Menschenrechte

Norbert Altenkamp über­nimmt Patenschaft für Tundu Lissu aus Tansania

Norbert Altenkamp (CDU/CSU) steht mit einem Foto auf einem Flur.

Norbert Altenkamp setzt sich im Rahmen des Patenschaftsprogramms „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ für den Oppositionspolitiker Tundu Lissu aus Tansania ein. (DBT/Stella von Saldern)

Nicht abreißen lassen wollte der Bundestagsabgeordnete Norbert Altenkamp (CDU/CSU) die Betreuung des Oppositionspolitikers Tundu Lissu aus Tansania im Patenschaftsprogramm des Deutschen Bundestages „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ (PsP). Deswegen hat er die Patenschaft für Lissu von der ehemaligen Abgeordneten und Parteifreundin Gisela Manderla übernommen, als er darum gebeten wurde. Der prominente tansanische Oppositionspolitiker ist nach fünf Jahren im belgischen Exil am 25. Januar in sein Heimatland zurückgekehrt. Im Jahr 2017 war im Parlamentsviertel von Dodoma ein Attentat auf Tundu Lissu verübt worden, bei dem der Politiker schwerste Verletzungen erlitt und anschließend nach Belgien ausreiste, um sich dort medizinisch behandeln zu lassen. Die an Lissus Rettung Beteiligten, aber auch Menschenrechtsorganisationen, vermuteten einen politischen Hintergrund. Lissu hatte die Regierung des damaligen tansanischen Präsidenten John Magufuli öffentlich immer wieder scharf kritisiert.

Lissu und die Opposition wurden politisch verfolgt

In das Bild einer politischen Verfolgung Lissus passt, dass dieser allein im Jahr 2017 sechsmal, unter anderem wegen Präsidentenbeleidigung und Gefährdung der öffentlichen Ordnung, angezeigt und verhaftet worden war. Im November 2020 wollte die Regierung Lissu offenbar erneut gewaltsam festsetzen, nachdem dieser bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen Amtsinhaber John Magufuli herausgefordert hatte und dazu einige Monate in sein Heimatland zurückgekehrt war. Weltweit wurde darüber berichtet. Die Wahlen, aus denen Magufuli mit 84,5 Prozent als Sieger hervorging, wurden von massiven Wahlfälschungen und Unregelmäßigkeiten begleitet und sowohl seitens der unterlegenen Opposition als auch international als manipuliert bezeichnet und nicht anerkannt.

Internationale Wahlbeobachter waren nicht zugelassen. Oppositionelle wurden damals bedroht, Kundgebungsteilnehmer erfuhren Polizeigewalt, die sozialen Medien wurden blockiert. Von der tansanischen Regierung, vom Staat, erhielt Lissu keine Unterstützung, ja, es drohte sogar seine Verhaftung. In- und ausländische Menschenrechtsorganisationen haben das Verhalten der tansanischen Regierung und Behörden immer wieder scharf verurteilt. Die deutsche Botschaft hatte Lissu daraufhin Schutz gewährt und seine abermalige Ausreise nach Belgien organisiert.

Altenkamp: Tudu Lissus Mut ist bewundernswert

„Hätte ich selber die Kraft, mein Mandat weiter auszuüben, wenn mir das widerfahren wäre, was Tundu Lissu passiert ist?“, habe er sich gefragt, so Altenkamp, als er sich mit dem Schicksal des tansanischen Politikers näher befasst habe. Es ist eine rhetorische Frage.

Norbert Altenkamp und Tundu Lissu stehen nebeneinander und lächeln

Norbert Altenkamp und Tundu Lissu bei einem Treffen im November 2022 im Bundestag (Gudrun Zeitz)

„Ich habe das Privileg, in einem Land zu leben, in dem ich mein Mandat freiheitlich demokratisch ausüben darf, ohne das Gefühl zu haben bedroht zu werden“, unterstreicht der CDU-Politiker, der für seine Partei ein Direktmandat im Wahlkreis Main-Taunus holte, die komfortable Lage, in der er hierzulande Politik machen kann. „Trotz der schweren Zeit im belgischen Exil, wo er seit dem Attentat ärztlich behandelt wird und sich zahlreichen Operationen unterziehen musste, hat Lissu die Kraft und den Mut behalten zu sagen: ich mache weiter.“ Altenkamp findet das bewundernswert. Und unterstützenswert.

Sieht in seiner Heimat Perspektive für sich

Mit seiner Rückkehr nach Tansania stetze Lissu ein wichtiges Zeichen, stellt Altenkamp fest. Er sehe nun die Möglichkeit, sich dort wieder politisch betätigen und gefahrlos bewegen zu können. Außerdem habe seine Partei ihn gerufen. Lissu ist in Tansania eine bekannte Persönlichkeit, zudem Anwalt und Verfassungsrechtler. „Die brauchen ihn dort. Er ist das Gesicht der Opposition.“ In dem Land sei nach dem Tod des langjährigen Präsidenten Magufuli und dem Machtwechsel einiges in Bewegung geraten. 2021 wurden Wahlen abgehalten.

