnen und Kollegen, der indischen Botschaft in Deutschland, aber auch mit dem Auswärtigen Amt und mit Menschenrechtsorganisationen.

Politik, Wirtschaft und Menschenrechte

Als ein Puzzleteil unter vielen Engagements, vor allem auch seitens der Menschenrechtsorganisationen, versteht Wiese seine Unterstützung für Soni Sori im Rahmen des PsP-Programms, ein Puzzleteil, das dazu beitrage, damit die Inderin „im demokratischen Prozess ihres Landes ohne Repressionen ihre Arbeit für soziale Gerechtigkeit tun kann“. Es werde sich allerdings jetzt nicht alles sofort zum Besseren wenden für Sori und eine Bevölkerungsgruppe, die vielfach unterdrückt werde und kaum Gehör finde.

„Als Abgeordneter hat man aber die Möglichkeit, solche Fälle auf der internationalen Bühne immer wieder anzusprechen“, darauf aufmerksam zu machen. Das mache die indische Seite auf Dauer nachdenklich, ist Wiese überzeugt. Die deutsche Politik müsse deutlich machen: Wir haben Indien nicht nur geopolitisch im Blick, als interessanten wirtschaftlichen und politischen Partner, sondern in einer solchen Beziehung, die bereits eine lange Tradition habe, mit regelmäßigen Regierungskonsultationen, müssen auch Themen wie die Menschenrechte und Menschenrechtsverletzungen zur Sprache kommen.

Eine enge Kooperation mit Indien gehöre zu Deutschlands außenpolitischen Prioritäten, sagt Wiese. Deutschland und Indien hätten wechselseitige wirtschaftliche Interessen. Es bestünden zudem gemeinsame sicherheitspolitische Herausforderungen. Regelmäßige Regierungskonsultationen spiegelten ebenso die engen Beziehungen wider wie die seit über 50 Jahren bestehende deutsch-indische Parlamentariergruppe. Ganz selbstverständlich thematisiere man in diesem partnerschaftlichen und vertrauensvollen Rahmen auch Fälle von Menschenrechtsverletzungen. „Man muss den Mut haben zu sagen: Da funktioniert etwas nicht, da geht was nicht in die richtige Richtung. Entsprechend sage ich den Indern auch: Sagt uns bitte, wenn ihr bei uns etwas seht, von dem ihr meint, das geht nicht in die richtige Richtung.“ (ll/09.01.2023)