Die neue Präsidentin und ehemalige Vizepräsidentin Samia Suluhu Hassan hat die Versammlungsfreiheit nach sechs Jahren wieder zugelassen. Parteien dürfen sich wieder treffen und zu Veranstaltungen einladen. Hassan gehe auf politische Gegner zu, habe Tundu Lissu als politischen Akteur und Wettbewerber wahrgenommen und ihn vor einem Jahr bei einer Auslandsreise in Belgien getroffen. Die Opposition in Tansania sei in Aufbruchsstimmung, sehe eine Perspektive für sich. Das alles habe Lissu bewegt, in seine Heimat zurück zu gehen.

Altenkamp: Sorge um Lissus Sicherheit

Ganz ungefährlich ist das nicht, findet Altenkamp und erinnert daran, dass Lissus Attentäter immer noch frei herum laufen. Das Verfahren gegen Unbekannt wurde 2017 mangels Beweisen rasch eingestellt. Bis zum heutigen Tag ist die Tat an Lissu nicht aufgeklärt. Wichtig sei, dass man Lissu und seine Sicherheit im Blick behalte und Öffentlichkeit herstelle, sagt Altenkamp. Durch seine Unterstützung als Parlamentarier wolle er den Regierenden in Daressalam signalisieren: Wir haben ein Auge auf Lissu. Achtet darauf, dass ihm nichts passiert.

Das habe er kürzlich auch dem tansanischen Botschafter in Berlin vermittelt und ihn gleichzeitig gebeten, die Ermittlungen zum Attentat von 2017 wieder aufzunehmen, um die Täter endlich zu finden. Dazu halte er Kontakt nicht nur zu Tundu Lissu selbst und dessen Umfeld, sondern auch zur regionalen Vertretung der Konrad-Adenauer-Stiftung und der deutschen Botschaft vor Ort, die bereits bei der drohenden Verhaftung Lissus sehr hilfreich gewesen sei. „Die schauen jetzt alle auf ihn.“ In einer Videoschalte mit Verantwortlichen der Konrad-Adenauer-Stiftung, zu der der tansanische Politiker auch im belgischen Exil engen Kontakt hatte, habe Lissu kürzlich erklärt, er sei frei von Angst und mache sich keine Sorgen. Das wertet Altenkamp als gutes Zeichen.

Insgesamt vernehme man aus Tansania ermutigende Signale, eine Entspannung der politischen Lage zeichne sich ab. Es sehe so aus, als kämen Regierungspartei und oppositionelle Kräfte wieder in einen fairen politischen Wettbewerb miteinander. Tansania sei im Übrigen keinesfalls ein failed state, stellt Altenkamp fest. Als multireligiöser Vielvölkerstaat mit einer heterogenen Bevölkerungsstruktur sei das Land jedoch politisch fragmentiert. Es kristallisierten sich nicht einfach zwei große Mehrheitsparteien heraus, die einander bei der Regierung abwechselten. Tansania mache seine spezifischen Demokratieerfahrungen im Kontext der kulturellen Besonderheiten Afrikas.

Attentat, Verhaftung, Auswanderung

Zwei Dinge wünsche sich Lissu nun ganz besonders, erzählt Altenkamp: Zum einen, dass das Verfahren gegen seine Attentäter wieder aufgerollt werde, um den oder die Täter dingfest zu machen. Und zum anderen, dass ihm seine bisherige Zeit als Abgeordneter anerkannt und finanziell angerechnet werde. 2019 war ihm sein Abgeordnetenstatus wegen Abwesenheit aberkannt worden. „Wenn du Sorge hast verhaftet zu werden und um dein Leben fürchtest - wie sollst du da arbeiten?“, gibt Altenkamp zu bedenken. Jetzt müsse sich Lissu neben seinem Land auch um sein eigenes wirtschaftliches Überleben kümmern.

Lissu habe nach dem Attentat durch staatliche Kräfte keinen Schutz erfahren, sondern im Gegenteil: Verfolgung. Der frühere Präsident habe die Corona-Pandemie ausgenutzt, um ein Versammlungsverbot für politische Parteien auszusprechen. Tansanias vorige Regierung habe stark autoritäre Züge aufgewiesen, das Staatswesen stelle nach wie vor keine Demokratie nach unseren Maßstäben dar, so Altenkamp. In diesem für ihn lebensbedrohlichen Umfeld habe er als gewählter Abgeordneter und Frontmann seiner CHADEMA-Partei (Swahili für: Partei für Demokratie und Fortschritt), der größten Oppositionspartei auf dem Festland, überhaupt nicht mehr politisch aktiv sein können. Seine Ambitionen auf das Amt des Präsidenten musste er zunächst begraben. In der Wahl 2020 unterlag er klar dem Amtsinhaber Magufuli.

Politische Aufbruchstimmung in Tansania

Jetzt will Lissu an der Überarbeitung der Verfassung seines Landes teilhaben, einem Prozess, den die Regierung überraschenderweise doch schon jetzt gemeinsam mit der Opposition angehen will und nicht erst nach den Wahlen 2025, wie ursprünglich geplant. Die politischen Rahmenbedingungen hätten sich spürbar verbessert, so Altenkamp. „Die neue Präsidentin hat das Fenster etwas aufgestoßen und frische Luft reingelassen.“ Es herrsche eine allgemeine Aufbruchstimmung.

Seine Partei habe Lissu gesagt, dass er nun wieder im Land gebraucht werde, als prominentes Gesicht der Partei; nach wie vor ist Lissu stellvertretender Parteichef. „Wieder in sein Land einreisen zu können, ist für Lissu wie ein Geburtstagsgeschenk“, sagt Altenkamp über die neuen Chancen für Lissu, der am 20. Januar Geburtstag hatte. Dahinter stehe eine bewundernswerte Haltung: sich nicht unterkriegen zu lassen, zurückzukehren an die Wirkungsstätte, an der er überfallen und schwer verletzt wurde, und die er nur mit viel Glück habe verlassen können. „Und jetzt bietet er der Herausforderung die Stirn. Er hätte ja auch sagen können: Lasst mich in Ruhe, ich bleibe in Belgien. Aber nein…“

Lissu will Zukunft seines Landes mitgestalten

Lissu richte den Blick nach vorne, brenne darauf, wieder in seinem Land für sein Land zu arbeiten, für Demokratie und rechtsstaatliche Verhältnisse. Innerhalb seiner Partei und auch wieder als Abgeordneter. Diese Haltung, aber auch seine öffentlich geäußerte Zuversicht, der Wille mitmachen zu wollen, sei zudem von hoher Symbolkraft, ein Signal sowohl für die eigenen Anhänger, aber auch in Richtung der Regierenden. Statt lediglich mit dem Absingen schmutziger Gesänge wieder aufzutauchen.

Damit zeige Lissu auch, dass er verstanden habe, dass jetzt in seinem Land etwas Neues im Gange sei, dies honoriere, und dass er ohne Rachegedanken daran teilhaben wolle. Nicht nur zurück, sondern auch nach vorne schauen, sei eine mit Bedacht gewählte, sehr kluge Herangehensweise, findet Altenkamp. Auch gegenüber dem Botschafter habe er, so der CDU-Politiker, unterstrichen: Wir nehmen wahr, dass sich in Tansania politisch etwas bewegt.

Lissu halte er im Übrigen für einen absolut glaubhaften Menschen, sagt Altenkamp, eine nicht allzu oft anzutreffende Eigenschaft. Bei vielen Delegationsbesuchen sei er sich nicht sicher, ob er „da nicht gerade einem künftigen Diktator die Hand schüttele. Aber bei Tundu Lissu sieht es ganz anders aus. Ihm nehme ich seine Haltung ab. Ich glaube, dass er das ist, was er vertritt und sagt. Und nicht ein neuer Despot“, ist sich Altenkamp sicher, der sich auch durch die gemeinsame Religion des Katholizismus mit Lissu verbunden fühle.

Politische Freiheit hierzulande verpflichtet

Das PsP-Programm findet Altenkamp einen geeigneten Rahmen, um Tundu Lissu zu unterstützen. Das Privileg, selber ein freies Mandat ausüben zu können ohne Repressionen fürchten zu müssen, bedeute auch eine Verpflichtung, Kolleginnen oder Kollegen in Ländern zu helfen, denen diese Möglichkeit nicht gegeben sei.

„Das treibt mich an“, so der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Er habe das Bedürfnis, sich Menschen zuzuwenden. Gewachsen sei dieses Bedürfnis aus seiner früheren Tätigkeit als Bürgermeister von Bad Soden im Taunus.

Mut machen, Schutz geben, Afrika stabilisieren

Mut machen möchte Altenkamp seinem Schützling Lissu, ihm den Rücken stärken. Das sei die Ratio des Patenschafts-Programms. „Aber Lissu ist schon selber so mutig, das macht einem selber Mut“, findet der CDU-Politiker. Erreichen möchte Altenkamp mit seiner Patenschaft, dass Lissu nicht so schnell wieder bedroht wird, „dass ich ihm einen gewissen Schutz geben kann“. Vor allem aber wolle er dem Tansanier ein Ansprechpartner sein.

Perspektivisch verbindet Altenkamp, der auch dem CDU/CSU-Arbeitskreis Afrika angehört, sein Engagement für Lissu mit dem Ziel, „dass die Beziehungen zu Tansania sich gut entwickeln, durch stabile Kontakte zwischen beiden Ländern. Insgesamt haben wir ein Interesse an einem stabilen Afrika, mit dem wir künftig auch wirtschaftlich und energiepolitisch, zum Bespiel im Bereich grüner Wasserstoff, enger zusammenarbeiten wollen.“ (ll/04.04.2023)

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